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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 10.1899

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Neuwirth, Josef: Giotto und die Kunst Italiens im Mittelalter
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Die früheste Erwähnung Grünewald's
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https://doi.org/10.11588/diglit.5773#0260

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503

Die früheste Erwähnung Grunewalds.

504

Die deutsche Kunstforschung hat in dem letzten
Jahrzehnt nicht viele Werke aufzuweisen, welche sich
gleich gründlich und erfolgreich wie Zimmermann
mit den mannigfachsten Denkmalen und Verhältnissen
der mittelalterlichen Kunst Italiens befassen. Unter
einem grossen Gesichtspunkte ist alles zusammen-
gehalten, was eine neue Zeit vorbereitet und in ihren
Bahnbrechern verstehen, ihre Art im Zusammenhange
wie im Gegensatze mit dem früheren sachgemäss be-
urteilen lehrt. Die Darstellungsweise zeichnet sich
durch gewählten, von Effekthascherei freien Ausdruck
aus, lässt überall nach Bedürfnis das Wichtigere mit
Nachdruck hervortreten und weiss die Übersichtlich-
keit der Wechselbeziehungen und des Zusammenhanges
geschickt und ungezwungen zu wahren. Wo ein
Auseinandersetzen mit unhaltbaren Ansichten und ihre
Zurückweisung oder Berichtigung notwendig werden,
geschieht dies in Ruhe und strenger Sachlichkeit. Die
typographische Ausstattung ist vortrefflich; die fast
ausnahmslos sehr gelungenen Abbildungen, deren
Auswahl gut und glücklich getroffen ist, kommen dem
Verständnisse der Darlegungen Zimmermann's und
ihrer Überzeugungskraft wesentlich zu statten. So
verdient der erste Band von Zimmermann's „Giotto
und die Kunst Italiens im Mittelalter", dessen Be-
nützung ein gutes Register erleichtert, die volle Be-
achtung der Fachkreise überhaupt und insbesondere
jener Forscher, welche ihre Aufmerksamkeit der Auf-
hellung der byzantinischen Frage oder der Entwicklungs-
geschichte der mittelalterlichen Malerei in Italien zu-
wenden. Sie werden darin reiche Belehrung und
selbst dort, wo sie schönen Ergebnissen nicht rück-
haltlos beistimmen können, fruchtbare Anregung zur
Vermittlung besserer Erkenntnis, überall jedoch den
ernsten Willen des Verfassers finden, mit einem grossen,
weit verstreuten und verschiedenartigen Materiale eine
wirklich grosse Aufgabe kunstgeschichtlicher Forschung
zu lösen. Möge recht bald der zweite Band folgen,
in welchem Zimmermann zur Kennzeichnung der
Umstände, innerhalb welcher Giotto seine Kunst weiter-
führte, auch die gleichzeitige Plastik behandeln, dann
seine Wand- und Tafelbilder, die allgemeineren Ge-
sichtspunkte, den kulturgeschichtlichen, religiösen und
sittlichen Gehalt seiner Kunst besprechen und mit einem
Überblick über die Malerei des unter seinem mächtigen
Einflüsse stehenden 14. Jahrhunderts schliessen will.

Prag. JOSEPH NEUWIRTH.

DIE FRÜHESTE ERWÄHNUNG GRÜNEWALD'S.

Da gegenwärtig, wenn auch nur indirekt, die
Aufmerksamkeit auf den Namen Grünewald's hinge-
lenkt ist, erscheint vielleicht folgende Notiz nicht un-
willkommen.

Man liest überall die Angabe, dass der grosse
Meister merkwürdigerweise von keinem seiner Zeit-

genossen genannt werde. Als die früheste Erwähnung
wird die durch Jobin vom Jahre 1573 bezeichnet. Es
wurde indes bisher übersehen, dass Melanchthon
Grünewald einmal mit Dürer und Cranach zusammen-
stellt. In seinen Elementa rhetorices zieht er nämlich
zur Verdeutlichung der drei Stilgattungen des genus
grande, humile und mediocre einmal die Malerei in
folgender Weise heran: „in picturis facile deprehendi
hae differentiae possunt. Durerus enim pingebat omnia
grandiora et frequentissimis lineis variata. Lucae (d. i.
Cranach) picturae graciles sunt, quae etsi blandae sunt,
tarnen quantum distent a Dureri operibus collatio
ostendit. Matthias (d. i. Grünewald) quasi medio-
critatem servabat."

Danach hat man Grünewald, den später Sandrart
staunend einen „verwunderlichen hochgestiegenen
Meister" nennt, zu seinen Lebzeiten immerhin in
weiteren Kreisen als eine hervorragende künstlerische
Kraft geschätzt, wenn man auch seine ungewöhnliche
malerische Begabung wohl kaum überall gewürdigt
haben wird, wie denn auch vorliegendes Urteil, das
ihn in der Rangordnung zwischen Dürer und Cranach
stellt, seiner wahren Bedeutung ebenfalls wenig gerecht
wird. Doch sei, damit man bei dem genus mediocre
nicht zu niedrig greift, daran erinnert, dass Melanchthon
etwas später sagt: „medium genus vix a grandi discerni
potest".

Die interessante Stelle, auf die ich durch ein
gelegentliches Citat aufmerksam wurde, das ihre Be-
deutung für die Kunstgeschichte indes nicht weiter
würdigte, findet sich, wie sich ergab, zuerst in der
Ausgabe der „elementorum rhetorices libri duo" vom
Jahre 1531 in dem letzten Kapitel.

Als ich den Vergleich kennen lernte, dachte ich,
dass man nun vielleicht das Todesjahr des Meisters
etwas näher würde bestimmen können, denn der Abriss
der Rhetorik von 1531, in dem er durch „servabat"
als nicht mehr lebend bezeichnet ist, war nicht die
erste von Melanchthon herrührende Bearbeitung dieser
Materie. (Über die verschiedenen Bearbeitungen Corpus
reformatorum ed. Bretschneider et Bindseil T. XIII.
p. 412 sq.) Es galt also nachzusehen, ob und in
welcher Weise in den früheren Abrissen von den
Malern die Rede wäre. Leider war das Resultat, wie
oben angedeutet ist, ein rein negatives. Auf einge-
zogene Erkundigungen hin erhielt ich die Auskunft,
dass in den älteren mit dem Jahre 1519 beginnenden
Bearbeitungen, die zum Teil sehr selten geworden
sind, jener Vergleich sich nirgends findet. Dass der
Abriss Cöln 1523 bis jetzt nicht aufzutreiben war, ist
sicher von keinem Belang, da dessen Strassburger Ab-
druck vom Jahre 1524 den Passus nicht enthält. Durch
unsere Stelle wird also lediglich die bisherige An-
nahme bestätigt, dass Grünewald um 1530 nicht mehr
am Leben gewesen sei.
 
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