Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 12.1901

DOI Artikel:
Gram, Johan: H. W. Mesdag: zum 23. Februar 1901
DOI Artikel:
Schmidt, Karl Eugen: Pariser Brief, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5772#0130

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
243

Pariser Brief.

244

»Gemälde«, in welchen vorzüglich die meisterhafte
Ausführung und die kunstfertige Technik zu be-
wundern ist. Mesdag's unbefangenes, vorurteilfreies
Künstlerauge misst das ewig-unruhige, ewig-ab-
wechselnde Meer und reproduziert es mit solch er-
greifender Wahrheit, dass der frische Seewind den
Zuschauer anweht und er das salzige Nass zu riechen
meint.

Seit Mesdag im Jahre 1870 von der Pariser Jury,
zu der auch Millet gehörte, als unabhängiger Künstler
gekrönt wurde, hat sein fruchtbarer Geist nicht ge-
ruht. Die Nordsee ist von ihm in all ihrem Licht
und Schatten, in ihrem wilden Ungestüm, wie in j
ihren lieblichsten und holdesten Stimmungen darge- !
stellt worden. Seine in Paris gekrönte Brandung
gab eine wühlende See bei grauem Wetter mit
schäumendem Wellenschlag, doch ohne weitere Staffage.
Das Bild imponierte durch seine Einfachheit und
Wahrheit.

1876 sandte Mesdag wieder zwei Bilder zur
Pariser Ausstellung, überwältigend und kühn. Auf
dem ersten Bilde, wo Sturmwetter in Luft und See
meisterhaft ausgedrückt ist, sieht man am Horizont
ein Fahrzeug in Not. Am Strande eine dunkle
Menschenmasse, ängstlich zusammengekauert, das
Rettungsboot wird hinausgetragen.

Auf dem zweiten Bilde ist die Sonne am Unter-
gehen; das Sturmwetter beruhigt sich und ein Streifen
Blau kommt hinter schweren Wolken zum Vorschein. 1
Das Rettungsboot kehrt zurück; die Geretteten werden
am Strande von den erregten Fischersleuten willkommen j
geheissen.

Bis ins Unendliche versteht Mesdag es, die von j
ihm angebetete Herrscherin in allen Zuständen wieder-
zugeben. Wie er Dorf Scheveningen, Strand und
Meer liebt, hat er gezeigt durch sein Panorama,
dessen Ausführung ihm von einer belgischen Ge- ;
Seilschaft in Auftrag gegeben war. Im Jahre 1881
führte der Künstler den Plan aus, und im August
konnte das Panorama in der »Zeestraat« im Haag
in der Nähe des Wohnsitzes Mesdag's, eingeweiht
werden.

Die Tausende von Besuchern waren erstaunt
von der verblüffenden Nachahmung der Wirklichkeit.
Trotz der unmittelbaren Nähe der dargestellten
Scenerie wurde es von allen warm gepriesen.

So hat sich die Popularität Mesdag's ständig
vermehrt. Im Kunstverein Pulchri Studio, dessen
Vorsitzender Mesdag seit 1889 permanent ist, darf
man ihn die treibende Kraft nennen. Für Fremde
und Einheimische ist sein Museum neben seiner
Wohnung, mit seinen reichen Schätzen moderner fran- |
zösischer Kunst (Daubigny, Corot, Millet, Rousseau,
Courbet u. s. w.), immer zugänglich.

Mit Auszeichnungen, Ritterkreuzen verschiedener
Regierungen beschenkt, mit einer begabten Frau an
seiner Seite, deren Kunstrichtung sich in Auffassung
und Streben zur seinigen fügt, überall geehrt und
gesucht, darf der eminente Künstler Mesdag heute,
an seinem siebzigsten Geburtstag, einen befriedigten

und dankbaren Rückblick werfen auf eine Laufbahn,
so ruhmreich und so merkwürdig wie die seinige.

Haag, Februar 1901. Johan Gram.

