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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 9.1898

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Rosenberg, Adolf: Die Renaissance-Ausstellung in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.5777#0242

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Die Renaissance-Ausstellung in Berlin.

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genusse dienen. Dieser Sammeleifer offenbart sich
auch nicht in der Jagd auf berühmte Künstlernamen.
Das merkt man besonders in der 133 Nummern um-
fassenden Abteilung der Gemälde, wo man auf eine
nicht geringe Zahl namenloser Meister trifft, deren
Art und Richtung nur erst annähernd bestimmt wer-
den kann, die aber gerade durch das Geheimnis, das
sie zur Zeit noch umgiebt, den Kunstforscher beson-
ders reizen und gewiss auch den Anstoss zu frucht-
baren Erörterungen bieten werden. Aber auch die
mit grossen Namen geschmückten Bilder sind nicht
alle über jeder Kontroverse erhaben. Die thronende
Madonna mit dem Kinde von Moretto (Bes. Frau
Wesendonck) spricht allerdings so deutlich für sich
selbst, dass jeder Zweifel abzuweisen ist. Bei dem
kreuztragenden Christus von Giovanni Bellini (Bes.
Graf Pourtales) spricht aber schon der Katalog einen
Zweifel durch ein Fragezeichen aus. Es ist dieselbe
Komposition, die sich im Palazzo Loschi in Vicenza
befindet und von Morelli als ein Jugendwerk Gior-
gione's in Anspruch genommen worden ist. Ein
drittes Exemplar befindet sich in der städtischen
Galerie zu Rovigo, ein viertes, wie der Katalog an-
giebt, beim Grafen Lanckaronski in Wien. Wenn es
gestattet ist, eine in neuerer Zeit in der Archäologie
mit grossem Erfolg erprobte Methode hier anzuwen-
den, so lässt sich aus dieser „Replikenfolge" ein
Schluss auf ein berühmtes Original ziehen, und danach
möchte man sich doch für ein Original von Giorgione
entscheiden, dessen Bilder schon im 16. Jahrhundert
äusserst selten geworden waren, jedenfalls ungleich
seltener, als die des produktiven Bellini. Vollends
fraglich sind die Bilder, die die Namen Tizian, Palma
Vecchio und Tintoretto tragen. Auch Bode hat sich
noch zu keiner Bestimmung entschlossen, sondern
er begnügt sich in einem Bericht über die Aus-
stellung einfach zu konstatieren, dass sie jenen Meistern
zugeschrieben werden. Wenn man bei dem hohen Auf-
stellungsort der Bilder eine Vermutung wagen darf,
so scheint mir die Verlobung der hl. Katharina (Bes.
Frau J. Reimer) dem Bordone näher zu stehen als
Tizian. Dagegen ist sowohl die Halbfigur Christi als
das weibliche Bildnis (Bes. A. vom Rath) für Palma
den Älteren zu schwach, es müsste denn sein, dass
letzteres durch Putzen seines Schmelzes beraubt wor-
den ist. Von den drei dem Tintoretto zugeschriebe-
nen Bildern sind die Auffindung Mosis und das Bild-
nis eines Mannes mit seinem Sohne dem Meister
fremd. In einem dem Antonis Mor zugeschriebenen
Bildnis eines Mannes im gelben Wams glaubt Bode
mit Wahrscheinlichkeit die Hand des Frans Floris zu
erkennen.

Die drei alten berühmten Privatsammlungen
Berlins, Graf Pourtales, Hainauer u. A. v. Beckerath,
die schon auf der ersten derartigen Ausstellung in

Berlin, der aus Anlass der silbernen Hochzeit des
Kronprinzenpaares 1883 veranstalteten, ganz hervor-
ragend vertreten waren, sind auch an der jetzigen sehr
stark beteiligt. Man sieht hier einige Prachtstücke aus
jener Ausstellung wieder, so z. B. die köstliche Mar-
morbüste des hl. Johannes von A. Rossellino (Samm-
lung Hainauer), die inzwischen als das Bildnis eines
Knaben aus der Familie Alessandri erkannt worden
ist, und die beiden herrlichen Bronzen Neptun und
Meleager (Graf Pourtales), die dem Jacopo Sansovino
zugeschrieben werden und sicherlich auch wenigstens
seiner Werkstatt angehören. Diese Sammlungen haben
inzwischen aber auch manche Bereicherungen erfahren,
insbesondere die schöne Sammlung von Handzeich-
nungen italienischer Meister des Herrn von Beckerath,
der den Reiz dieser kostbaren Blätter noch dadurch
erhöht hat, dass er sie in meist gleichzeitige Rähm-
chen gefügt hat. Ein Unikum unter den Handzeich-
nungen im Berliner Privatbesitz ist wohl ein Blatt mit
zwei männlichen Bildnisköpfen aus Dürer's nieder-
ländischem Skizzenbuche von 1520 (Besitzer V. Weis-
bach). Zu jenen drei grossen Sammlungen ist aber
im Laufe der letzten 15 Jahre noch eine ganze Reihe
anderer hinzugekommen, deren Besitzer zum Teil Spe-
cialitäten kultivieren, so die von R. v. Kaufmann (meist
niederländische und deutsche Maler des 15. und 16.Jahr-
hunderts), W. v. Dirksen, M. Liebermann (Holz- und
Elfenbeinschnitzereien und Bronzen) von Parpart, Frau
Marie Rosenfeld (Werke der Kleinkunst und keramische
1 Arbeiten), Arthur Schnitzler, James Simon, V. Weis-
bach (Werke der Kleinkunst) und A. Zeiss (plastische
und keramische Arbeiten), wobei wir nur die Samm-
lungen berücksichtigen, deren Bestand dem Plane der
gegenwärtigen Ausstellung entspricht. Auch ist zu
bemerken, dass bei den beschränkten Ausstellungs-
räumen aus jeder Sammlung nur die bedeutendsten
oder lehrreichsten Stücke ausgewählt werden konnten,
dass also auch diese Ausstellung noch lange kein rich-
tiges Bild von dem wirklichen Reichtum der Berliner
Privatsammlungen giebt. Neben den Kunstlieb-
habern, die systematisch sammeln, giebt es noch
solche, die nur gelegentliche oder für besondere
Zwecke bestimmte Erwerbungen machen, wie z. B.
Künstler wie Knaus, Meyerheim, Bracht, C. Becker,
M. Liebermann oder Museumsbeamte wie W. Bode,
der ausser einer Reihe von Medaillen seine schöne
Sammlung von italienischen Apothekergefässen her-
gegeben hat. Den grössten Erfolg unter den Privat-
sammlern hat dieses Mal wohl James Simon mit seinen
köstlichen Kleinbronzen, Medaillen und Plaketten da-
vongetragen. In Deutschland steht diese Sammlung,
in der fast alle berühmten italienischen Medailleure
der Renaissance durch erlesene Stücke vertreten sind,
einzig da, und selbst im Auslande findet sie nur ein
Seitenstück in der bekannten Pariser Sammlung von
 
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