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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 10.1899

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Die deutsche Kunstausstellung in Dresden
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Michaelson, H.: Hans Cranach
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https://doi.org/10.11588/diglit.5773#0195

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Hans Cranach.

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und sehr wirkungsvoll — violett, schwarz und etwas
Gold — dekoriert. Seine Gemälde nehmen sich sehr
gut auf diesem Hintergrund aus. Bei weitem das
Beste darunter ist sein Selbstbildnis, ein ungewöhn-
lich gutes Gemälde in Temperafarben. Es liegt etwas
so abgeklärtes in der vornehm einfachen Auffassung,
in der psychologischen Vertiefung des Ausdrucks und
der stilisierten Beleuchtung, die allen Realismus mit
Schlagschatten u. s. w. vermeidet, — das Bild ge-
winnt bei jedem erneuten Ansehen. Bantzer und Unger
ist das Unglück widerfahren, dass die Kgl. Galerie zu
Dresden frühe Werke von ihnen erworben hat. Das
Gute, das die rechtzeitige Anerkennung ihnen ge-
bracht hat, wird vollständig gehoben durch den Um-
stand, dass das Vorhandensein eines Bildes die Er-
werbung eines zweiten desselben Künstlers erschwert.
Zweifellos wären beide besser daran, wenn die Galerie
sie lieber noch einige Jahre übergangen, dann aber
solche Werke wie das Abendmahl in Hessen und
dieses Selbstbildnis erworben hätte.

Auf der anderen Seite des Klinger-Saales endlich
findet man noch einen Raum mit Seffner'sehen Skulp-
turen. Damit ist unser Rundgang, auf dem wir nur
eine Anzahl der hervorstechendsten Werke namhaft ge-
macht haben, beendet, und wir können das am An-
fang Gesagte — eine interessante, vortrefflich arrangierte
Ausstellung ist zu stände gekommen — nur wieder-
holen. H. W. S.

HANS CRANACH.

Die Kunstchronik brachte in Nr. 22 dieses Jahr-
ganges den Aufsatz: „Die Lösung der Pseudogrüne-
wald-Frage." — Der Kernpunkt dieser Studie besteht
in folgenden Behauptungen: Der Pseudogrünewald ist
kein anderer als der älteste Sohn Lucas Cranach's,
Hans Cranach. Dieser leitet „fast zwei Jahrzehnte
lang thatsächlich, wenn auch nicht offenkundig" die
väterliche Werkstatt. Er ist der Schöpfer einer Reihe
von Gemälden, die zu den bedeutendsten Erzeugnissen
der deutschen Renaissancemalerei gehören. Er zeichnet
mit der Schlange mit einem stehenden Fledermaus-
flügel. — Prüfen wir diese Behauptungen an der Hand
zeitgenössischer Belege.

Im Anschluss an die Ausführungen des Verfassers
sei mir zunächst folgende Berechnung gestattet: Als
erstes Bild des Hans Cranach wird die „sehr kind-
liche" Marter des heiligen Erasmus in Aschaffenburg
aus dem Jahre 1516 genannt. Angenommen nun, der
Maler war damals nur — 12 Jahre alt, was durchaus
unglaublich ist, so ist er 1504 geboren. Am 9. Oktober
1537 starb er, demnach also annähernd 33 Jahre alt.

Gegen dieses, wie jeder zugeben wird, Mindest-
alter des Hans Cranach sprechen nun eine Reihe von
Thatsachen, nach denen er weit jünger gewesen sein
muss.

Zunächst das Epicedion, in dem der 22 Jahre alte
Professor Johann Stigel in Wittenberg (s. Schuchardt,
Lucas Cranach Bd. I, S. 98) den geliebten verstorbenen
Freund zugleich beklagt und feiert. Hier beziehen
sich u. a. auf Hans folgende Wendungen: „Teuerster
Jüngling", „Welcher der Götter begehrte im Frühling
des Lebens dein Ende", „scheidest unzeitig dahin, in
der zartesten Blüte der Jugend" u. s. w. — Auf einen,
wie wir vorher sahen, mindestens Dreiunddreissig-
jährigen können derartige Ausdrücke schwerlich Be-
zug haben.

Ferner: Als in Wittenberg die Nachricht vom
Tode des Hans in Bologna eintrifft, begiebt sich
Luther zu den verzweifelnden Eltern. Aus seiner
Trostrede (Luther's Tischreden, Leipzig 1700) hebe
ich zwei Stellen hervor. 1) Mit Zustimmung der
Freunde haben die Eltern den „gehorsamen" Sohn
auf die Studienreise geschickt (mit 33 Jahren?) 2) Der
frühe Tod schützte ihn vor der bösen Welt, der auch
die „allerfeinsten Jünglinge" nicht widerstehen, „was
auch ihm hätte können widerfahren" — eine Be-
fürchtung, die nur in Bezug auf einen unerfahrenen
und jungen Mann Sinn hat.

Auf folgendes möchte ich ferner immerhin auf-
merksam machen: In dem Skizzenbuche des Hans
im Kestner - Museum in Hannover (jetzt auf der
Cranachausstellung), das er von 1536 bis zu seinem
Tode brauchte, findet sich die folgende Inschrift:
H. Cranach, darunter i5«Mi3. Bezieht sich die
Zahl etwa auf seine Geburt, so wäre er bei seinem
Tode 23 Jahre alt gewesen. Dieser Altersstufe ent-
spricht die Selbstskizze eben darin, die einen bart-
losen Jüngling mit „Pagenfrisur" zeigt. Sie ist in
Lippmann's Werk über die Holzschnitte Cranach's d. Ä.
wiedergegeben.

Als offenbarer Beweis, dass Hans nicht das Alter
von mindestens 33 Jahren erreichte, erscheint mir nun
nachstehendes: Der zweite Sohn Cranach's, Lucas d.J.,
ist am 4. Oktober 1515 geboren, nach ihm, nicht etwa
zwischen den Brüdern, wie oft angenommen wird,
kommen die drei Töchter, deren jüngste 1520 das
Licht erblickt. Es wäre demnach zwischen beiden
Söhnen, auf Grund der ersten Berechnung, ein Alters-
unterschied von 11 Jahren gewesen!

Nun heisst es in den Torgauer Schlossrechnungen
(Grossherzogl. Archiv, Weimar) von 1536/37: „Nicolai
(J535) bis ufs new Jahr des 36", unter den Abge-
lohnten: „sein (Meister Lucas) zwen son iglichen v\2fl!"
Danach hätte der berühmte Hans, der jahrzehntelange
Leiter des grossen Ateliers, der mindestens Dreiund-
dreissigjährige denselben Oesellenlohn empfangen wie
sein kaum 20 Jahre alter Bruder! Dass wirklich Hans
und Lucas d. J. gemeint sind, bestätigt die nachherige,
ausdrückliche Nennung ihrer Namen.

Nach all diesem kann Hans Cranach nicht der
 
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