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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 12.1901

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Brandt, Gustav: Zur Kenntnis der mittelalterlichen Schnitzaltäre Schleswig-Holsteins
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5772#0075

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133

Biicherschau.

134

soweit gehen, den Künstler unselbständig zu machen.
Matthaei stellt eine Verwandtschaft mit niederländischen
Arbeiten dabei durchaus nicht in Abrede, erklärt sie aber
nicht aus einer Abhängigkeit Brüggemanns, sondern erkennt
in ihr den natürlichen Ausdruck der Stammesverwandtschaft
und ähnlicher Entwicklungsbedingungen. (S. 92 u. 93).
Er hebt zutreffend die nicht unwesentlichen Verschieden-
heiten in der Auffassung und Behandlung des figürlichen
sowohl, wie des ornamentalen Teils am Brüggemann'schen
Altar einerseits, an den Werken niederländischer Meister
anderseits hervor. (S. 93 Abschn. 4). Das Massvolle,
Ruhige in der Auffassung der Scenen im Brüggemannaltar
wird der oft überlebendigen, zum Genrehaften neigenden
Darstellung niederländischer Altäre gegenübergestellt.

Noch einmal kommt Matthaei ausführlicher auf Brügge-
mann zurück, nämlich bei Behandlung des Altarschreins
aus der Goschhofkapelle im Thaulow-Museum (S. 181).
Er erörtert hier das Verhältnis der übrigen schleswig-
holsteinischen zeitgenössischen Altarplastik zu Brüggemann
und stellt, soweit überhaupt Beziehungen vorhanden sind,
drei Gruppen auf: die erste umfasst Werke, die Brügge-
mann's Geist atmen, eventl. von ihm selber sein könnten,
dazu rechnet er die Kreuzgruppe in Kotzenbüll, den heiligen
Georg in Kopenhagen und den Goschhofaltar; die zweite
Gruppe bilden die Werke , die so enge Beziehungen zu
Brüggemann aufweisen, dass man sie als Leistungeu seiner
Schüler ansprechen muss, dazu gehört das kleine Bordes-
holmer Altarblatt im Thaulow-Museum (S. 190.) (und der
sogen. Haderslebener Altar im Museum vaterl. Altertümer
in Kiel?) In die dritte Gruppe weist Matthaei diejenigen
Arbeiten, die, obwohl von gänzlich anderem Kunstcharakter
dennoch nicht ohne Beeinflussung durch Brüggemann
entstanden sein können, wie die Altäre zu Meldorf, Gelting,
Leck, Tetenbüll (und die Reste des Altars aus Wandsbeck
im Museum vaterl. Altertümer in Kiel?) — Den Segeberger
Altar spricht Matthaei dagegen trotz der ausdrücklichen
gegenteiligen Behauptung in Heinrich Ranzau's Descriptio
chersonnesi cimbricae« Brüggemann ab. Und man wird
ihm darin Recht geben müssen. (S. 187 Abs. 2.)

In dem folgenden Abschnitt (S. 97—123) des Buches
werden die nicht datierten Altäre in die Chronologie
eingereiht auf Grund des Ergebnisses aus der Prüfung
der datierten oder von vornherein durch Ornament, Zeit-
tracht u. s. w. festgesetzten Werke. Tabellen und Über-
sichten veranschaulichen die gewonnenen Resultate. 116
Altäre werden auf diese Weise annähernd sicher datiert.

In dem Kapitel: »Der Entwicklungsgang der Schleswig-
Holsteinischen Altarplastik« (S. 123—i5i)wird das Ergebnis
aus den bisherigen Untersuchungen zusammengefasst.
Der Autor kommt dabei zu folgendem Schluss:

»Die Thatsache, dass die Entwicklung, die wir an
den schleswig-holsteinischen Altären verfolgten, sich in
wesentlichen Zügen mit dem Bilde deckt, das wir aus
dem kulturgeschichtlichen Überblicke (S. 19—32) gewannen,
die nachgewiesene lokale Vorliebe für gewisse Stoffe und
Anordnungen, die Abweichungen von den Wandlungen
der gleichzeitigen Lübecker Plastik, das Auftreten eines be-
stimmten offenbar heimischen Kopftypus, das plötzliche Über-
wiegen handwerksmässiger Arbeiten seit etwa der Mitte des
15. Jahrhunderts, das urkundlich gesicherte Vorkommen
von Snitkern im Lande seit dem Ende des Jahrhunderts
und endlich der Umstand, dass auch in Dänemark Altäre
vorkommen, die wir übereinstimmend mit Beckett für
schleswig-holsteinischen Ursprungs halten müssen — das
alles zwingt uns dazu, bei der riesigen Masse der im Lande
vorhandenen Schnitzwerke trotz des Mangels an Archivalien
eine einheimische Bildschnitzschule anzunehmen, die sich

seit der Mitte des 15. Jahrhunderts bis zu der Blüte Brügge-
mann's entwickelt hat«. (S. 147).

