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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 10.1899

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Flechsig, Eduard: Die Lösung der Pseudogründewald-Frage: (zur Eröffnung der Cranach-Ausstellung in Dresden)
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5773#0179

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341

Personalnachrichten. — Denkmäler.

342

wenn auch nicht offenkundig, innegehabt hatte, da
Meister Lucas seit dem Anbruch der Reformation
infolge mancherlei Verpflichtungen zum eigenen Schaf-
fen nicht mehr so viel Zeit fand wie früher. Und so
gehört auch das Zeichen, das so viele der besten in
der Zeit von 1525—1537 entstandenen Bilder tragen,
nicht dem Vater, sondern seinem Sohne Hans an.
Sehen wir doch genauer zu: von dem früheren Zeichen
des Vaters, das deutlich doppelte Fledermausflügel
zeigt, unterscheidet es sich sehr wohl durch das Fehlen
eines Flügels und durch die kleinere, oft zierlichere
Form. Als Hans Cranach schied, erlosch dies Zeichen,
an seine Stelle trat das des Bruders, des jüngeren
Lucas, der nun auch die Leitung der Werkstatt des
Vaters übernahm.

Hans Cranach ist also der Pseudogrünewald, aber
er ist zugleich auch der Schöpfer so vieler hervor-
ragender Bilder, die als unbestreitbares Eigentum
Lucas Cranach'sd.Ä. gelten. Was der Kardinal Albrecht
von Brandenburg in Wittenberg bestellt hat, ist wohl
in der Hauptsache sein Werk, ganz sicher ist dies
bei den drei Bildern, die den Kardinal als h. Hierony-
mus darstellen (1525 in Darmstadt, 1526 in Potsdam,
Privatbesitz, 1527 in Berlin). Mit derselben Sicher-
heit Iässt sich dies behaupten bei den meisten Paris-
urteilen, bei fast allen Bildern, die nackte Männer
und Frauen in ähnlicher Weise zur Darstellung bringen,
wie die sogenannte Wirkung der Eifersucht in Weimar
und in der früheren Habich'schen Sammlung in Kassel,
und die Satyrfamilie in Donaueschingen. Und alles, was
nachweislich von derselben Hand geschaffen worden
ist, wie diese Bilder, rührt von Hans Cranach her.
Dazu kommen noch drei Kupferstiche und eine sehr
grosse Zahl von Holzschnitten, sowie Handzeichnungen
(viele in Erlangen).

So ist die Forschung jetzt plötzlich vor Aufgaben
gestellt, von denen sie nichts geahnt hat. Nicht mehr
die sogenannte Pseudogrünewaldperiode, sondern die
Zeit, die allen klar erschien, bietet Schwierigkeiten
aller Art. Denn bei jedem zwischen 1525 und 1537
entstandenen Bilde erhebt sich jetzt die Frage: Lucas
oder Hans Cranach? Mit dem Beginn der dreissiger
Jahre werden diese Schwierigkeiten aber um noch
eine vermehrt: es ist genügender Grund zu der An-
nahme vorhanden, dass zu dieser Zeit auch schon
Lucas d. J. angefangen hat, selbständig zu arbeiten.
Deshalb sind vom ersten Auftreten Lucas Cranach's d. Ä.
bis zum Tode Lucas Cranach's d. J. (1586) die Jahre
1530—1537 für den Forscher die kritischsten.

In Hinblick auf diese hier erörterten Fragen steht
eigentlich die Cranachforschung noch auf einem un-
glaublich niedrigen Standpunkt. Möge die beginnende
Cranachausstellung allen denen, die die Wahrheit
lieben, die Augen öffnen und sie durch Zweifel zur
Erkenntnis führen! EDUARD FLECHSIG.

PERSONALNACHRICHTEN.

Dresden. — Herr Dr. Paul Herrmann, Direktorial-
assistent an der Skulpturensammlung, ist zum Bibliothekar
der Akademie ernannt worden.

DENKMÄLER.

