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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 9.1898

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Sydow, Fritz: Ausstellung japanischer Buntdrucke im Leipziger Kunstgewerbemuseum, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5777#0089

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.

HERAUSGEBER:

ULRICH THIEME und RICHARD GRAUL

Verlag von SEEMANN & Co. in LEIPZIG, Gartenstrasse 17.

Neue Folge. IX. Jahrgang. 1897/98. Nr. 11. 6. Januar.

Redaktionelle Zuschriften nimmt ausser Herrn Dr. U. Thiene, Leipzig, Erdmannstr. 17 auch Herr Dr. A. Rosenberg,
Berlin SW., Yorkstrasse 78 entgegen.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur ,(Zeitschrift für bildende Kunst" und zum Kunstgewerbeblatt" monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der „Zeitschrift für bildende
Kunst" erhalten die Kunstchronik gratis. - Für' Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handlung keine Gewähr. Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditonen von Haas en-
stein 81 Vogler, Rud. Mosse 11. s. w. an.

AUSSTELLUNG JAPANISCHER BUNTDRUCKE
IM LEIPZIGER KUNSTGEWERBEMUSEUM.
(Schluss.)

Infolge des gleichen ernsten und logischen Strebens
der japanischen Künstler wirkt eigentlich jedes leidlich
erhaltene Blatt schon an sich als Farbenfleck, dessen
tiefste Schönheiten vielleicht nur der erkennen kann,
der einmal versuchte, mit ebenso wenig Farbe, eben-
so viel zu leisten. Was aber, nebenbei gesagt, be-
zeichnend ist; so oft man Gelegenheit hat, deutsche,
gutwillige, kluge Nörgler vor solche Blätter zu stellen,
so nehmen sie die Farbe als etwas Selbstverständliches
und nörgeln nur an dem Mangel an Perspektive und
Schatten. Und das ist sogar sehr bezeichnend. Denn
es ist ja nun einmal so, dass das nichtverstandene Gute
geschmäht und das nichtgesehene Gute ignorirt wird.
Von den ausgestellten Bildern dürften wohl zuerst den
Besuchern am besten die Schnitte Hiroshiges und
Hokusais gefallen. Hiroshiges Landschaften sind sicher
die Arbeiten eines grossen Künstlers, und von unseren
heut lebenden Künstlern ist vielleicht keiner zu nennen,
der so naiv empfindet und mit so wenig Mitteln so
eindrücklich auf Papier zu wirken weiss. Im Gegen-
satz zu W. v. Seidlitz könnte man trauern, dass die
erwachende japanische „neue Kunst" durch die Europa-
sucht von oben her unterbrochen ist. Japaner bleibt
Hiroshige noch immer! Hier waren sicher Keime,
die von dem Europasturm, der über Japan ging, ge-
knicktwurden. Einige Sachen, zum Beispiel das Schloss
in dem Nachtnebel, sehen aus, als wären sie in Düssel-
dorf gemacht, wo man doch erst zwanzig Jahre später an-
fing, ähnliches zu machen. Auch Hokusai, und der in
noch höherem Grade, ist entschieden eine Erweiterung
der japanischen Kunst. Fennolosa meint, was uns an ihm

gefiele, wäre gerade das Europäische in ihm, und das
Japanische schätzten wir nicht. Im Durchschnitt wird
er recht haben, was das schätzen betrifft, aber nimmt
man den Hokusai alles in allem, so bleibt er ein » Kerl«.
Ihm öffneten sich weitere Horizonte, als seinen Vor-
gängern und er hatte den Mut, sein Können nach seinem
Horizont, und nicht seinen Horizont nach seinem
Können einzurichten.

Diese beiden Künstler aber stehen allein in
dieser Sammlung rein ostasiatischer Kunst, weil eine
kleine Hinneigung zu Europa bei ihnen nicht ab-
zuleugnen ist. Die grossen Künstler, die vorher-
gingen, sind wichtiger für das Verständnis japanischer
Volksseele. Von Moronobu, der noch mit der Hand
kolorirte und eigentlich der Vater der ganzen Rich-
tung wurde, weil er neue Stoffe und einen neuen
Stil durchsetzte, ist nichts vorhanden. Von seinem
gleichzeitigen, aber jungen Schüler Masanobu sind
zwei Blätter in der Sammlung, die die volkstümliche
Richtung kennzeichnen, die Moronobu eingeführt hatte.
Früher war alles Dargestellte höfisch-steif oder pfäffisch-
ernst, jetzt beginnt das Leben des Volkes sich zu
regen. Den Farbenschnitt kennt auch er noch nicht,
aber er kolorirt schon mit der Hand, weil er fühlt,
dass zur Darstellung nicht traditioneller Gegenstände
dem Auge ein Reiz mehr gegeben werden müsse. Da
ist ein „Huckepack" und eine „Toilette", die beide in
kurzen Momenten das Leben der Kurtisanen schildern,
welche im altjapanischen Leben ungefähr die Rolle spiel-
ten, wie im alten Griechenland. Die meisten Bilder in
dieser Ausstellung handeln von ihnen, und meist erzählen
sie so reizend harmlose Dinge, dass man dieser japa-
nischen Nüance von demi monde kaum böse werden
kann. Diese Damen tragen die grosse Schärpe um
den Leib vornherum geknotet, um es gleich zu sagen,
 
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