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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

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Valentin, Veit: Eduard von Steinle's Briefwechsel mit seinen Freunden, [1]: ein Beitrag zur Charakteristik Steinle's
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https://doi.org/10.11588/diglit.5771#0097

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

HERAUSGEBER:

Professor Dr. Max Go. Zimmermann

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Gartenstrasse 15

Neue Folge. XI. Jahrgang.

1899/1900.

Nr. 12. 18. Januar.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur . Zeitschrift für bildende Kunst» und zum • Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
h&ndluag keine Oewähr. Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasen-
ste i n & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

EDUARD VON STEINLE'S BRIEFWECHSEL MIT
SEINEN FREUNDEN

Ein Beitrag zur Charakteristik Steinle's
von Veit Valentin

Den grossen Meistern der neuen romantischen
Richtung der deutschen Kunst zu Anfang unseres
Jahrhunderts ist es eigen, dass sie auch mit der
Feder vortrefflich umzugehen wissen. Bei ihrem
reichen geistigen Leben, wie es bei solchen Voraus-
setzung ist, die bedeutsame neue Wege einschlagen
und dies mit vollem Bewusstsein thun, und die eben
darum sich über die Gründe ihres Auftretens klar
sind, ist es selbstverständlich, dass sie diesem geistigen
Gehalt auch in ihren schriftlichen Äusserungen ent-
sprechenden Ausdruck verleihen, der sich nicht bloss
auf Mitteilung ihres Innenlebens beschränkt, sondern
auch ein Abbild ihres Urteils über Gleich- und
Andersgestimmte zu geben weiss. Es bilden daher
die Briefe dieser Männer einen wichtigen Bestandteil
der wissenschaftlichen Erforschung ihrer Zeit. So
ist es bei Cornelius und Schnorr von Carolsfeld, so
bei Veit, bei Overbeck und Führich: überall gewähren
gerade die Briefe einen willkommenen Einblick in
das Streben und Ringen der Künstler und helfen die
Ziele erkennen, die sie erstrebten. Es war daher
nur gerechtfertigt, dass man in hohem Masse ge-
spannt war, als das Erscheinen der Briefe des letztver-
storbenen grösseren Meisters dieser Richtung an- ;
gekündigt wurde: sie sind nun da und — man legt
sie im Grunde ziemlich enttäuscht aus der HandJ).

1) Eduard von Steinle's Briefwechsel mit seinen
Freunden. Herausgegeben und durch ein Lebensbild ein-
geleitet durch Alphons Maria von Steinle. I. Band. Mit
9 Lichtdrucken Vlll, 510 S. II. Band. Mit 10 Lichtdrucken.
Anhang: Chronologisches Verzeichnis der Werke Steinle's.
516 S. 8". Freiburg i./B. Herdersche Verlagsbuchhandlung.
Korrespondenten: I. Steinle's Vater; Joseph Turnier; Jo-
hannes und Flora Veit; Friedrich Overbeck; Moritz August
Freiherr v. Bethmann-Hollweg; Dr. J. F. Ii. Schlosser und
Frau Sophie Schlosser; Wilhelm Molitor. II: Clemens
Brentano, Antonie Brentano und Josephine Brentano.
P. J. B. Diel S. J. und P. Willi. Kreiten S. J.; Emilie
Linder; August Reichensperger; Freiherr Adolf v. Brenner.

Zwar ist auch Steinle ein vortrefflicher Schreiber
seine Briefe sind als Briefe meisterhaft; sie sind auch
gehaltvoll und sprechen unverhohlene Urteile über
die Zeit und ihre Bestrebungen aus: aber von
einem künstlerischen Ringen in dem Sinne des
Suchens nach einem hohen Ziele ist keine Rede —
schon der Jüngling ist fertig, und ohne Schwanken
geht er sicheren Schrittes auf sein früherkanntes Ziel
los: alles Ringen und Kämpfen gilt diesen oder jenen
Aufträgen, wobei er sich in hohem Masse klug und
geschäftsgewandt zeigt, niemals aber der Überwindung
irgend eines künstlerischen Konfliktes, in den die
suchende Seele des Künstlers leicht gerät, und gerade
da am meisten und leichtesten gerät, wo der leiden-
schaftliche Schaffensdrang das noch ungeklärte Sehnen
nach einer sicheren Lebensauffassung in der Brust
wogen und gären lässt. Steinle hatte das Glück
oder das Unglück — je nach dem eignen Stand-
punkte wird es der Leser so oder so bezeichnen —,
von frühester Jugend auf alles Kampfes um die Er-
ringung einer Grundauffassung des Lebens enthoben
zu sein: er giebt sich vertrauensvoll der Leitung
seiner Kirche hin, die für ihn »die« Kirche ist, und
geht mit dem unerschütterlichen Glauben an ihre ab-
solute, jeder Möglichkeit eines Zweifels ent-
zogene Unfehlbarkeit sicheren Weges durch Leben
und Kunst: gleich einer undurchdringlichen Scheu-
klappe sichert sie ihn gegen jeden unrichtigen Schritt,
gegen jede Überraschung, jedes Schrecknis, das am
Wege drohend sich erheben könnte, und alle Be-
ängstigungen, alle Skrupel, aber freilich auch alles
Begeisternde, alles Entflammende des Seelenkampfes
prallt wirkungslos von dem sicheren Augenschutz
zurück, er selbst als Künstler ein Gegenbild seiner
heiligen Euphrosyne, die ihrem Glauben fest ver-
trauend, unbehelligt von den verlockenden Dämonen
ihres Weges zieht. So entbehrt er mit dem Kampfe das
erhebende Gefühl des Selbsterrungenen und beugt das
Kunstbewusstsein, wo es sich regen möchte, sofort mit
fester Hand unter die Demut, die freilich, wenn sie so
vollkommen vorhanden gewesen wäre, wie sie aus-
gesprochen wird, echtes künstlerisches Schaffen hätte
 
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