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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 10.1899

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Die Kunst im Reichstage
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https://doi.org/10.11588/diglit.5773#0145

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.

herausgeber:

ULRICH THIEME und RICHARD GRAUL

Verlag von E. A. seemann in leipzig, Gartenstrasse 15.

Neue Folge. X. Jahrgang. 1898/99. Nr. 18. 16. März.

Redaktionelle Zuschriften nimmt ausser Herrn Dr. U. Thieme, Leipzig, Erdmannstr. 17 auch Herr Dr. A. Rosenberg,
Berlin W., Heinrich Kiepertstrasse 84 entgegen.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur „Zeitschrift für bildende Kunst" und zum „Kunstgewerbeblatt" monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der „Zeitschrift für bildende
Kunst" erhalten die Kunstchronik gratis. - Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handlung keine Gewähr. Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditonen von Haasen-
stein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

DIE KUNST IM REICHSTAGE.

In der Sitzung des Deutschen Reichstags vom
1. März hat der Centrumsabgeordnete Dr. Lieber, einer
der Führer seiner Partei, aus Anlass einer Forderung
von 100000 M. zur weiteren Ausschmückung des
Reichstagsgebäudes eine Rede gehalten, die eine leb-
hafte Erregung unter den Künstlern Münchens und
Berlins hervorgerufen und bereits eine öffentliche
Gegenkundgebung veranlasst hat. Der Redner hat in
ungewöhnlich heftigem Tone und in Ausdrücken, die,
wenn sie gegen Mitglieder des Hauses gebraucht worden
wären, den Präsidenten zu einer energischen Rüge
herausgefordert hätten, starke Angriffe gegen den Er-
bauer des Hauses, dem gegen eine jährliche Remu-
neration von 10000 M. die Leitung der Ausschmückung
obliegt, und gegen zwei von ihm mit Arbeiten be-
traute Künstler, den Maler Franz Stuck und den Bild-
hauer Adolf Hildebrand gerichtet, und niemand im
Hause hat ein Wort zu Gunsten der angegriffenen
Künstler eingelegt. Der Staatssekretär des Reichsschatz-
amtes Graf ' Posadowsky hat in seiner Erwiderung
sogar durchblicken lassen, dass die Angriffe des Ab-
geordneten Lieber im grossen und ganzen gerecht-
fertigt seien und dass dem von ihm ausgesprochenen
Wunsche, es möge ein anderer, in Berlin wohnender
Künstler mit der Leitung der weiteren Ausschmückung
des Reichstagsgebäudes beauftragt werden, nichts im
Wege stehe, da der Vertrag mit Wallot am 1. April
ablaufe.

Der Sachverhalt, der den Angriffen des Dr. Lieber
zu Grunde liegt, ist folgender. Professor Stuck hatte
von Wallot, der dabei, wie der Staatssekretär selbst
anerkennt, durchaus im Rahmen seiner Kompetenz
gehandelt hatte, den Auftrag erhalten, für die Decke

der Wandelhalle Malereien anzufertigen, zu denen
Wallot selbst den Grundgedanken angegeben hatte.
Nach Äusserungen, die Stuck dem Münchener Bericht-
erstatter eines Berliner Lokalblattes gegenüber gethan
hat, wünschte Wallot, der bekanntlich eine Vorliebe
für heraldische Embleme hat, dass in den Decken-
malereien die Wappen grosser deutscher Städte an-
gebracht werden sollten, die durch Arabesken ver-
bunden sein sollten, welche durch allegorische Figuren
zu beleben waren. Diese sollten, ebenfalls nach dem
Wunsche Wallot's, die Jagd nach dem Glücke dar-
stellen. Wie aus den Reden im Reichstage hervorging,
hat die Ausschmückungskommission und mit ihr die
Mehrheit der Reichstagsmitglieder nicht bloss an den
Stuck'schen Figuren, sondern auch an dem Übermass
von Wappen Anstoss genommen. Die Kommission,
die aus Mitgliedern des Bundesrats und des Reichs-
tages besteht, hatte fast einstimmig beschlossen, die
Stuck'schen Malereien, für die bereits 22000 M. von
den ausgesetzten 30000 M. bezahlt worden waren,
abzulehnen und — „auf den Boden zu verbannen".
Dieser Beschluss ist jedoch nicht ausgeführt, sondern
vielmehr Wallot auf sein Ersuchen von der Kom-
mission gestattet worden, sich mit Stuck in Verbindung
zu setzen, um ihn zu einer Umgestaltung des Bildes
zu veranlassen. Nach einer privaten Mitteilung Dr.
Lieber's soll übrigens Wallot selbst zugegeben haben,
dass der Maler nicht den richtigen Ton für die Stätte
getroffen habe, für die das Bild bestimmt sei. Auch
scheint es, dass die Kommission an diesem Zwist
auch nicht schuldlos ist, da nach der Rede des Staats-
sekretärs Grafen Posadowsky insofern ein formaler
Fehler begangen worden ist, als man vor der Be-
stellung nicht die Skizze eingefordert hat.

Inzwischen hat sich Stuck bereit erklärt, das Ge-
 
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