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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 10.1899

DOI Artikel:
Winter, Franz: Der diesjährige Wettbewerb in den königlichen Museen in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.5773#0121

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.

herausgeber:

ULRICH THIEME und RICHARD GRAUL

Verlag von E. A. SEEMANN in LEIPZIG, Gartenstrasse 15.

Neue Folge. X. Jahrgang. 1898/99. Nr. 15. 16. Februar.

Redaktionelle Zuschriften nimmt ausser Herrn Dr. U. Thieme, Leipzig, Erdmannstr. 17 auch Herr Dr. A. Rosenberg,
Berlin W., Heinrich Kiepertstrasse 84 entgegen.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur ,.Zeitschrift für bildende Kunst" und zum „Kunstgewerbeblatt" monatlich dreimal, in den Sommer-
monatenjuli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der „Zeitschrift für bildende
Kunst" erhalten die Kunstchronik gratis. - Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handlung keine Gewähr. Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditonen von H aasen-
stein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

DER DIESJÄHRIGE WETTBEWERB IN DEN
KÖNIGLICHEN MUSEEN IN BERLIN.

Als Gegenstand für die diesjährige Preisaufgabe
war von Seiner Majestät dem Kaiser die an einem
Gipsabguss auszuführende „Ergänzung des unteren,
vermutlich von einem Gewand verhüllten Teils des
in den Königlichen Museen aufgestellten Aphrodite-
torsos" gewählt worden. Der Torso ist erst 1897
erworben, daher in dem Katalog der Sammlung nicht
beschrieben. Aber die Museumsverwaltung hatte, wie
in den früheren Jahren, so auch dieses Mal durch
Veröffentlichung einer von R. Kekule von Stradonitz
verfassten Schrift dafür Sorge getragen, den Teil-
nehmern an der Konkurrenz alles Wissenswerte und
für die Ergänzung in Betracht kommende zugänglich
zu machen. Die Schrift ist als Beilage zu Nr. 3 des
XIX. Jahrgangs der amtlichen Berichte aus den König-
lichen Kunstsammlungen (1.Juli 1898) erschienen. Wir
entnehmen ihr im wesentlichen die folgenden An-
gaben. Der Torso, aus parischem Marmor gearbeitet
und 0,54 m hoch, hat, bevor er auf dem Wege des
Kunsthandels in das Berliner Museum gelangte, der
Sammlung Giustiniani in Venedig angehört. Man
weiss nicht, wann und wo er gefunden worden ist;
seine Geschichte lässt sich bis in den Anfang des
XVIII. Jahrhunderts zurückverfolgen. Er ist in jener
Zeit im Besitz des Venezianers Francesco Trevisani
gewesen und hat damals, wie aus einer Abbildung
in einem Werk von Kupferstichen, die von Faldoni
und Orsolini herrühren, hervorgeht, eine Ergänzung
der fehlenden Teile, des Kopfes, der Arme und des
Unterkörpers erfahren. Diese Ergänzung, wenig glück-
lich und nachweislich unrichtig, ist später wieder ent-
fernt worden, sie hat aber ihre Spuren in den glatten

und mit Einsatzlöchern versehenen Schnittflächen am
Hals und an den Armansätzen zurückgelassen. Die
Figur war nicht aus einem einzigen Marmorblock her-
gestellt, sondern aus mehreren Stücken zusammen-
gesetzt. Der Oberkörper ist unbekleidet. Seine Zu-
richtung an der unteren Fläche weist darauf hin, dass
er in einen mit Gewand verhüllten Unterkörper ein-
gelassen war. Ähnlich sind bei zahlreichen anderen
oberhalb nackten, unterhalb bekleideten antiken Figuren,
z. B. bei der Venus von Milo, Ober- und Unterkörper
für sich gearbeitet und ineinander eingepasst.

Die gestellte Aufgabe forderte eine Ergänzung
nur des unteren Teiles der Figur, nicht auch des
fehlenden Kopfes und der Arme. Es sind einige
vollständiger als das Berliner Stück erhaltene Figuren
vorhanden, die das gleiche Bewegungsmotiv zeigen;
drei von ihnen sind in der genannten Schrift in Ab-
bildungen wiedergegeben. Sie zeigen die Göttin im
Begriff, sich das Haar zu ordnen. Die Bewegung
des Unterkörpers, und die Anordnung des Gewandes
ist bei allen im wesentlichen die gleiche: das rechte
Bein stark im Knie gebogen, der rechte Fuss zurück-
gesetzt und nur mit den Zehen den Boden be-
rührend, das Gewand in starken Falten um die Beine
gespannt, an der Hüfte breit zusammengerafft und
in reichlicher herüberhängender Masse vorn bis zum
Boden herabfallend. So, in den grossen Zügen, ist
das fehlende Gewand für den Berliner Torso gleich-
falls vorauszusetzen. Aber eben nur für die An-
ordnung in den grossen Zügen, nicht für die feinere
Ausführung im einzelnen können diese Wiederholungen
als Anleitung dienen. Denn die meisten sind nur
in kleinem Massstab gehalten, die einzige dem Berliner
Torso in der Grösse entsprechende aber, eine Marmor-
statue im Vatikan, ist eine äusserliche, im ganzen
 
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