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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 12.1901

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Neuwirth, Josef: Der kunsthistorische Kongress in Lübeck, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5772#0010

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Der kunsthistorische Kongress in Lübeck.

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erreichte in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts
ihren Höhepunkt. Um Ordnung in das vorhandene
Material zu bringen, ist es wünschenswert, bestimmte
Künstlerpersönlichkeiten festzustellen. Da lassen sich
als die beiden bedeutendsten Maler aus den letzten
Jahrzehnten des Jahrhunderts Herman Rode und Beruh.
Notke erkennen. Der Name Herman Rode ist in
Verbindung zu bringen mit einer Bildergruppe, die
sich an den 1484 gestifteten Lukasaltar der Maler-
brüderschaft anschliesst, doch lässt sich auch ein
Jugendstadium seiner Kunst in einem Stockholmer
Hochaltar und seine späte Zeit in einem Lübecker
Werke nachweisen. Der zweite Maler, Beruh. Notke,
ist zunächst in Urkunden zu finden, die ziemlich aus-
führlich über ihn berichten. Danach ist sein Haupt-
werk der Altar im Dome zu Aarhus von 1479, nach
dem ihm und seiner Werkstatt auch andere Bilder in
Lübeck zugeschrieben werden können. Auch die
Frage ist in Betracht zu ziehen, ob von ihm nicht
die Illustrationen der Lübecker Bibel von 1494 ge-
zeichnet sind, da sich darin vielerlei Übereinstim-
mungen mit seinen Malereien finden. Rode und
Notke stehen zu einander im Gegensatz, Rode ist
weichlicher, schematischer, malerischer, besser in der
Landschaft und sorgfältiger, Notke energischer, natu-
ralistischer, plastischer. Er hat seine Gesellenzeit
nicht in Lübeck verbracht und seine Kunst vielleicht
am Mittel- oder Oberrhein erlernt, wohin sein Stil
zu weisen scheint. Beide Künstler treten am Anfang des
16. Jahrhunderts zurück gegenüber dem stärker wer-
denden Import niederländischer Kunstwerke.« Reicher
Beifall lohnte die durch reiches und gut gewähltes
Abbildungsmaterial unterstützten Darlegungen des ge-
wiegten Kenners Lübecker Malerei. In der an den
Vortrag anschliessenden Diskussion teilte Herr Reichs-
antiquar Dr. Hildebrandt-Stockholm mit, dass der
Georgsaltar des Stockholmer Museums, der nach der
Überlieferung als Antwerpener Arbeit galt, nunmehr
urkundlich einem Lübecker Meister zuweisbar sei,
während Herr Geheimrat Prof. Dr. Schlie-Schwerin
darauf aufmerksam machte, dass der Altar in Grabow
drei Hamburger Meistern zufalle.

Der Vermittlung seiner bedeutenden Ergebnisse
auf dem Gebiete der mittelalterlichen Backsteinbau-
kunst wandte sich Herr Dr. Stiehl, Privatdozent an
der technischen Hochschule in Charlottenburg, zu in
seinem Vortrage »Die Ansätze zu mittelalterlicher
Backsteinbaukunst und ihre Beziehungen zueinander«.
Der Vortragende stellte in seiner reichen Denkmäler-
kenntnis, indem er fast an alle beachtenswerteren
Schöpfungen dieser gerade auch auf Lübecker Bo-
den verschiedenartige Erscheinungsformen bietenden
Kunstweise anknüpfte, eine Fülle ansprechender That-
sachen zusammen, welche gewissermassen als eine
Auslese des Besten und Interessantesten aus den be-
kannten Publikationen des Vortragenden betrachtet
werden konnte. Auch hier kam ein reichhaltiges und
instruktiv gewähltes Abbildungsmaterial der überzeu-
genden Kraft des Wortes zu statten.

