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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 10.1899

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Flechsig, Eduard: Die Lösung der Pseudogründewald-Frage: (zur Eröffnung der Cranach-Ausstellung in Dresden)
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https://doi.org/10.11588/diglit.5773#0177

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.

HERAUSGEBER:

ULRICH THIEME und RICHARD GRAUL

Verlag von E. A. SEEMANN in LEIPZIG, Gartenstrasse 15.

Neue Folge. X. Jahrgang.

1898/99.

Nr. 22. 20. April.

Redaktionelle Zuschriften nimmt ausser Herrn Dr. U. Thieme, Leipzig, Erdmannstr. 17 auch Herr Dr. A. Rosenberg,
Berlin W., Heinrich Kiepertstrasse 84 entgegen.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur „Zeitschrift für bildende Kunst" und zum „Kunstgewerbeblatt" monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der „Zeitschrift für bildende
Kunst" erhalten die Kunstchronik gratis. - Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handlung keine Gewähr. Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditonen von Haas en-
stein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

DIE LÖSUNO DER PSEUDOGRÜNEWALD-
FRAQE.

(ZUR ERÖFFNUNG DER CRANACH-AUSSTELLUNG
IN DRESDEN.)

Es ist mir leider nicht möglich gewesen, das
schon seit langer Zeit vorbereitete erste Heft meiner
Cranachstudien noch vor Beginn der Cranach-Aus-
stellung zu veröffentlichen. Ich halte es deshalb für
nötig, wenigstens die Ergebnisse meiner Untersuchungen
in aller Kürze mitzuteilen. Die Beweise für die Rich-
tigkeit der hier vorgetragenen Behauptungen sind in
meinen » Cranachstudien" enthalten, die jedenfalls bis
Ende Mai erschienen sein werden.

Die Pseudogrünewald-Frage lässt sich nur lösen,
wenn man die Entwicklung Lucas Cranach's Schritt
für Schritt bis zu dem Zeitpunkte verfolgt, wo die
Thätigkeit des sogenannten Pseudogrünewald einsetzt.
Das älteste nachweisbare Werk Lucas Cranach's ist
ein Holzschnitt, die von Passavant im Peintre-Qra-
veur IV, 40 Nr. 2 beschriebene Kreuzigung. Sie dürfte
um 1500 entstanden sein. Wo sich der Künstler
damals befand, sagen uns die magyarischen Typen
deutlich genug. 1502 folgt die Kreuzigung P. IV, 40
Nr. 1 (mit dem Zeichen des Holzschneiders), 1503
die ersten Bilder: Christus am Kreuz in Schieissheim
und ein männliches Bildnis im German. Museum in
Nürnberg, denen doch wohl die anzureihen sind, die
Wilh. Schmidt als Werke derselben Hand erkannt
hat, nämlich der h. Valentin mit einem Stifter in der
Galerie der Akademie in Wien, ein weibliches Bildnis
im Besitz des Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt
und die gemalten Aussenseiten eines Flügelaltars im
Österr. Museum in Wien. Aus dem Jahre 1504 stammt
dann das erste vollständig sicher beglaubigte Bild, die

Ruhe auf der Flucht nach Ägypten in München
(Generalmusikdirektor Levi). Von da ab ist alles klar
bis zum Jahre 1520. Bezeichnete und datierte Bilder
aus dieser Zeit giebt es zwar nicht eben viele, dagegen
eine grosse Zahl von Holzschnitten. Diese lassen
sich leicht chronologisch ordnen, wenn man die Art
der Bezeichnung genau beachtet und aus dem Vor-
handensein von zwölf ersten Zuständen, von denen
allerdings bisher nichts bekannt war, da sie zu den
grössten Seltenheiten gehören, die nötigen Schlüsse
zieht. Die von Lippmann versuchte Anordnung der
Holzschnitte erweist sich hiernach als zum Teil ver-
fehlt. Auf jeden Fall steht die künstlerische Persön-
lichkeit Lucas Cranach's am Ende des 2. Jahrzehnts
des 16. Jahrhunderts vollkommen klar ausgeprägt vor
uns. Die Verlobung der h. Katharina (1516) in
Wörlitz und die gleichzeitige in Budapest, der Kinder-
mord in Dresden (1516 oder kurz vorher), der
Sterbende in Leipzig, die zwei Madonnen in der
Landschaft in Weimar (Besitz des Grossherzogs) und
Gross-Glogau, alle drei von 1518, und die gleichzeitige
Madonna in Karlsruhe, sind diejenigen Bilder, die als
Wegweiser dienen müssen in der Verwirrung, die
bald darauf durch das Auftreten des sogenannten
Pseudogrünewald beginnt

Die Hauptbilder dieses Unbekannten fallen in
die Zeit von 1520—1530, doch beginnt seine Thätig-
keit nachweisbar schon mit dem Jahre 1516, mit der
noch sehr kindlichen Marter des h. Erasmus in
Aschaffenburg, die durchaus vom Dresdener Kinder-
mord abhängt. 1520, mit dem h. Wilibald und der
h. Walpurgis in Bamberg, tritt er uns schon als
fertiger Künstler entgegen. In die Zwischenzeit fallen:
die Beweinung Christi in Augsburg, Christus als
Schmerzensmann in der Sammlung: des bischöflichen
 
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