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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 12.1901

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Schleinitz, Otto von: Die Eröffnung des "Wallace-Museums" in London
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https://doi.org/10.11588/diglit.5772#0033

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

HERAUSGEBER:

Dr. Max Gg. Zimmermann

UNIVERSITÄTSPROFESSOR

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Gartenstrasse 15
Neue Folge. XII. Jahrgang. 1900/1901. Nr. 4. 1. November.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handlung keine Gewähr. Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasen-
stein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

DIE ERÖFFNUNG DES »WALLACE-MUSEUMS«
IN LONDON.

Seit Generationen waren die Marquis von Hert-
ford ebenso kunstsinnige wie eifrige Sammler. In
der Hauptsache wurde die vorliegende Kollektion von
dem dritten und vierten Marquis von Hertford ange-
legt. Letzterer vermachte sie an Sir Richard Wallace,
dieser an seine Gemahlin, und durch das Testament
von Lady Wallace wurde 1897 die britische Nation
zum Erben aller Kunstschätze eingesetzt, deren Wert
beiläufig auf 100 Millionen Mark taxiert ist. Als ein-
zige Bedingung hatte Lady Wallace verlangt, dass die
betreffende Sammlung ungeteilt in einer eigens dazu
hergerichteten Behausung untergebracht würde. Die-
sem Wunsche ist dadurch am besten Genüge geleistet,
dass »Hertford-House«, am Manchester - Square ge-
legen (in welchem die Kunstobjekte bisher aufbewahrt
wurden), in den Besitz der englischen Nation durch
Ankauf überging. Das schöne Palais wurde erweitert,
umgebaut und so hergerichtet, dass sämtliche Kunst-
schätze, wenn auch etwas gedrängt, so doch schliess-
lich dort Unterkunft finden konnten. In früheren
Zeiten lagerten nämlich viele Bilder und andere Ge-
genstände in »Hertford-House«, daselbst nicht nur
wie in einem Speicher, sondern schlimmer wie dies,
sie waren derart aufeinander getürmt und gepackt,
dass es sozusagen der letzte Moment war, um sie vor
Schaden zu bewahren.

Nachdem am 24. Juni die Besichtigung des Mu-
seums durch den Prinzen von Wales stattgefunden
hatte, wurde dasselbe am 25. Juni für das Publikum
freigegeben. Auf den Seiten der breiten Marmor-
treppen stehen die Büsten von Richard, Marquis von
Hertford und Sir Richard Wallace, während auf der
Mitte des Absatzes diejenige von Lady Wallace einen
geeigneten Platz fand. Ausserdem giebt- eine in die
Wand eingelassene Tafel kurz die Daten des Ver-
mächtnisses an.

Selbstverständlich könnten über diese Sammlung
ganze Bände kunsthistorischen Inhalts geschrieben wer-
den, aber auch für einen modernen Roman wäre aus-

giebiger Stoff vorhanden, da das romantische Element
hier nicht fehlt. In der Hauptsache war die Kollek-
tion von dem dritten Marquis von Hertford angelegt.
Dieser war der Sohn von Lord Jarmouth, den man
allgemein als Vorbild und Modell für Thackeray's
»Lord Steyne« und Disraeli's »Lord Monmouth« an-
nimmt. Die ersten litterarischen und künstlerischen
Grössen jener Zeit gingen in »Hertford-House« ein
und aus. Der vierte Marquis von Hertford lebte von
1842 bis zu seinem Tode 1870 unvermählt in Paris,
Rue Lafitte. Dieser benutzte einen Teil seines unge-
heuren Einkommens, um die vorhandenen Samm-
lungen beträchtlich zu erweitern. Er besass ausser
seinem Reichtum alle anderen nötigen Eigenschaften
hierzu: Zeit, Geschmack, Kenntnisse und Ausdauer.
Ein junger Mann, nur unter dem Namen »Monsieur
Richard« bekannt, verkehrte unausgesetzt im Hause.
Dieser besorgte mit grossem Verständnis als Agent
des Marquis alle Kunstankäufe und war überhaupt
vollkommen in dessen Pläne eingeweiht. Niemand
wusste, wer er eigentlich sei. Als der Marquis starb,
hinterliess er sein kolossales Vermögen dem jungen
Manne, dem später in England geadelten Sir Richard
Wallace. Mit dem Tode des Marquis und dem Ab-
leben von Sir Richard Wallace wurde das Geheimnis
begraben, denn keine der beiden Personen hat jemals
den Schlüssel für den bezüglichen Zusammenhang
geliefert.

Durch die summarische Aufzählung der Kunst-
schätze wird es sofort klar werden, dass die obige
Taxe durchaus keine übertriebene genannt werden
kann, und dass das neue Museum eines der bedeu-
tendsten Kunstinstitute der ganzen Welt ist. Es dürfte
möglich sein, dass sie in einzelnen Abteilungen, als Pri-
vatsammlung, von ähnlichen Kollektionen übertroffen
würde. Als Ganzes genommen konnte sich indessen
keine Privatgalerie mit ihr messen! Auf derselben
Höhe und Ausdehnung wie die Gemäldegalerie
stehen die Sammlungen in den andern Kunstzweigen,
so namentlich: alte Möbel, getriebene Gold- und Sil-
bergegenstände, darunter ein Satz von Silbervasen
nach Gouthiere, für die allein ein Vermögen offeriert
 
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