Strassburg. — Das Comite' zur Errichtung eines Kaiser
Wilhelm-Denkmals in Strassburg i. E. hat einen Aufruf er-
lassen, in dem es sich an das ganze deutsche Volk mit der
Bitte um Beiträge wendet und dazu auffordert, Vereinigungen
zu bilden, welche die Sammlung der Beiträge in die Hand
nehmen. Der Schatzmeister des Comites, Hofapotheker
Muncke, der Vorsitzende, Landgerichtsdirektor von Bomhard
und der Schriftführer, Kaufmann Cussler, sämtlich in Strass-
burg, sind jederzeit zu weiterer Auskunft bereit.

Rom. — Die wenn auch langsame Fortführung des
Baues des Victor Emanuel-Denkmals ist neuerdings durch
parlamentarische Bewilligungen sicher gestellt. Es sind für
die nächsten vier Rechnungsjahre 8 Millionen bewilligt, von
denen 3V4 Millionen dem Rechnungsjahr 1899/1900 zukommen
sollen. Die Gesamtkosten des Denkmals sind auf 24V2 Millionen
veranschlagt. Von ihnen sind in den verflossenen zwölf Jahren
für Preisausschreiben, Expropriationen, Schuppenbauten und
die Reiterstattie 5V2 Millionen verbraucht, weitere 5 Millionen
sind verbaut. Die Niederlegungsarbeiten der letzten Wochen
an der viaMarforio lassen erkennen, dass, wie der westliche so
jetzt auch der östliche nach dem Forum Trajanum gelegene
Flügel- und Hallenbau weit gefördert ist. Graf Sacconi
macht sich anheischig, bei richtigem Eingehen der noch zu
verbauenden 14 Millionen das Denkmal in acht Jahren zu
vollenden. Bei den riesenhaften Verhältnissen des letzteren

— es nimmt einen Flächenraum von 16000 qm ein und er-
hebt sich zur Höhe von 63V2 m — würde eine Bauzeit von
zwanzig Jahren gar nicht hoch bemessen erscheinen.

.• .. • .. : , ibr.:( v. a.

Stuttgart. — Das Comite für ein Denkmal für den ver-
storbenen Dichter J. G. Fischer erlässt einen Wettbewerb mit
drei Preisen von 1000, 500 und 300 M. -u-

St. Petersburg. — Das Börsencomite schreibt unter den
Bildhauern und Architekten einen internationalen Wettbewerb
aus für eine Büste des Kaisers Alexander III., die im grossen
Börsensaal zur Aufstellung gelangen soll. Den Architekten
wird der Entwurf des architektonischen Hintergrundes als
Aufgabe gestellt. Drei Preise von zusammen 1200 Rubel
kommen für die Büste zur Verteilung, drei weitere von zu-
sammen 800 Rubel für die Architektur des Hintergrundes.
Einzusenden bis zum 1. (13.) Juni d. J. Das Preisgericht
bilden die Herren Architekten Benois und Schröter, Maler
Botkin und die Bildhauer Beklemmischeff, Harlamoff und
Salemann. -u-

0 Zur Errichtung eines Denkmals für Richard Wagner
in Berlin hatte sich zu Anfang vorigen Jahres ein Comite
gebildet, das auch einen Aufruf zu Geldsammlungen erliess.
Nach kurzer Zeit wurden jedoch die Sammlungen ge-
schlossen und zwar unter der Begründung, dass ein Ver-
ehrer des Meisters, der ungenannt bleiben wollte, den zur
Errichtung eines würdigen Denkmals erforderlichen Betrag

— eine bestimmte Summe wurde nicht genannt — dem
Comite zur Verfügung gestellt habe. War dadurch schon
unter den Verehrern Richard Wagner's, die gern ihr Scherflein
beitragen wollten, eine Verstimmung hervorgerufen worden,
so wurde diese noch gesteigert, als bald darauf bekannt
wurde, dass das Comite beschlossen hätte, einen Wettbewerb
zwischen einer beschränkten Anzahl von Bildhauern — sechs
 
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