Das Entwicklungsbild, welches sich dem Verfasser
ergiebt, ist:

1. In der Frühzeit bis in die zweite Hälfte des 14. Jahr-
hunderts überwiegt die Kunstthätigkeit im Schles-
wig'schen unter fremdem Einfluss, allerdings wohl
weniger angelsächsischem, wie der Verfasser meint,
als nordischem.

2. In der Friedensperiode unter dem Grafen Claus nach
J375 bis Anfang des 15. Jahrhunderts treten auch in
Holstein, und zwar in der Nachbarschaft Lübecks,
Schnitzältäre auf, die aus oder über Lübeck einge-
führt sein mögen.

3- In den letzten Jahren der fürstlichen Regierung
Adolfs VIII. und zunächst noch unter seinem Nach-
folger (um die Mitte des 15. Jahrhunderts) dürfte
sich eine einheimische Snitkerschule entwickelt haben,
die das Land mit einer auffallend grossen Zahl mehr
handwerksmässig gearbeiteter Altäre versorgte.

4- Um die Wende des 15. Jahrhunderts entwickelten
sich aus den einheimischen Snitkerschulen unter
starkem Zuströmen oberdeutscher, aber auch nieder-
ländischer Einflüsse verschiedene Meister, die sich
teils um Hans Brüggemann aus Husum gruppieren
und Werke von hoher künstlerischer Bedeutung
schaffen, teils sich dem Kunstcharakter Claus Berg's
nähern, teils endlich stärker ausgesprochene nieder-
ländische Einflüsse zeigen, wie z. B. der Segeberger
Altar. Dabei kann ein Import in gewissen Grenzen
fortbestanden haben.

Der dritte Teil des Buches endlich giebt auf Grund
der gewonnenen Ergebnisse eine Katalogisierung der gothi-
schen Abteilung des Thaulow-Museums — hierbei in
einzelnen Teilen unter Mitarbeit des Direktors des Museums,
Dr. Georg Haupt — und macht so zuerst einem grösseren
Kreise die hier gesammelten wertvollen Schätze zugänglich.
Als besonders bedeutungsvoll mag auf den Altar in Neu-
kirchen i. O., den oben bereits erwähnten Goschhofaltar,
das Mittelfeld des Haselauer Altars und die interessanten
Wappenhalterfiguren Adam und Eva aufmerksam ge-
macht sein.

Zahlreiche Tabellen, Schemata und durchweg gute,
teilweise nach Zeichnungen von Fürst und Henriette Hahn
reproducierte Illustrationen tragen dazu bei, die Klarheit
und Übersichtlichkeit des Gebotenen zu erhöhen.

Im Vorwort stellt uns der Verfasser eine auch die
Einzelfiguren der behandelten Epoche umfassende Publi-
kation in Aussicht. Es ist ein Tafelwerk grösseren Stils,
wie es Beckett in den »Altertavler i. Danemark fra den
senere Middelalder« für Dänemark giebt, geplant. Nach
dem hier Vorliegenden dürfen wir mit Recht auf dieses
Werk gespannt sein. gustav Brandt.

BÜCHERSCHAU

Walhall, Die Götterwelt der Germanen von E. Doepler d.j.
und Dr. W. Ranisch. Berlin, Martin Oldenbourg. 20 Mark.
Als ein Weihnachts-Prachtwerk stellt sich dieses Buch
vor; denn jede Seite prangt im Schmuck reichsten Farben-
druckes, den Text einrahmend, umschlingend, erläuternd.
Die Bilder sind nach Doepler's Originalen reproduziert
und zeigen wieder aufs neue dessen Begabung für solche
historisch-dekorativen Aufgaben. Der Text ist unterhal-
I tend und belehrend, das Ganze ein rechtes Geschenkbuch.
 
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