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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 12.1901

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Das neue Künstlerhaus in Leipzig
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https://doi.org/10.11588/diglit.5772#0049

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

herausgeber:
Dr. Max Gg. Zimmermann

UNIVERSITÄTSPROFESSOR

Verlag von e. a. seemann in Leipzig, Gartenstrasse 15
Neue Folge. xii. Jahrgang. 1900/1901. Nr. 6. 22. November.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handlung keine Gewahr. Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandiung die Annoncenexpeditionen von Haasen-
stein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

DAS NEUE KÜNSTLERHAUS IN LEIPZIG.

Wenn in bekannten Kunststädten wie München,
Berlin oder Amsterdam die Künstlerschaft sich ein
neues Repräsentationshaus baut, so nehmen weitere
Kreise das als eine selbstverständliche und erfreuliche
Äusserung wachsenden Kunstlebens hin.

Aber wenn im alten fleissigen, gelehrten und musi-
kalischen Leipzig mit einem Male ein stolzes Haus für
die bildenden Künstler errichtet wird, so erregt schon
das Faktum an sich eine ganze Blumenlese von höchst
verwunderten und naiven Fragen nach Grund, Zweck
und Existenzberechtigung des Unternehmens bei allen,
denen das Ereignis unvermittelt vor Augen tritt. Aber
in Wirklichkeit ist diese Kunsterscheinung gar nicht
so plötzlich und gewaltsam herbeigeführt, sondern
eher die Blüte einer gesunden und langsamen Ent-
wicklung. Seit 40 Jahren besteht der Leipziger
Künstlerverein und pflegte den Plan eines eignen
Heimes und sammelte dafür mit einer bei Künstlern
doppelt rührenden Beharrlichkeit allmählich die Summe
von 50 000 Mark. Und die Entscheidung brachte
jetzt das Zusammentreffen von schaffensfrohen und
geschickten Persönlichkeiten im Verein und günstige
äussere Verhältnisse, besonders das hier sichtlich er-
starkte Kunstleben, die rege und gediegene Bau-
thätigkeit in der überraschend schnell sich verjüngen-
den und verschönenden Stadt.

Eine ganze Reihe von jüngeren, aufstrebenden
Künstlern hat sich in den letzten Jahren in Leipzig
niedergelassen und fühlte natürlich viel intensiver wie
die schon ansässigen berühmten Kunstgenossen z. B.
Klinger, Seffner, Licht das Bedürfnis nach geschlos-
senem Auftreten und einer würdigen und wirkungs-
vollen Repräsentation. So erwuchs die Anregung
zum Bau aus den thatsächlichen Bedürfnissen und
wurde in der Ausführung durch frei und selbständig
schaffende Künstler, die hier pro domo et gloria mit
voller Hingebung wirkten, ein imponierendes Probe-
stück ihres Strebens und Könnens. Der Erbauer ist
der hiesige durch originelle Ausstellungsbauten be-
kannte Architekt Fritz Drechsler; der Vorsitzende des

Vereins. Sein Bauplan war in einer Konkurrenz 1899
mit dem ersten Preise ausgezeichnet und zur Aus-
führung bestimmt worden. — Das Haus liegt im
Westviertel an der Bosestrasse im Scheitel eines ein-
springenden Winkels und wird von zwei neuen, aber
ihm sonst in jeder Hinsicht fremden Mietspalästen
flankiert. Schon auf den ersten Blick hebt sich die
Fassade durch ihre starke Eigenart in Gliederung,
Formen und Farbe als etwas Besonderes hervor. Man
erkennt im Moment, dass hier ein absolut modernes
Kunstempfinden gewaltet hat und in neuer, aber un-
mittelbar verständlicher und anheimelnder Formen-
sprache zu uns redet. Die Breite der Fassade ist
verhältnismässig gering, nur 8,50 m, dagegen steigt
das Gebäude in fünf Stockwerken zu ansehnlicher
Höhe. Dem aufschauenden Blicke teilt sich die Höhe
in sieben horizontale Streifen: das Parterre, die fünf
Geschosse und die trommeiförmige Krönung, aber
mit erstaunlichem Raffinement sind die einzelnen Teile
erst selbständig charakterisiert, zugleich in Gruppen
geordnet und diese wieder in die Einheit des Ge-
samtbildes gebunden. Das Erdgeschoss in silber-
grauem Muschelkalk, wuchtig und von höchster Ein-
fachheit, wird symmetrisch von dem Haupteingang
und den zwei schmäleren, bis auf die Erde reichen-
den Fensteröffnungen durchbrochen und erhält dem-
nächst noch einen Schmuck in zwei Reliefplatten von
Klinger und Seffner. Vom Erdgeschoss erheben sich
an den äussersten Seiten kräftige Pylonen, die in
Kolossalköpfe nach dem Zeus von Otricoli und der
Hera Ludovisi auslaufen und die drei mittleren Stock-
werke als Hauptmasse zusammenfassen. Den reich-
sten Schmuck trägt natürlich die Stirnseite der Bel-
etage, die nach vorn den Speisesaal enthält. Die
drei rundeckigen Fenster mit siegellackrotem Rahmen-
werk sind von stilisiertem, vergoldeten Laubwerk in
Flachrelief umgeben, durch zwei Pilaster kräftig ge-
schieden und oben von drei figürlichen Reliefs ge-
schmackvoll begrenzt. Diese Reliefs, leider etwas
klein, aber an sich bis jetzt die vortrefflichsten am
ganzen Hause, sind von der Hand des hiesigen Bild-
hauers Hartmann und stellen die Pflege der Kunst
 
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