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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 9.1898

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Gensel, Walther: Das Condé-Museum in Chantilly
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5777#0268

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Nekrologe.

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ausgeführten und prachtvoll erhaltenen Fenstern mit
Darstellungen aus der Fabel von Amor und Psyche.
An der gegenüberliegenden Wand hängen Zeichnungen
von Michelangelo (fürs jüngste Gericht), Raphael
(Kinderkampf), van Dyck und Oiulio Romano und
wieder eine Anzahl von Porträten des 16. Jahrhunderts.
Das Gemmenkabinet enthält Goldschmiedesachen,
Emaillen von Leonard Lltnousln und Petitot, Fayencen
(darunter das Parisurteil von Guido Fontana 153g),
eine reichhaltige Sammlung von Chantilly-Porzellan,
Fächern, Medaillen, Gemmen u. s. w.

Von den 61 Gemälden der Tribuna verdiente
eigentlich ein jedes eingehend gewürdigt zu werden.
Ich beschränke mich auf einige Bemerkungen und
verweise auf das Gruyer'sche Werk. Die wunderbar
stolze Simonetta Vespucci von Pollajuolo entspricht
zuerst nicht ganz den Erwartungen, die man nach
der Photographie hegt; das Kolorit ist fast raffiniert.
Auch der jetzt Roger van der Weyden zugeschriebene
„grosse Bastard von Burgund« enttäuscht etwas, und
das Diptychon Memling's wirkt fast zu miniaturenhaft.
Trefflich erhalten und sehr schön und warm im Tone
(besonders der sonnendurchleuchtete Stein) ist der
»Theseus" von Poussin. Mignard's „Moliere« wirkt
nicht sehr durchgeistigt, ist aber ein prachtvolles Stück
Malerei. Von den beiden Bildern Wätteau's ist „Der
entwaffnete Amor" ein ganz reizendes Werk. Von
Prad'hon finden wir ausser einer Nymphe, die doch
etwas zu „corregesk" anmutet, zwei entzückende
kleine Studien. Die „Ermordung des Herzogs von
Guise" ist eines der besten Werke von Delaroche,
dem man seine einstige Überschätzung jetzt oft gar
zu hart entgelten lässt. Delacroix' „Einzug der Kreuz-
fahrer" interessiert als erster Gedanke des grossen
Louvrebildes. Der Talleyrand von Ary Scheffer ist
ein ganz famoses Porträt; nur ist etwas zu viel Schef-
fer'sche Gutmütigkeit in das Gesicht des gewissenlosen
Staatsmannes gekommen. Das herrliche Doppelporträt
von Reynolds „Die beiden Waidegrave" ist so stark
nachgedunkelt, dass es in der Photographie jetzt fast
besser zu geniessen ist als im Originale. Ganz be-
sondere Beachtung verdient die früher Bonington zu-
geschriebene, jetzt endgültig dem Kupferstecher Rey-
nolds zuerkannte „Brücke von Sevres" wegen der wun-
dervoll intimen Landschaftsauffassung, die dieses Werk
des ausserhalb Englands fast unbekannten Künstlers
den besten Schöpfungen seines grossen Zeitgenossen
Constable an die Seite stellt.

Und nun das Santuario! Er ist wirklich ein
Heiligtum, dieser kleine sechseckige, ganz mit blauem
Sammet ausgeschlagene Raum, in dem nur die 40
in zehn Rahmen gefassten Miniaturen von Jean Fou-
qaet, die beiden Raphael und der Filippino Lippi
hängen. So schön die aus dem Gebetbuche des
Etienne Ghevalier stammenden Miniaturen sind, in

die überschwängliche Begeisterung der französischen
Kunsthistoriker einzustimmen wird uns doch etwas
schwer. Die Fouquet-Litteratur ist bereits tüchtig an-
geschwollen, aber das letzte Wort wird über die merk-
würdige Kreuzung nordischer und italienischer Ein-
flüsse in diesem ersten grossen französischen Maler
noch lange nicht gesprochen sein. Man betrachte
allein die architektonischen Motive, die bald an das
italienische Quattrocento erinnern, bald der Sainte
Chapelle in Paris entnommen zu sein scheinen! Aufs
freudigste überrascht wird man von den „Drei Gra-
zien" und der „Madonna aus dem Hause Orleans" von
Raphael. Kein Stich und keine Photographie ver-
mag von der Feinheit und der geradezu wunder-
baren Erhaltung dieser beiden kleinen Meisterwerke
einen Begriff zu geben. Das herrlichste Kleinod der
Sammlung aber ist Filippino Lippi 's Jugendwerk
„Esther und Ahasverus". Die Photographien versagen
hier vollständig. Jede einzelne der kleinen Figuren
müsste so reproduziert werden, wie es mit der einen
in dem schon erwähnten Hefte der Revue de l'Art
geschehen ist. Aber dann hat man immer noch
keine Idee von der Wärme und Zartheit, von der
köstlichen Harmonie des Kolorits.

Wir scheiden mit diesem schönsten und nach-
haltigsten Eindrucke aus dem Schlosse, ohne noch
alles gesehen zu haben, und machen einen Rundgang
durch den Park, in dem von der ursprünglichen Le
Nötre'schen Anlage allerdings nicht mehr viel zu
sehen ist. Auch hier erwartet uns noch eine Anzahl
Kunstwerke, teils im Freien, teils im Jeu de Paume
und dem reizenden Landhäuschen der Sylvia. Nur
die beiden Darstellungen aus dem Leben dieser be-
rühmten Beschützerin des unglücklichen Dichters
Theophile de Viau von Luc-Olivier Merson seien her-
vorgehoben. WALTHER GENSEL.

NEKROLOGE,
t In Endenich bei Bonn ist am 17. Juli nach langem
Leiden der Düsseldorfer Genre- und Historienmaler Professor
Karl Gehrts gestorben. Er wurde am 11. Mai 1853 in Ham-
burg geboren, wo sein Vater Dekorationsmaler war, und
besuchte zunächst die Kunstgewerbeschule seiner Vaterstadt.
1871 ging Gehrts nach Weimar als Schüler Karl Gussow's
und dann Albert Baur's. Mit letzterem siedelte er 1876
nach Düsseldorf über, wo er sich später verheiratete und
auch dauernd blieb. Besonders bekannt ist Gehrts durch
seine ausgezeichneten Zeichnungen zu Illustrationszwecken,
die Poesie, Phantasie und Humor verraten und einen echt
deutschen Charakter tragen. Wir nennen nur die Illustrationen
zu Goethe's „Reineke Fuchs", Julius Wolff's „Tannhäuser",
Thomas a Kempi's „Nachfolge Christi", sowie zahlreiche
Zeichnungen für die „Fliegenden Blätter". Ölbilder sind
nur wenige vorhanden, dagegen einige grosse Aquarelle wie
„Orientalische Händler auf der Wartburg", „Petrucchio's
Hochzeit" u. s. w. Das Hauptwerk Gehrts ist der grosse
Freskeneyklus im Treppenhause der Düsseldorfer Kunsthalle,
der ihm, als Sieger einer ausgeschriebenen Konkurrenz,
 
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