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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 9.1898

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Rosenberg, Adolf: Die große Berliner Kunstausstellung, [1]
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Gensel, Walther: Die Pariser Salons
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https://doi.org/10.11588/diglit.5777#0227

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Die Pariser Salons.

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die in F.lfenbein und vergoldetem Silber ausgeführte
„geheimnisvolle Sphinx", von der man in Dresden
nur eine Gipsnachbildung sah, das Goldelfenbeinbild „In
hoesigno vinces" und zwei Tafelaufsätze („Die Legenden
und Zünfte der Stadt Brüssel" und »Die vier Jahres-
zeiten«), die an Kühnheit des Aufbaues und an stür-
mischer Lebhaftigkeit der Bewegung wohl so ziemlich
alles übertreffen, was man bisher an solchen Schmuck-
stücken, die doch immerhin etwas Monumentales oder
doch wenigstens Standfestes haben sollten, gesehen hat.

ADOLF ROSENBERG.

DIE PARISER SALONS.

Die Einrichtung der riesigen Maschinenhalle des
Marsfeldes für die Salons ist im allgemeinen über-
raschend geglückt. Die zwei ersten Drittel der Halle
werden von der Societe des Artistes francais, das
letzte Drittel von der Societe nationale des Beaux-
Arts eingenommen; zwischen ihnen befindet sich
rechts das Restaurant, links die kunstgewerbliche
Abteilung der ersteren Vereinigung. Auf den ersten
Blick scheint die Einrichtung völlig einheitlich zu
sein. Bei beiden Ausstellungen ist der mittlere Raum
in einen Skulpturengarten verwandelt worden, zu
dessen Seiten sich in vornehm einfacher Architektonik
die Gemäldegalerien hinziehen. Aber der Garten der
Societe nationale ist durch reichlichere Anbringung von
Rasenplätzen, Sträuchern und Ruhebänken anmutiger
und einladender gestaltet worden als der andere, und
während die Artistes francais die Aussenwände der
Galerien mit kostbaren aber etwas aufdringlich wir-
kenden Gobelins geschmückt haben, hat man sich
hier mit ganz einfachen, in matten gelblich-grünen
Tönen gehaltenen bedruckten Stoffen begnügt, die für
die Statuen einen neutraleren und darum angenehmeren
Hintergrund bilden. Und noch fühlbarer ist der
Unterschied im Inneren der Säle. Bei den Artistes
francais herrscht noch immer die uralte, wohl sonst
überall jetzt aufgegebene Mode, die Wände mit
scharlachroten Stoffen zu bekleiden, die den modernen
hellgetönten Bildern völlig unzuträglich sind, und die
Bilder scheinbar wahllos und lieblos fast ohne
Zwischenräume über- und untereinander zu hängen.
Bei der Societe nationale ist dagegen alles geräumiger
und luftiger; man atmet auf, wenn man aus den
anderen Sälen heraus in die ihr gehörenden kommt.
Ganz selten hängen mehr als zwei Bilder, und dann
nur ganz kleine, übereinander. Ferner haben die Socie-
taire der Vereinigung fünf Meter lange Wandflächen
zur Verfügung und können ihre Gemälde zu ge-
schmackvollen Gruppen vereinigen. Diese Vorzüge
haben sich noch nie so fühlbar gemacht wie diesmal
bei der unmittelbaren Nachbarschaft des anderen
Salons. Endlich ist — und das ist eine Neuerung,

deren Verdienst Dubufe für sich in Anspruch nehmen
darf — auf die Wahl des Hintergrundes ganz be-
sondere Sorgfalt verwendet worden. Nur ganz dis-
krete Farben —■ meergrün, graublau, ziegelrot, matt-
braun — wechseln miteinander ab, und in jedem Saale
hat man die Gemälde aufgehängt, die mit dem je-
weiligen Hintergrunde am besten harmonieren.

Was zunächst auffällt, ist die unendliche Fülle der
grossen „Maschinen", die zudem fast alle von höchst
zweifelhaftem Werte sind. Nur die Dekorationen von
Cormon für das Museum für Naturkunde und von
Collin für einen Saal der neuen komischen Oper und
vielleicht die Gemälde von Anquetin und Aubarün
möchte ich ausnehmen. Sodann überrascht uns die fast
völlige Abwesenheit der grossen Namen des Auslan-
des. Whistler und Burne Jones, Liebermann und
Uhde fehlten schon letztes Jahr, diesmal suchen wir
auch Zorn, Boldini, Gandara, Guthrie vergebens, die
im vorigen Marsfeldsalon gerade die Hauptaufmerk-
samkeit auf sich zogen. Von den bekannteren deutschen
Künstlern sind nur K[uehl, Dcttmann, Fritz Burger
(mit dem schönen Doppelporträt „Meine beiden
Brüder"), Gudden und Liesegang vertreten, von den
jüngeren Deutschen haben Linde-Walther („Die
Wäscherinnen"), Sohn-Rethel und Engelmann (be-
sonders eine sehr schöne Bronzestatuette des ver-
lorenen Sohnes) bemerkenswerte Sachen geschickt.
Einigermassen stark vertreten sind von den fremden
Nationen nur die Belgier, Holländer und Schweizer
und natürlich die grosse in Paris völlig akklimatisierte
amerikanische Malerkolonie. Übrigens fehlen auch
einige berühmte Franzosen wie die Maler Gervex,
Roll, Tissot und der Bildhauer Desbois.

Trotzdem stehen die diesjährigen Salons weder
an Zahl der ausgestellten Werke (7593 gegen 6714
im Vorjahre, 6159 im Jahre 1896) noch an Bedeutung
hinter denen der letzten Jahre zurück. Die Befürchtung,
dass so kurz vor der Weltausstellung eine gewisse
»Schonzeit" eintreten würde, hat sich nicht erfüllt.
Das am heftigsten umstrittene Werk ist die Balzac-
statue Rodin's. Einige Kritiker möchten in über-
schwänglicher Begeisterung von ihr eine neue Ära der
Skulptur datieren, den anderen und fast allen Laien
dient sie als Zielscheibe billiger Witze. Es scheint,
dass hier ein gigantischer Missgriff des grossen
Künstlers vorliegt. Als öffentliches Standbild ist der
Balzac, dem sonst eine gewisse unheimliche Grösse
nicht abzustreiten ist, jedenfalls unmöglich. Reinsten,
erhebendsten Genuss gewährt dagegen das neue Werk
von Puvis de Chavannes, die „heilige Genovefa, die
über der Stadt Paris wacht". Es ist die reifste, höchste
Schöpfung seines Alters; nie vielleicht noch hat die
moderne Kunst eine derartige Grösse des Stiles
erreicht.

Vom Institute sind Henner („Der Levit Ephraim
 
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