Vor ein bekanntes Lübecker Originalkunstwerk,
nämlich den vielgenannten Olafaltar aus der Marien-

kirche, der zu diesem Zwecke in den Verhandlungs-
saal geschafft worden war, führte Herr Dr. Theodor
Gaedertz d. ä. die Versammlung. Seine Ausführungen
knüpften, an die vor kurzer Zeit ganz unerwartet er-
folgte Entdeckung des Meisters an, als welcher aus
den Lübecker Niedern-Stadtbüchern durch Herrn Dr.
Fr. Bruns nach einer Eintragung vom 9. Oktober
1522 der Maler Johann Kemmer festgestellt wurde.
Das Werk desselben, dessen Ausführung von 1522
bis 1524 erfolgte, gehört der Blütezeit lübeckischer
Kunst an und rückt seinen Meister unter die hervor-
ragenden Renaissancekünstler des Nordens. Gaedertz
würdigte unter gespanntester Aufmerksamkeit der Fach-
genossen die Stellung Kemmer's zu Lukas Kranach
d. ä., ging auf die Pseudo-Grünewaldfrage ein und
kam zu dem Ergebnisse, dass der von Flechsig mit
Hans Cranach identifizierte Pseudo-Grünewald »jetzt
durch einen günstigen Zufall in dem Lübecker Maler
Johann Kemmer aufgefunden worden« sei. Diese
überraschende Feststellung wird gewiss dazu führen,
dass die in letzter Zeit viel diskutierte Frage einer
neuerlichen Revision unterzogen wird. Der reiche
Beifall, den die Ausführungen des hochbetagten, geistig
noch so frischen Kunstforschers fanden, war beredter
Ausdruck dafür, dass die Fachgenossen ihm mit
höchstem Interesse gefolgt waren.

Die Nachmittagsstunden waren der Besichtigung
der in Lübecks Kirchen und im Lübecker Museum
! enthaltenen Kunstschätze gewidmet, bei welcher die
! Herren Baudirektor Schaumann, Prof. Dr. Lenz, Staats-
archivar Dr. Hasse und Dr. Th. Hach in liebens-
würdigster Weise die Führung und Erklärung über-
nahmen. Ein gemeinsames Mittagsessen in der reizend
gelegenen Forsthalle vereinigte darauf die Festteil-
nehmer in zwanglosem Beisammensein.

Am zweiten Verhandlungstage kam als erster zum
Worte Herr Professor Dr. Clemen (Düsseldorf), Pro-
vinzialkonservator der Rheinlande, mit einem überaus
fesselnden und übersichtlichen Vortrage über »Organi-
sation der Denkmalpflege und die gesetzliche Regelung
des Denkmälerschutzes in Deutschland«. Der Redner
ging aus von der frühen Regelung, die der Denk-
mälerschutz in Lübeck (schon durch eine Verordnung
d. J. 1818) gefunden hatte, zu einer Zeit, die sonst
in Deutschland am meisten durch Zerstörung und
Vernachlässigung der wertvollsten Denkmäler ge-
schändet ist, und schilderte dann nebeneinander die
Entwicklung, die die Denkmalpflege in den wich-
tigsten deutschen Bundesstaaten genommen. Voran
steht Preussen, wo schon durch Schinkel 1815 eigene
Behörden und die Staatsaufsicht über alle Monumente
gefordert wurde, die aber erst 1823 und 1830 in
gewissem Umfange durchgeführt und durch die Ein-
setzung eines königlichen Konservators der Kunstdenk-
mäler im Jahre 1844 auf feste Füsse gestellt wurde.
Im Jahre 1875 ist dann den Provinzialverwaltungen
ein Teil der Denkmälerfürsorge übertragen, seit 1891
endlich ist durch die Einsetzung der Provinzialkon-
servatoren die Decentralisation durchgeführt worden.
Der Redner erläuterte dann eingehend die rechtliche
Grundlage des Denkinälerschutzes in Preussen, die
 
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