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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 9.1898

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Schölermann, Wilhelm: Die erste Ausstellung der "Vereinigung bildender Künstler Österreichs", [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5777#0185

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.

HERAUSGEBER:

ULRICH THIEME und RICHARD GRAUL

Verlag von SEEMANN & Co. in LEIPZIG, Gartenstrasse 17.

Neue Folge. IX. Jahrgang. 1897/98. Nr. 22. 21. April.

Redaktionelle Zuschriften nimmt ausser Herrn Dr. U. Thieme, Leipzig, Erdmannstr. 17 auch Herr Dr. A. Rosenberg,
Berlin SW., Yorkstrasse 78 entgegen.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur „Zeitschrift für bildende Kunst" und zum ,(Kunstgewerbeblatt" monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der „Zeitschrift für bildende
Kunst" erhalten die Kunstchronik gratis. - Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handlung keine Gewähr. Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditonen von Haasen-
stein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

DIE ERSTE AUSSTELLUNG DER „VEREINIGUNG
BILDENDER KÜNSTLER ÖSTERREICHS".

Gross war die Spannung bei den Anhängern und
bei den Gegnern auf diese Ausstellung in den Räu-
men der Gartenballgesellschaft: die erste Feuerprobe
der „Wiener Secession". Würden „die Jungen" wirk-
lich im stände sein, die Elite der internationalen Kunst,
die führenden Geister der Jugend, denen die Gegen-
wart und die Zukunft gehört, im alten gemütlichen
Wien zu versammeln? Es war keine kleine Aufgabe,
die sie sich gestellt hatten. Und würden sie neben
den Besten des Auslandes selber bestehen können?
Auf diese Fragen giebt die Ausstellung selber Antwort,
die über alles Erwarten gut ausgefallen ist. Sie war
eine Überraschung, die selbst die Gegner zur Aner-
kennung zu zwingen vermocht hat und diese Bewegung
— spät, wie sie hier eingetreten ist — reisst jetzt
auch schon das Publikum mit sich fort. Denn was
an anderen Orten lange vorbereitet und erstritten
wurde, das kommt jetzt den Wienern zu gute. Sie
kommen zur rechten Zeit und finden ein, wenigstens
zum Teil, vorbereitetes und daher empfänglicheres
und wohlwollenderes Publikum; freilich kann auch
immer hierunter nur eine Minorität verstanden sein;
aber sie nimmt doch täglich zu, diese Minorität. Dass
sie dereinst zur Majorität auswachsen möge, wird
höchstwahrscheinlich einer jener frommen Wünsche
bleiben, die dann in Erfüllung gehen, wenn die „Kunst
von Heute" bereits durch die „Kunst von Morgen"
abgelöst sein dürfte. Die Erfahrung und ein Blick
auf die Kunstgeschichte lehrt es. In unserer Zeit ist
das noch mehr als früher der Fall. Grund genug,
um den Anschluss zwischen Künstlern und Publikum
immer energischer anzustreben. Und das war der

Zweck der „Wiener Secession" und ihrer Ausstellung,
deren leitender Gedanke im dritten Hefte des Ver
Sacrum unter den Mitteilungen der Vereinigung in
kurzen Worten niedergelegt ist. Statt sie zu wieder-
holen, möge hier lieber gleich das Resultat in Augen-
schein genommen werden.

Schon das Arrangement, die Adaptirung der gänz-
lich unbrauchbaren Räumlichkeiten der Gartenbau-
gesellschaft erbrachte den Beweis, was mit künstle-
rischem Blick, organisatorischem Talent und verhält-
nismässig einfachen Mitteln aus einem geschmacklosen
Gebäude gemacht werden kann. Das Geheimnis hiess
hier zunächst: verdecken — dann dekorieren. Und
beides ist so gelungen, dass man das Gebäude gar
nicht wieder erkennt und sich in einen neuen Raum
versetzt glaubt. Der viereckige „maurische" Mittel-
raum ist in einen grossen Konversationssaal verwan-
delt, dessen Wände in mattem Dunkelgrün gehalten
sind, mit einem aufstrebenden Ornament hochstenge-
liger Pflanzen, deren prächtige weisse Sternblumen
oben zu einem umlaufenden Fries zusammenwachsen.
Die Decke bildet ein weisses Velum, mit durchlaufen-
dem zartvioletten,weitgeschwungenen Rankenornament.
Rechts und links vom Eingang goldgeriefte Pfeiler
mit Kapitalen aus lebendigen Lorbeerbäumen; dahinter
ein Supraport aus einem Blumenfries von echten Ka-
melien. Der grosse Zug ist beim ersten Blick fühl-
bar in diesem Raum, der, durch reichen lebenden
Blumenschmuck und geschmackvolle, behagliche Möbel-
arrangements in den Ecken, vornehm und anheimelnd
zugleich in die Erscheinung tritt. Durch einen von
Sträuchern halbüberdeckten hochgeschwungenen Rund-
bogen gelangt man in einen halbrunden Raum, eine
Art Apsis, und dem Eintretenden bietet sich die
günstige Gelegenheit, den ehrwürdigen Grossmeister
 
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