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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 12.1901

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Warncke, Paul: Wilhelm Leibl
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Brandt, Gustav: Zur Kenntnis der mittelalterlichen Schnitzaltäre Schleswig-Holsteins
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https://doi.org/10.11588/diglit.5772#0073

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

herausgeber:
Dr. Max Gg. Zimmermann

UNIVERSITÄTSPROFESSOR

Verlag von e. a. SEEMANN in Leipzig, Oartenstrasse 15

Neue Folge. XII. Jahrgang. 1900/1901. Nr. 9. 20. Dezember.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handlung keine Gewähr. Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasen-
stein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

WILHELM LEIBL f.

Am 4. Dezember ist in Würzburg Wilhelm Leibi,
56 Jahre alt, an einer Herzlähmung gestorben. Er
war als Sohn des Domkapellmeisters Leibi am
23. Oktober 1844 zu Köln geboren, wollte sich, mit
wahrhaft herkulischer Körperkraft ausgerüstet, ur-
sprünglich dem Schlosserhandwerk widmen, ging aber
mit 20 Jahren nach München, um sich der Malerei
zuzuwenden. Er studierte bei Piloty, vor allem aber
bei dem feinsinnigen Ramberg, der auf ihn zuerst
grossen Einfluss gewann, und stellte 1869 in München
sein erstes Bild aus, das seine Mitschüler Hirth du
Frenes und Haider, im Atelier einen Stich betrachtend,
darstellte. Schon damals wurde ihm die allseitige
Anerkennung zu teil, aber statt der goldenen, für
die er vielleicht »zu jung« schien, erhielt er die
bronzene Medaille. Es wird die für seine Körper-
kraft bezeichnende Thatsache erzählt, dass er die
Medaille vor den Augen der Preisrichter mitten
durchgebrochen und die beiden Teile ruhig in die
Tasche gesteckt habe. Ein Jahr darauf ward ihm
dann in Paris, wo er sich besonders an Courbet
anschloss, die goldene Medaille zu teil.

Bald kehrte er nach Bayern zurück und ging in
die Einsamkeit, aufs Land. Dort lebte er nach-
einander in drei Dörfern mehrere Jahre, zuletzt und
am längsten in Aibling. Er lebte unter den Bauern
wie einer ihresgleichen, das Getriebe da draussen
kümmerte ihn wenig; er war ein glücklicher Mensch,
der in seiner Kunst aufging und in ihr aufgehen
konnte. Seine Bilder, die zuerst im Ausland sehr
geschätzt wurden, erzielten fabelhafte Preise schon
früh, nicht erst in neuester Zeit, wo in Berlin auf
der ersten Secessionsausstellung sein meisterhaftes
Bild »Dorfpolitiker<, das bis dahin in Paris gewesen
war, für 80000 M. von einem Berliner Kunstfreunde
angekauft wurde.

Leibl's Kunst, von der in diesem Blatt während
des letzten Jahres häufig die Rede gewesen ist, be-
zeichnet den Gipfel des Realismus in Deutschland.
Mit nüchternem Verstände und unglaublich scharfem

Blick betrachtete dieser Mann die Natur, um sie dann
mit eiserner Geduld und Konsequenz festzuhalten.
Aber, wenn er nüchtern und beinahe handwerks-
mässig zu Werke ging — seine Bilder hatten nie
etwas Nüchternes, sie erscheinen nicht nur trotz aller
Feinheit im einzelnen breit und wuchtig hingestrichen,
sondern sie sind auch in Bezug auf Farbe und
ruhige Geschlossenheit unübertrefflich — kurz sie
sind, was sich selten genug mit Recht von einem
Gemälde sagen lässt, zeichnerisch ebenso grossartig
wie malerisch. Dabei übersah der Meister auch in
der Charakteristik über all dem Kleinen nie das
Grosse. Auf jenem Bilde der Bäuerinnen in der
Kirche ist jede Einzelheit, das Muster des Kleider-
rockes und des Brusttuches, das Holz des Kirchen-
gestühls, jede Falte im Gesicht der Alten aufs ge-
naueste wiedergegeben — und doch sind die grossen
Licht- und Schattenpartien des Gemäldes überaus
breit und wirkungsvoll, doch auch ist der Ausdruck
auf den Gesichtern meisterhaft, kurz das Ganze wie
das Einzelne so und nicht anders dargestellt, als es
in der Wirklichkeit erscheint. Leibi hat seine Bauern
einfach und überzeugend nachgeschaffen; er hat nie
komponiert; was er malen wollte, das malte er so,
wie es ihm gerade begegnete. Die Natur war seine
Meisterin, und er war der Meister der Natur. Mit
ihm ist einer der bedeutendsten Maler des 19. Jahr-
hunderts in das Grab gesunken.

PAUL WARNCKE.

ZUR KENNTNIS DER MITTELALTERLICHEN
SCHNITZALTÄRE SCHLESWIG-HOLSTEINS.

Unter den schleswig-holsteinischen Schnitzern war es
Hans Brüggemann lange Zeit allein, der die Aufmerksam-
keit der Freunde der Holzplastik für sich gewann. Er
fesselte das Interesse um so mehr, als man im übrigen
seinem Heimatlande nicht viel Kunstsinn zutraute und da-
her geneigt war, Schleswig - Holstein eine eigene Kunst-
entwicklung im Mittelalter abzusprechen. Mit Ausnahme
ganz primitiver Arbeiten hielt man alles, was an gotischem
Schnitzwerk begegnete, für niederländische Importware.
Denen, die sich eingehender mit schleswig-holsteinischer
 
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