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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 10.1899

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Weese, Artur: Die Secession in München 1899
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5773#0242

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467

Bücherschau.

468

bare, märchenhafte Einfalt ist verschwunden. Ludwig
Dill wird immer virtuoser. Er sucht nur jene schnell
verfliessendenZwischentöneund Übergangsstimmungen
in der abendlichen oder dunstigen Landschaft. Aber
die Bilder verlieren jeden zeichnerischen Halt, und
alles Raffinement der farbigen Empfindung giebt ihnen
doch nicht den festen Eindruck der Wahrheit. Und
würde Hubert von Heyden gerade als Tiermaler nicht
auch gewinnen, wenn er die Form bestimmter betonte?
Gerade bei seinen Truthähnen fehlt die Präcision im
Detail, wie kräftig und klar auch immer die Farbe
spricht. Alles Interesse der Maler wird durch die
Farbe in Anspruch genommen. Dem Pigment soll
eine Klarheit und Gesundheit des Tones abgerungen
werden, die allein das Bild hält und rechtfertigt. Die
optische Erziehung des Auges wird vornehmlich im
koloristischen Sinne durchgeführt. Der Gegenstand
wiederholt sich jahraus, jahrein, und doch kennt der
Virtuos der Farbe keine Ermüdung. So ist Freiherr
von Habermann bei aller Monotonie doch vielseitig
und unerschöpflich. Auch Franz Stuck koncentriert
sich stofflich immer mehr, als ob er sich zu einem
grossen Anlauf sammelt. Er bringt einen Sisyphus
bei seiner schweren Arbeit. Es dürfte ihm doch nie-
mand in München einen Akt in dieser grossen flüssigen
Form nachmachen. Es steckt eine starke, echt male-
rische Persönlichkeit hinter diesem Bilde, und ihre
Kraft wäre vielleicht würdevoller und künstlerischer,
wenn sie nicht so gewaltsam wäre und oft athleten-
haft produziert würde. Wie fein wirkt sie, wenn sie
in der plastischen Form zusammengehalten wird, wie
in der kleinen Bronze des verwundeten Kentauren.
Ludwig Herterich hat in seinem Hutten fast program-
matisch präcisiert, was er als Kolorist und Maler will.
In der Eisenrüstung des deutschen Ritters spielt ein
Feuer der Reflexe, ein Leben der Farben, bewunderns-
wert; um so mehr, als der Vortrag breit und flüssig
ist. Aber schon in dem Cruzifixus ist dem Ton zu-
liebe der Materialcharakter geopfert; man zweifelt, ist
diese Figur in Holz oder Stein gedacht. Und was
soll vollends die pointierte Gegenüberstellung des
biederen, einfältigen Rittersmannes mit diesem Ge-
kreuzigten, dem er kühl zur Seite steht, wie ein
Archäologe, der ein Denkmal analysiert?

Böcklin's Farben und elementare Kraft lassen
unseren Malern keine Ruhe mehr. Hans Anets-
berger (München) gesteht auch i n seiner j; Sage" mit
treuherziger Ehrlichkeit, dass er nun nicht mehr anders
könne und Böcklin möge ihm helfen. Es lässt sich
doch vieles Schöne sagen, auch ohne dieses Rezept.
Ludwig von Zumbusch (München) zeigt hohe malerische
Feinheiten und eine ruhige sachliche Anschauung,
namentlich in der Susanna, die doch frei und selb-
ständig ist. Auch die kleine Landschaft mit dem Horn-
bläser von Adolf Hengeler (München) gewinnt durch

ähnliche Vorzüge. Breiter und wuchtiger, fast tizianisch
wirkt Angelo Jank mit seinem Reiterbilde. Selbst in
dem grossen Liebesgarten von Hierl-Deronco (München)
fühlt man einen wenn auch etwas ungebärdigen Farben-
sinn heraus, der auf grosse Wirkungen ausgeht. Aber
niemand wird zu diesen Nymphen und Liebesgöttinnen
ein Verhältnis gewinnen können, der von weiblichen
Idealgestalten etwas mehr als eine morose Schlaffheit
und überasketische Magerkeit erwartet. Die Reminiscenz
an ßotticelli's Frühling wird gewaltsam wachgerufen,
indessen zum Schaden dieser Dekadenzhetären, denen
auch keine Spur jenes Florentiner Adels und der köst-
lichen poetischen Reinheit des Quattrocentisten zu
teil geworden ist. Wieviel anspruchsloser, aber auch
reifer und ernster ist die hervorragende Leistung von
Leopold von Kalkreuth, Der Weg ins Leben. Eine
kernige deutsche Natur und ein tüchtiger Maler!

Unter den Porträts fallen die guten Arbeiten von
Fritz Burger auf. Ein Maler von feiner Bildung ist
Jos. Oppenheimer (München), der ein etwas blasses,
feines Knabenbildnis durch eine Überfülle von leuch-
tenden, starken Farben ausserordentlich geistreich be-
handelt.

In der Schwarz-Weiss - Abteilung ist Richard
Af«//e/-(Dresden) beachtenswert. Noch keine klare, aber
doch begabte, hoffnungsvolle Erscheinung. Eine wahre
Freude ist es, zu sehen, wie Otto Greiner in seiner
römischen Freiheit sich entfaltet. Unablässiger Eifer
und eine nie ermüdende, rein technische Sorgfalt
zeichnen seine Blätter aus. Aus den „Sieben Stein-
zeichnungen", die er Max Klinger gewidmet hat, sind
drei Stück erschienen. Sie sprechen eine rührende Be-
wunderung für seinen Meister aus, und mehr als das,
auch jenes Selbstbewusstsein, das auf ein hohes Streben
begründet ist. Er hat viel von Max Klinger über-
nommen, der sein Leitstern ist; aber niemand zweifelt,
dass diese Gefolgschaft den jungen Künstler erst zur
vollen Selbstentwicklung und zu einem schönen Er-
folge geführt hat. ARTUR WEESE.

BÜCHERSCHAU.

Meissonier. Von V. C. O. Ore'ard. Translated from the french
by Lady Mary Lord and Miss Florence Simmonds. London
1897, W. Heinemann.
Eine vorzügliche Monographie von V. C. O. Greard
über Meissonier liegt hier in vortrefflicher englischer Über-
setzung vor. Wie man Adolf Menzel um die Publikation
seiner Werke durch den Bruckmann'schen Verlag beneiden
darf, so Meissonier um dieses seinem Leben und seinem
Werke gewidmete Buch, das, allerdings in der bescheidenen
Form der Illustration, eine grosse Zahl seiner Gemälde, seiner
Studien, Handzeichnungen und plastischen Versuche giebt.
Der Text ist von einer fast erschöpfenden Ausführlichkeit.
Von dem ersten Schulzeugnis an, das seinen etwas mangeln-
den Fleiss, aber auffallende Neigung zum Zeichnen bekundet,
bis zu den Arbeiten der letzen Wochen ist alles ihn An-
gehende hier beschrieben und abgebildet. Der 361 Druck-
 
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