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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 9.1898

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Weisbach, Werner: Winterausstellung der New Gallery in London
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https://doi.org/10.11588/diglit.5777#0114

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Winterausstellung der New Gallery in London.

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gestellt, dem sogenannten Meister des Merode'schen
Altares zugeschrieben werden. (Vgl. v. Tschudi a. a. O.)
Wir bemerken dieselbe flimmernde Atmosphäre, die
für alle Bilder der gleichen Richtung so charakte-
ristisch ist. Die Gesichter der bei der Kreuzabnahme
anwesenden Personen sind teilweise von ergreifendem
Ausdruck, ganz besonders das thränengefüllte Antlitz
des Johannes und das des Alten, der, unter dem Kreuze
stehend, den Leichnam in Empfang nimmt. Aller-
dings steht das Frankfurter Bild, was die Gefühlstiefe
der Figuren betrifft, höher als das Triptychon in Liver-
pool, aber das erklärt sich wohl leicht aus den ver-
schiedenen Grössenverhältnissen. Augenscheinlich ver-
wandte der Künstler auf das kleine offenbar als
Hausaltärchen bestimmte Werk nicht so viel Liebe und
Sorgfalt wie auf das in grösseren Dimensionen ausge-
führte Wandbild. Am meisten ähnelt es dem kleinen
Tod der Maria in der Londoner National Gallery
(Nr. 658) von gleicher Hand, dem es an Umfang
näher steht. — Eine Zeichnung des Meisters, wenn
ich mich recht entsinne, befindet sich im Fitzwilliam-
Museum zu Cambridge. Sie stellt Veronika mit dem
Schweisstuch dar in derselben Stellung wie auf dem
Altarflügel aus der Abtei Flemalle imStädel'schen Institut.

Unter den altdeutschen Werken ist nur das Hol-
bein'sches Porträt eines bartlosen Mannes aus Sir
Francis Cook's Sammlung von grösserem Interesse
(Nr. 111). Er trägt ein schwarzes Kostüm und ein
schwarzes Barett auf dem dunklen Haar und hält ein
kleines Buch in der linken Hand. Der Griff seines
Schwertes, das vor ihm steht, ist sichtbar. Die Mo-
dellirung des Gesichtes ist ausserordentlich fein. Das
Licht kommt von links und beleuchtet die grössere
rechte Hälfte des Gesichtes, zu der die dunkelen, fast
schwärzlichen Schattenpartien einen vornehmen und
reizvollen Kontrast bilden. Als Hintergrund ist eine
gelbe Marmorplatte verwandt, die zu der höchst
originellen koloristischen Gesamtwirkung das Ihrige
beiträgt. — Der gleichen Sammlung entstammt eine
Grisaille, die Kreuztragung (Nr. 112), mit einer Unter-
schrift und Albrecht Dürer's Monogramm, das jedoch
auf Echtheit keinen Anspruch machen kann, wenn
auch vielleicht die Komposition auf eine Zeichnung
Dürer's zurückgehen mag. Andere ähnliche Exemplare
finden sich in der Dresdener Gemäldegalerie und in
der Galerie Lochis in Bergamo. In der Dürer-
Litteratur ist die Cook'sehe Grisaille, so viel ich über-
sehen kann, nur bei Lionel Cust, Albert Dürer's
Paintings and Drawings. The Portfolio. London
1897, S. 94 erwähnt. ■— Ein weibliches Bildnis in
prächtigem Kostüm, die Sibilla Persica vorstellend, als
Early German School bezeichnet (Nr. 105 Constantine
Jonides), ist ein sehr schwaches Bild wohl nieder-
rheinischen Ursprungs aus der Mitte des 16. Jahr-
hunderts.

Unter den italienischen Bildern hat die reich-
haltige Sammlung des Herrn Ludwig Mond der
Ausstellung mehrere zur Verfügung gestellt. Merk-
würdig ist ein nach links gewandter weiblicher Profil-
kopf, Nr. 92, wie die meisten dieser Gattung dem
Piero della Francesca zugeschrieben, doch völlig mit
Unrecht. Das Mädchen trägt ein hellgrünes, hoch ge-
gürtetes Gewand, dessen obere Partie von einem dünnen
Tüllschleier bedeckt ist. Auf dem blonden Haar sitzt
eine schmale Kappe, an die sich ein kleiner Ohren-
schleier anschliesst, der durch ein Kinnband festge-
halten wird. Die Konturen sind schwarz umrändert,
der Fleischton gelb mit schwarzen Schatten, der Hinter-
grund hellgelb. Das Bild ist von Berenson in seinem
vor kurzem erschienenen Buche „The Central Italian
Painters of the Renaissance« dem Matteo di Giovanni
zuerteilt. Auch ich glaube, dass es ein sienesisches
Kunstprodukt ist. Dafür spricht das sonderbare Kolorit,
die dunkele Konturirung und der helle Grund. Dass
es aber gerade dem bestimmten Meister angehört,
scheint mir nicht ganz überzeugend. — Ein zweites
Werk der Mond'schen Sammlung ist das nach links
gewandte männliche Profilporträt in schwarzem Ge-
wände und mit schwarzer Kopfbedeckung auf blauem
Grunde von Boltraffio (Nr. 135), ein fein abgestimmtes,
ungemein vornehm wirkendes Bild. Flüchtig und
skizzenhaft behandelt, aber eigenhändig ist eine Pre-
della von Signorelli Nr. 144 mit der Geschichte von
der Ehebrecherin in der Mitte und Heiligenlegenden
zu beiden Seiten. — Aus Liverpool wurde die be-
kannte, wenig bedeutende kleine Findung Christi im
Tempel von Simone Martini mit der Namensbe-
zeichnung des Künstlers und der Datirung 1342 (Nr. 79),
sowie die kleine Pietä des Ercole Roberti gesandt
(Nr. 138), zu der die Originalzeichnung sich in
der Malcolm-Collection des British Museum befindet.
Sie war bereits in der ferraresischen Ausstellung des
Burlington - Club und hat in dessen Publikation
eine vorzügliche Reproduktion erfahren. Von ge-
ringer künstlerischer Bedeutung sind zwei Cassone-
platten des Herrn Buttler, den Triumph der Eitelkeit
(Nr. 85) und Kampfscenen (Nr. 141) darstellend. Ein
der Sammlung des Herrn Benson angehörendes Bild
Nr. 146) zeigt einen sehr sonderbaren Vorwurf:
Auf einem marmornen Postament knieen Christus
und Maria, um die Familie des Stifters, um den
Maria ihren Arm schlingt, dem am Himmel in einem
Kreisrund erscheinenden Gottvater zu empfehlen.
Zu Füssen des Postamentes kniet ein Mönch, von
dem ein langes verschlungenes Schriftband ausgeht.
Die künstlerische Wiedergabe ist sehr schwach und
geht vielleicht auf einen ziemlich handwerksmässigen
Meister zurück, der sich in Piero di Cosimo's Werk-
stätte ausgebildet hat. — Die spätere italienische Schule
ist durch ein dem Paolo Veronese zugeschriebenes
 
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