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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 10.1899

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Rosenberg, Adolf: Das neue Künstlerhaus in Berlin
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Jacobsen, Emil: Eine Reihe holländischer Landschaftsbilder in der Akademie zu Venedig
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https://doi.org/10.11588/diglit.5773#0027

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37

Eine Reihe holländischer Landschaftsbilder in der Akademie zu Venedig.

38

An der gegenüberliegenden Seite ist eine 35 Quadrat-
meter grosse Bühne mit Ankleideräumen und sonstigem
Zubehör errichtet worden, und in dem Bogenfelde
darüber hat Max Koch in schwarzer und grauer
Zeichnung auf dunkelrotem Grunde den mit dem
Drachen kämpfenden Ritter Georg hoch zu Rosse
dargestellt. Die Mitte der hinteren Langwand wird
durch eine Musikloge durchbrochen. Pilaster aus
rotem, weissgestrciftem Marmor gliedern in weiten Ab-
ständen die Wände des Saales, dessen Akustik sich
am Tage und Abend der Eröffnungsfeier am 15. Oktober
vortrefflich erprobt hat.

Mit berechtigtem Stolze dürfen die Künstler auf
ihr Werk sehen, das sie doch zum grössten Teile
ihrer eigenen Kraft verdanken. Mit Stolz darf aber
auch der Erbauer dieses Hauses, Karl Hoffacker, auf
seine Schöpfung blicken. Er hat seine Kraft bisher
nur an Ausstellungsbauten bewährt, die nach kurzem
Leben wieder verschwunden sind. Jetzt hat er gezeigt,
dass er auch monumentalen Aufgaben gewachsen ist,
und der Staat wird fortan mit ihm zu rechnen haben,
wenn einmal wieder ein Bau in grossem monumentalen
Stile geplant wird. Dem genialen Dekorateur hat sich
jetzt auch der Architekt ebenbürtig erwiesen".

ADOLF ROSENBERG.

EINE REIHE HOLLÄNDISCHER LANDSCHAFTS-
BILDER IN DER AKADEMIE ZU VENEDIG

In der Akademie-Galerie zu Venedig befindet sich
eine sehr interessante Reihe von elf reichstaffierten
Landschaftsbildern holländischer Abstammung. Diese
Bilder wurden in dem früheren Katalog dem Jan van
de Velde, im neuen von A. Conti hingegen dem Adriaan
van de Velde zugeschrieben.') Diese Änderung kann
nicht glücklich geheissen werden, wenngleich die Bilder
ebensowenig von Jan wie von Adriaan herrühren
können. Denn wenn die Züschreibung an den als
Maler ziemlich unbekannten Jan van de Velde wenig
Anstoss erregen konnte, ist die an Adriaan van de
Velde als ganz haltlos zu bezeichnen. Wir kennen
mehrere Jan van de Velde, den wohl hier gemeinten
Jan van de Velde II aber doch eigentlich nur als Zeichner
und Kupferstecher, wenn er auch — allerdings ohne
hinlängliche Begründung — als Meister einiger Bilder,
eins z. B. im Museum zu Braunschweig (Tobias mit
den Engeln) genannt wird. Er ist zwischen 1595
und 1597 zu Rotterdam geboren und 1642 gestorben.
Schon im Jahre 1616* machte er sich durch eine Reihe
radierter Landschaftsbilder bekannt. Die Art und Weise
seiner Zeichnungsmanier ist jedoch von der unserer
Bilderserie sehr verschieden. Ausser dem Vater dieses
Künstlers, dem berühmten Kalligraphen, kennt man

1) Kat. Nr. 115, 'Üb, 118, 121, 122, 125, 126, 127, 130,
131, 132-

noch einen Künstler desselben Namens, Jan van de
Velde III. Er ist aber nur als ziemlich mittelmässiger
Maler einiger Stillleben (zwischen 1655—58 datiert)
bekannt und kann ebensowenig in Betracht kommen.1)
Dass die Bilder holländisch und nicht etwa
vlämisch sind, worauf einige Anklänge an die frische
und fliessende Rubens'sche Landschaftsbehandlung
vielleicht hindeuten konnten, hat schon J. Ph. van der
Kellen, der bewährte Kenner holländischer Kunst, er-
kannt. Wir haben auch ein Mittel, die Bilder an-
nähernd zu datieren. Nach gütiger Mitteilung des
Herrn Dr. E. W. Moes wurden nämlich einige von
den Bildern im Jahre 1617 von C. J. Vissher in Kupfer-
stich herausgegeben.

In jüngster Zeit haben die Bilder wieder eine
neue Benennung erhalten. Zu meiner Verwunde-
rung finde ich auf der Namenstafel folgende An-
gabe: „Copie da Stampe di Adriano van de Velde.«
Der Direktor der Galerie teilte mir mit, dass diese
Änderung gemacht wurde gemäss der Aussprache
eines namhaften holländischen Kunstforschers. Das
muss natürlich auf einem Missverständnis beruhen,
da Adriaan van de Velde, der übrigens erst um 1635
geboren ist, dergleichen Landschaften weder gestochen
noch gemalt hat. Dass sie überhaupt Kopien sein
sollten, streitet gegen die überaus frische und spontane
Weise, in der sie gemacht sind.

Eine hartnäckige Tradition scheint diese Bilder
mit dem Namen van de Velde zu verknüpfen, ich
kenne nur einen de Velde, an den unsere Bilder
einigermassen erinnern könnten. Es ist Esaijas van
de Velde. An ihn konnte unser unbekannter Künstler
sich jedenfalls angelehnt haben: sein Stoffgebiet ist
demjenigen des Esaijas ähnlich und seine geistreich
flüchtige Pinselführung erinnert etwas an ihn.*)

Die virtuose Hand dieses merkwürdigen Künstlers
wirkt in der That Wunder. Ohne Anstrengung fast
zaubert sie Rasen, Wolken, Häuser, Bäume, Menschen
und Tiere sicher und charakteristisch auf die Metall-
platten hervor. Wahre Improvisationen und als solche
interessant, trotz vieler Fahrlässigkeiten und Flüchtig-
keiten. Nur das Kolorit, wenn auch nicht ohne Fein-
heit, ist grau und unscheinbar ausgefallen.

Auf einer dieser Landschaften sieht mau unter
drohendem Himmel und bei stürmischem Wetter eine
Windmühle dargestellt Gegen den Hintergrund der
dunklen Wolken sausen die grossen Mühlenflügel

1) A. D. de Vries erwähnt in seinen „Biographischen
Anteckeningen" einen Jan van de Velde von Haarlem, der
im Jahre 1642 22 Jahr alt war und einen Jan Janz van de
Velde von Haarlem, der im Jahre 1643 23 Jahr alt war.
Wohl derselbe.

2) Man vergleiche so das Winterbild mit den Schlitt-
schuhläufern mit dem kleinen Winterbilde von Esaijas van
de Velde in der Münchencr Pinakothek.
 
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