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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 9.1898

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Rosenberg, Adolf: Die Denkmäler in der Sieges-Allee in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.5777#0169

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.

HERAUSGEBER:

ULRICH THIEME und RICHARD GRAUL

Verlag von SEEMANN 8t Co. in LEIPZIG, Gartenstrasse 17.

Neue Folge. IX. Jahrgang. 1897/98. Nr. 20. 31. März.

Redaktionelle Zuschriften nimmt ausser Herrn Dr. U. Thieme, Leipzig, Erdmannstr. 17 auch Herr Dr. A. Rosenberg,
Berlin SW., Yorkstrasse 78 entgegen.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur Zeitschrift für bildende Kunst" und zum „Kunstgewerbeblatt" monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der Zeitschrift für bildende
Kunst" erhalten die Kunstchronik gratis. - Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handlung keine Gewähr. Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditonen von H aasen-
stein & Vogler, Rud. Messe u. s. w. an.

DIE DENKMÄLER IN DER SIEGES-ALLEE
IN BERLIN.

Am 22. März sind die drei ersten in der Reihe
der 32 Denkmäler brandenburgisch - preussischer
Fürsten „von der Begründung der Mark Brandenburg
bis zur Wiederaufrichtung des Reichs«, die Kaiser
Wilhelm II. durch Erlass vom 27. Januar 1895 gestiftet,
in Gegenwart des Kaiserpaares feierlich enthüllt worden.
Als der Erlass vor drei Jahren veröffentlicht wurde,
wurden allerlei Bedenken laut. Man befürchtete nach
dem aufgestellten Plane vor allen Dingen eine Mono-
tonie, die nicht weit von Langweiligkeit sein würde,
man zog militärische Vergleiche von Compagniefronten
und dergl. heran, und nicht wenig befürchtete man
auch von der Hast, mit der künstlerische Dinge seit
zehn Jahren in Berlin betrieben werden. Alle diese
Besorgnisse und Befürchtungen sind durch die drei
ersten Denkmäler widerlegt worden, die zugleich den
Künstlern die grösste Schwierigkeit geboten hatten,
weil sie sich fast ganz und gar auf ihre Phantasie
verlassen mussten und darum vom Beschauer ein be-
reitwilliges Eingehen auf ihre Absichten verlangen.
Auf der anderen Seite haben sie freilich dadurch den
Vorteil, dass sie die ganze Wirkung durch ihre Kunst
allein hervorgerufen haben, da der Beschauer trotz aller
Vorbereitungen durch einen Geschichtskursus des
„Reichsanzeigers« der Bedeutung ihrer Figuren so gut
wie gar kein Verständnis entgegenbringt. Wenn man
etwa von dem eigentlich mehr durch den Roman von
W. Alexis als durch seine Thaten berühmt gewordenen
echten oder falschen Waldemar und dem Markgrafen
Albrecht dem Bären absieht, der wenigstens noch durch
seinen Beinamen mit dem Berliner Stadtwappen in ge-
wisser Beziehung steht, so hat unsere heutige Generation

für die askanischen Markgrafen nur noch ein mässiges
Interesse übrig, und die karge geschichtliche Über-
lieferung scheint diesen Mangel an Interesse zu recht-
fertigen. Ihre spärlichen Züge von Charakteristik
waren die einzigen Urkunden, auf die sich die drei Bild-
hauer stützen konnten, und aus ihnen haben sie Tem-
peramente entwickelt, die so ausdrucksvoll für sich
sprechen, dass der Beschauer beim Anblick dieser
Gestalten ihre historische Bedeutung und ihre persön-
lichen Lebensschicksale über dem rein Menschlichen
vergisst und darum jeder Vorkenntnisse entraten
kann. Markgraf Otto I., den Max Ungar geschaffen
hat, ist ein Sanguiniker. Immer kampfbereit, aber auch
immer hoffnungsvoll stützt er die Rechte auf die Pa-
rirstange des Schwertes und blickt entschlossen in
die Ferne. Markgraf Otto II. ist ein Melancholiker von
Geblüt. Er war ein schwankender Charakter, den selbst
Hofhistoriographen nicht von dem Vorwurf der Zwei-
deutigkeit freisprechen können. Josef Uphues hat ihn
mit geneigtem Haupt, das die emporgehobene Rechte
unter dem Kinn stützt, dargestellt, in sorgenvollem Nach-
denken. Ei Grübler« hat ihn der Kaiser bei der
Enthüllung genannt, und diese Bezeichnung giebt wohl
den Schlüssel zu dieser rätselhaften Gestalt, die für
sich selbst keine Bedeutung beanspruchen würde, wenn
sie nicht gerade in den historischen Zusammenhang
gehörte. Auch der dritte der in Marmor verkörperten
Askanier, Markgraf Albrecht IL, war in der Politik eine
etwas schwankende Gestalt, aber im Dreinschlagen ein
gewaltiger Herr. Darum hat ihn auch Johannes Böse
in seiner kriegerischen Eigenschaft aufgefasst, als Chole-
riker, der, mit der Rechten den Griff des entblössten
Schwertes umklammernd, nur auf den Augenblick
wartet, wo er wieder zum Hiebe gegen die Feinde, die
diesmal von Norden drohten, ausholen kann.
 
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