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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 9.1898

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Korrespondenz aus Venedig, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5777#0041

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.

HERAUSGEBER:

ULRICH THIEME und RICHARD GRAUL

Verlag von SEEMANN & Co. in LEIPZIG, Gartenstrasse 17.

Neue Folge. IX. Jahrgang. 1897/98. Nr. 5. 18. November.

Redaktionelle Zuschriften nimmt ausser Herrn Dr. U. Thieme, Leipzig, Erdmannstr. 17 auch Herr Dr. A. Rosenberg,
Berlin SW., Yorkstrasse 78 entgegen.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur „Zeitschrift für bildende Kunst" und zum „Kunstgewerbeblatt" monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der „Zeitschrift für bildende
Kunst" erhalten die Kunstchronik gratis. - Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handlung keine Gewähr. Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditonen von Haasen-
stein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

KORRESPONDENZ AUS VENEDIG
VON ERNST STEIN MANN

Als man im vergangenen Frühjahr in Florenz
das Fest der Blumen und der schönen Künste er-
öffnete, erhob sich in Venedig ein energischer Protest
gegen diesen Eingriff in vermeintliche Rechte, und
die Blätter gaben schon damals mit allem Nachdruck
dem Gedanken Ausdruck, dass der Lagunenstadt allein
die Befugnis zustehe, mit Turin abwechselnd, alle
zwei Jahre seinen Salon zu öffnen. Die Thatsachen
scheinen solche Ansprüche rechtfertigen zu wollen.
Der Florentiner Ausstellungspalast im mercato vecchio
ist längst dem Erdboden gleich gemacht, und das
ganze Unternehmen bezeichnet nur eine anmutige
Episode im modernen Kunstleben der Arnostadt,
während in Venedig die zweite internationale Aus-
stellung die erste an Glanz und Bedeutung weit über-
troffen hat.

Schon die centrale Lage und der unvergängliche
Zauber seiner einzigartigen Natur mussten Venedig
als Mittelpunkt moderner Kunstbestrebungen, vor
allem wenn sie sich auch an fremde Nationen wandten,
die Palme erringen lassen vor den übrigen Städten
Italiens. Wo gäbe es überdies ein reizenderes Bei-
einander von Ausstellungspalast und Park wie die
„Giardini publici", welche Napoleon L im südöst-
lichen Winkel der Stadt auf einer fruchtbaren, dem
Wasser abgerungenen Halbinsel angelegt hat? Wo
könnte das Studium der mannigfaltigen Erscheinungen
unserer oft noch unsicher tastenden Kunst den Besucher
weniger ermüden als in diesen zum Glück in ihrer An-
zahl auch heute noch beschränkten Sälen, wo ein Schritt
zur Thür hinaus sofort die eigenartige Lagunenland-
schaft vor uns aufthut, die sich an heiteren und trüben

Tagen dem Auge in immer wechselnden Stimmungen
und Farbenbildern offenbart?

Den diesjährigen venezianischen Salon ziert kein
so einmütig bewundertes Meisterwerk wie Michettis
»Tochter des Jorio" vor zwei Jahren, er entbehrt ganz
so abstossende Sensationsstücke wie G rossos v letzte
Zusammenkunft". Nur auf dem Gebiete der Porträt-
malerei begrüssen wir eine ungewöhnliche, eine aus-
serordentliche Leistung in dem Dr. Pozzi des Ameri-
kaners Sargent, der selbst Bildnisse wie Liebermanns
Gerhard Hauptmann und Ouless' Kardinal Manning,
die vielbewunderten Prachtporträte der ersten Aus-
stellung weit hinter sich zurücklässt. Im ganzen
aber hält sich alles Gebotene auf dem Niveau des
soliden Durchschnittes; die Italiener befinden sich oft
darüber, augenscheinlich weil man in der Auswahl
der Gemälde einen höheren Massstab anlegte, die
Engländer, von den Schotten weit überflügelt, meist
darunter. Die deutsche und französische Kunst war
bis dahin überhaupt noch nie in Italien so vielseitig
vertreten, die Spanier treten mit den altbekannten
Namen des Villegas, des Sorolla, des Benlliure, des
Barbudo Sanchez u. a. auf, und die Russen können sich
wenigstens rühmen, den Salon mit einem seiner besten
Bilder geschmückt zu haben.

Unter den Italienern gebührt wiederum den Vene-
zianern der Preis, den ihnen die Jury auch bereit-
willigst zugestanden hat. Allerdings begreift man
schwer, was die Preisrichter an Milens Schilderungen
aus dem venezianischen Volksleben so entzückt haben
mag, der sich auch als Porträtmaler nicht zu solcher
technischen Meisterschaft emporgeschwungen hat, dass
man darüber die Kälte seiner Auffassung vergässe.
Ettore Titis Bedeutung giebt sich unmittelbarer zu
erkennen, wenn auch alle seine Werke nur den Ein-
 
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