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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 9.1898

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Weisbach, Werner: Die Ausstellung der Libre Esthétique in Brüssel
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https://doi.org/10.11588/diglit.5777#0177

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.

HERAUSGEBER:

ULRICH THIEME und RICHARD GRAUL

Verlag von SEEMANN & Co. in LEIPZIG, Gartenstrasse 17.

Neue Folge. IX. Jahrgang. 1897/98. Nr. 21. 14. April.

Redaktionelle Zuschriften nimmt ausser Herrn Dr. U. Thieme, Leipzig, Erdmannstr. 17 auch Herr Dr. A. Rosenberg,
Berlin SW., Yorkstrasse 78 entgegen.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur „Zeitschrift für bildende Kunst" und zum „Kunstgewerbeblatt" monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der „Zeitschrift für bildende
Kunst" erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handlung keine Gewähr. Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditonen von Haasen-
stein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

DIE AUSSTELLUNG DER LIBRE ESTHETIQUE
IN BRÜSSEL.

Zum fünften Male hatte die Libre Esthetique in
Brüssel in den Monaten Februar und März dieses
Jahres eine Ausstellung veranstaltet. Sie umfasste
Malerei, Skulptur, sowie eine ganze Reihe von Zweigen
des Kunstgewerbes. Dadurch, dass an die Aussteller
Einladungen ergehen, für die lediglich Rücksichten
des Geschmacks in Frage kommen, ist man im stände,
den Charakter einer solchen Ausstellung von vorn-
herein vorauszubestimmen, ihr ein einheitliches Ge-
präge zu verleihen. Falls man nicht überhaupt, wie
leider noch viele heutigen Tages, allen modernen
künstlerischen Bestrebungen grundsätzlich feindlich
gegenübersteht, die, wenn sie auch zum Teil noch
nicht völlig zur Reife gelangt sind, doch vielfach einen
Ernst des Wollens und eine grosse Gewandtheit des
Könnens verraten, musste das in Brüssel Gebotene
auf jeden einen wohlthuenden Eindruck machen.
Schon die Verteilung und Aufstellung der Gegenstände
in den drei zur Verfügung gestellten Räumen des
neuen Museums war höchst geschmackvoll und ge-
lungen. Ein langer, schmaler Saal war lediglich für
die Aufnahme der Gemälde bestimmt. Nur in der
Mitte standen einige wenige Vitrinen mit kunstgewerb-
lichen Erzeugnissen, meist Metallarbeiten von so dis-
kreter Wirkung, dass den Bildern dadurch keine Be-
einträchtigung widerfuhr. Ein kleiner Raum enthielt
an den Wänden die Schwarz-Weiss-Ausstellung, im
übrigen keramische Gegenstände, die beiden übrigen
Säle waren ausschliesslich der Skulptur und dem
Kunstgewerbe gewidmet.

Dem hinteren Teil des Gemäldesaales wurde
durch eine Kollektivausstellung des belgischen Malers

Theo van Rysselberghe ein besonderes Gepräge ver-
liehen. Schon dem Eintretenden leuchtete im Hinter-
grunde an der Schmalwand ein grosses Bild, l'heure
embrasee, entgegen. Badende Mädchen, von denen
die einen mit munteren Scherzen sich im Meere
tummeln, andere eben dem Wasser entsteigen, wieder
andere am Strande mit ihrer Toilette beschäftigt sind,
werden von den feurigen Strahlen der verglühenden
Sonne getroffen. Die ganze Scenerie ist in ein rotes
Lichtmeer getaucht. Vortrefflich ist die Gruppirung,
die Zeichnung der weiblichen Körper von höchster
Linienschönheit. Selbst der strengste I Akademiker
dürfte an diesen Akten sein Vergnügen haben. Einen
wirkungsvollen Hintergrund bildet die einfache und
in grossen Zügen zur Darstellung gebrachte Küsten-
landschaft. Diese „rote Stunde" ist ein Bild, das sich
mit unmittelbarer Kraft in die Seele des Beschauers
eingräbt; es ist frei von aller Süsslichkeit und Senti-
mentalität, wozu der Vorwurf leicht verführen konnte.
Wie sorgsam das Gemälde vorbereitet wurde, zeigen
die daneben ausgestellten meisterhaft durchgebildeten
Aktstudien für die Figuren. Auch auf dem Gebiete
des Porträtfaches erweist sich der Künstler gross in
dem frischen Erfassen der Persönlichkeit, wobei er
ebenfalls durch originelle koloristische Wirkungen zu
fesseln weiss. Seinen weiblichen wie männlichen
Bildnissen wohnt ein ganz eigenes pulsirendes Leben
inne. Ferner steht dem wirklichen Leben der Fran-
zose Maurice Denis, dessen Hauptbild drei bekleidete
weibliche Gestalten in einer hellen Frühlingslandschaft
darstellt. Ist auch nicht zu leugnen, dass er durch
eigenartige Kombinationen von Farbentönen in durch-
aus selbständiger Weise zu interessiren versteht, so
zeigt sich doch seine ganze Behandlungsweise noch
nicht genügend ausgeglichen, und über gewisse Mängel
 
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