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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 9.1898

DOI Artikel:
Rosenberg, Adolf: Die große Berliner Kunstausstellung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5777#0225

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.

HERAUSGEBER:

ULRICH THIEME und RICHARD GRAUL

Verlag von SEEMANN & Co. in LEIPZIG, Gartenstrassc 17.

Neue Folge. IX. Jahrgang. 1897/98. Nr. 27. 2. Juni.

Redaktionelle Zuschriften nimmt ausser Herrn Dr. U. Thieme, Leipzig, Erdmannstr. 17 auch Herr Dr. A. ^Osenberg,
Berlin SW., Yorkstrasse 78 entgegen.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur „Zeitschrift für bildende Kunst" und zum „Kunstgewerbeblatt" monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der „Zeitschrift für bildende
Kunst" erhalten die Kunstchronik gratis. - Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handhing keine Gewähr. Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditonen von Haasen-
stein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

DIE GROSSE BERLINER KUNSTAUSSTELLUNG.

i.

Obwohl der kurze Zeitraum eines Jahres, der
zwischen einer grossen Ausstellung und der ihr
folgenden liegt, nicht dazu berechtigt, ist es doch be-
greiflich und natürlich, dass sich der Berichterstatter
immer zuerst nach neuen Keimen, nach neuen Hoff-
nungen und Verheissungen umsieht. Wenn sie in
diesem Jahre nicht in der Malerei, sondern in der
Plastik zu erkennen sind, so erklärt sich das daraus,
dass die Malerei im Laufe des Jahres fast ausschliess-
lich die Ausstellungen der Kunsthändler beherrscht,
da deren Räumlichkeiten die Aufnahme umfangreicher
Bildwerke nicht zulassen. Viel mehr als der Maler
ist der Bildhauer, der in grossem Massstabe schafft,
auf die Jahresausstellungen angewiesen, und die Bild-
hauerkunst bietet erfahrungsgemäss stofflich immer
grössere Überraschungen als die Malerei und die ihr
verwandten Zweige. Das kann sogar dazu führen,
dass man in diesem Jahre den Eindruck empfängt,
als sei die Malerei plötzlich stehen geblieben. In
Wirklichkeit ist sie nur erheblich schneller vorwärts
geschritten, als die schon ihrem Darstellungsstoffe nach
schwerfälligere Plastik. Sie hat darum auch schneller
gewisse Ziele erreicht, über die sie bis auf weiteres
nicht hinauskann. Ihre Darstellungsmittel hat sie bis
an die äussersten Grenzen entwickelt, aber für den
alten Inhalt, den die moderne Malerei über Bord ge-
worfen, hat sie noch keinen Ersatz gefunden.

Anders die Plastik. Die monumentale und de-
korative Plastik, deren Vertreter nicht verhungern
wollen, sind immer an die Vorschriften ihrer Auftrag-
geber gebunden. Sie müssen oft pedantisch und
korrekt sein, wenn sie die Mittel erwerben wollen, um

daneben auch ihrer Schaffenslust frei nachgeben zu
können. Ein Beispiel dafür ist Emst Seger in Wilmers-
dorf bei Berlin. In einem Moltke-Denkmal für diesen
reich aufblühenden Vorort von Berlin erscheint er als
Vertreter der langweiligen Mittelmässigkeit. Eine nackte
Mädchenfigur, die er „Die Jugend" — wohl ohne
moderne Nebenabsicht — genannt hat, zeigt er sich
als feinen Kenner und Bildner des menschlichen
Körpers, und in einer Vase, die von oben bis unten
mit flachen Reliefdarstellungen aus Hauptmanns „Ver-
sunkener Glocke" und zu oberst noch mit einer
plastischen Figur des „Waldschratt" geschmückt ist,
ist er modern durch und durch, nicht bloss wegen
der Wahl des Stoffes, sondern auch in der Dekoration
des Gefässes mit phantastischen Pflanzen, die die be-
kannte Mitte zwischen Stilisierung und Naturalismus,
den „schwankenden Lilienstengelstil", wie man der
Kürze halber wohl sagen möchte, innehalten. Erfreu-
lich ist dabei jedenfalls, dass der Künstler sich wenigstens
stofflich durch einen stammverwandten Geist hat an-
regen lassen. Schlimmer ist es, wenn nicht bloss die
formale, sondern auch die geistige Richtung vom Aus-
lande bestimmt wird. Ein Meunier, ein Lagae, ein
Rodin sind starke Individualitäten, die man gelten
lassen muss, besonders wenn sie sich mit rüstigen
Ellenbogen durchsetzen. Aber Nachahmer, die plötz-
lich mit ihrem eigenen Stil brechen, um in fremder
Art zu arbeiten, weil diese gerade Mode ist, lehnen
wir ab. Zu dieser Bemerkung hat uns besonders
Gustav Eberlein veranlasst, der ausser einer vortreff-
lichen Halbfigur Goethe's, der Schiller's Schädel be-
trachtet, und einer Büste des Herzogs von Meiningen
eine Anzahl von Gips- und Bronzegruppen ausgestellt
hat, die sichtlich unter dem Banne von Meunier und
Lagae geschaffen worden sind. An des letzteren
 
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