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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 10.1899

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Steinmann, Ernst: Santa Maria in Cosmedin in Rom
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https://doi.org/10.11588/diglit.5773#0169

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.

HERAUSGEBER:

ULRICH THIEME und RICHARD GRAUL

Verlag von E. A. SEEMANN in LEIPZIG, Gartenstrasse 15.

Neue Folge. X. Jahrgang. 1898/99. Nr. 21. 13. April.

Redaktionelle Zuschriften nimmt ausser Herrn Dr. U. Thieme, Leipzig, Erdmannstr. 17 auch Herr Dr. A. Rosenberg,
Berlin W., Heinrich Kiepertstrasse 84 entgegen.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur „Zeitschrift für bildende Kunst" und zum „Kunstgewerbeblatt" monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der „Zeitschrift für bildende
Kunst" erhalten die Kunstchronik gratis. - Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handlung keine Gewähr. Inserate, i 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditonen von Haas en-
stein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

SANTA MARIA IN COSMEDIN IN ROM.1)

Wenn in heller Morgenfrische die Landleute mit
ihren Früchten, wie die Jahreszeit sie bietet, an der
Kirche zum nahen Markt vorüberziehen, wenn die
Sonne hinter den Höhen des Janiculus versinkt und
ihre letzte Strahlenglut das ganze Vestatempelchen
vergoldet, wenn in stiller Sternennacht die halbver-
siegten, mondscheingesättigten Wasserbäche der Barock-
fontäne müde und träumerisch aus der mächtigen
Conca auf den künstlichen Felsen herniederplätschern
— immer ist die Piazza von S. Maria in Cosmedin
einer der stimmungsvollsten Winkel in der stimmungs-
reichsten Stadt der Welt. Man meint, die Weltuhr
habe hier stille gestanden, wie die unbeweglichen
Zeiger der Thurmuhr dort oben am schlanken Cam-
panile, man meint der Campagna näher zu sein wie
der geräuschvollen Stadt, und man blickt verwundert
auf die glänzenden drei, den Tempel, die Kirche und
den Brunnen, deren stolze Vergangenheit schwermütig
ruinenhaft hineinragt in die bescheidene Gegenwart
der nur noch von bettelarmem Volk belebten Piazza.

Als noch die prunkvolle Barockfassade der alt-

1) In vorliegender Skizze habe ich die Arbeiten von
G. B. Giovenale, La basilica di Santa Maria in Cosmedin,
Roma 1895, und von H. Grisar, Ste. Marie in Cosmedin ä
Rome, Extrait de la Revue de l'art chretien Tom. IX, 31":
livraison 1894 benutzt. Die letztere ausgezeichnete Studie giebt
auch eine kurze Übersicht der neueren Litteratur. Herr
Professor Giovenale, dem ich mich für eine Reihe wertvoller
mündlicher Auskünfte besonders verpflichtet fühle, hat in
seiner kleinen inhaltreichen Schrift kurz die Geschichte der
Basilika entworfen, die er sozusagen erst entdeckt hat, und
den Plan seiner Restaurationsarbeiten vorgelegt. Eine voll-
ständige Publikation der Basilika wird nach vollendeter
Wiederherstellung geplant.

christlichen Kirche vorgebaut war, da trat der Kontrast
zwischen einst und jetzt noch schärfer hervor als
heute, wo man den schlichten Kern der ehrwürdigen
Basilika aus der unnatürlichen Umhüllung herausge-
schält hat. Der backsteinerbaute, auf Arkadenbögen
ruhende, oben durch zierliche Fenster gegliederte Vor-
bau ist mit einem ähnlichen, säulengetragenen, bal-
dachinartigen Portal geziert, wie die Vorhöfe von
San demente und von San Cosimato, dahinter ragt
der unscheinbare Giebel der Basilika empor, und rechts
daneben sieht man den Campanile in sechs Stock-
werken übereinander sich in die Lüfte erheben. Ja,
das ursprüngliche Bild der Kirche ist wenigstens nach
aussen nach mehr als achtjähriger Arbeit wieder her-
gestellt, und wenn wir heute über die menschenleere
Piazza gehen, so meinen wir, Natur und Kunst
hätten sich hier nach langem Hader versöhnt. Der
verwitterte Glockenturm, der sich einst grollend
über all dem barocken Zierat der Fassade erhob,
zeigt sich heute mit dem schlichten Backsteinvorbau
in völliger Harmonie, beide miteinander wollen uns
kaum jünger erscheinen wie der ehrwürdige Tempel
der Mater Matuta, und das Wasser der Fontäne
sickert so müde durch das grüne Moos, als wollten
seine Quellen nach so langen Jahrhunderten nun
endlich versiegen. Die Gegenwart schläft, aber die
Geister der Vergangenheit bestürmen den Wanderer,
wenn er ihre Sprache versteht und sich nicht fürchtet,
das uralte Verhängnis heraufzubeschwören, das sich
Entstehen und Vergehen nennt.

Man hat sehr zutreffend behauptet, dass die Ge-
schichte von S. Maria in Cosmedin ein Kompendium
sei der Geschichte Roms vom 1. Jahrhundert christ-
licher Zeitrechnung bis auf unsere Tage, dass man
an diesem Tempel noch heute die Wandlungen ver-
 
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