PARISER BRIEF

Der Cercle artistique et litteraire in der nie Volney
veranstaltet alljährlich eine Kunstausstellung, die man
gewissermassen als Einleitung des zwei oder drei
Monate später folgenden grossen Salons bezeichnen kann.
Neues wird in diesen Ausstellungen nicht geboten, sondern
man trifft da lauter bekannte und zur offiziellen Kunst
gehörige Namen. Am besten sind immer die Porträtisten
vertreten, einmal, weil der beschränkte Raum nur die Auf-
nahme von Werken bescheidenen Umfanges gestattet, und
dann, weil der Cercle Volney in der Pariser Gesellschaft
mitzählt, und es somit ganz natürlich ist, dass die offiziellen
Porträtisten der eleganten Damen und Herren der Ge-
sellschaft hier eine Hauptrolle spielen. Obgleich nun zu
diesen offiziellen Meistern des Bildnisses mehrere Künstler
gehören, über deren wirkliche Begabung kein Zweifel
herrscht, können uns ihre Arbeiten, zumal wenn man gleich
einige zwanzig oder dreissig beisammen sieht, doch nur
wenig interessieren. Es scheint, dass bei der Porträtierung
der Herren und Damen der feinen Gesellschaft die Routine
die Hauptsache ist. Es kommt weniger auf geistreiche
Auffassung der Persönlichkeit und des Charakters als viel-
mehr auf eine gewisse banale Ähnlichkeit an, und manche
dieser Modemaler stellen nicht sowohl Menschen als elegant
gekleidete Gliederpuppen dar. Indem ich die weniger
bedeutenden dieser Hofmaler der Pariser Gesellschaft mit
Stillschweigen übergehe, erwähne ich Carolus Duran, den
man einst mit Velasquez verglich und der in den letzten
Jahren von seiner früheren Höhe bedeutend abwärts ge-
glitten ist. Sein diesjähriges Damenbildnis ist eine der
besten Arbeiten, die wir von ihm in den letzten Jahren
gesehen haben, kommt aber bei weitem nicht der Dame
im schwarzen Seidenkleid im Luxemburg gleich. Benjamin
Constant schwelgt seit einigen Jahren in citronengelben
und herbstlich goldbraunen Tönen, die bei den Bildnissen
der Königin Victoria von England und des Herzogs von
Aumale ganz angebracht waren, bei dem jetzt ausgestellten
Porträt eines jungen Mädchens aber weniger am Platze
sind. Ferdinand Humbert kann seinen feinen Farbensinn
niemals verleugnen, nähert sich aber in seinen beiden
Damenbildnissen bedenklich der konventionellen Porträt-
kunst, und Bonnat ist auch schon in einem Alter, wo man
sich über Wiederholung und Stillstand nicht beklagen darf.
Ein ganz ausgezeichnetes Porträt seines Vaters, des be-
rühmten Malers Jean Paul Laurens, hat Paul Albert Laurens
geschickt, und an dieser Arbeit sieht man so recht, dass
jugendliche Frische und Kraft die technische Wissenschaft
der alten Herren reichlich aufwiegen. Jean Veber, den
man im Anfange seiner Laufbahn nur als Karikaturisten
kannte, hat sich schon seit längerer Zeit als einen der
ersten unserer kleineren Meister dargethan: er versteht es,
den schon tausendmal behandelten Themen eine neue
humoristische oder satirische Seite abzugewinnen, und da
er zugleich ein hervorragender Kolorist ist, finden seine
Arbeiten mehr und mehr die ihnen gebührende Beachtung.
Sein »Adam und Eva« zeigt uns den in Gestalt eines
zottigen Satyrs auf allen Vieren kriechenden Urmenschen,
der gierig den von der lüsternen Eva hingereichten Apfel
beschnüffelt. Ringsum drängen sich die Tierpaare, denen
im nämlichen Augenblick wie den Menschen der Unter-
schied zwischen Gut und Böse klar wird, und die nun
sämtlich sich zu den Freuden der Liebe bereiten. In ähn-
 
Annotationen