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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 12.1901

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Seeck, Otto: Zu dem Werke des Hubert van Eyck
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https://doi.org/10.11588/diglit.5772#0137

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

HERAUSGEBER:

Dr. Max Gg. Zimmermann

UNIVERSITÄTSPROFESSOR

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Gartenstrasse 15
Neue Folge. xii. Jahrgang. 1900/1901. Nr. 17. 28. Februar.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handlung keine Gewähr. Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasen-
stein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

ZU DEM WERKE DES HUBERT VAN EYCK

Von Otto Seeck

Neuerdings hat diese Zeitschrift einen kurzen, aber
inhaltreichen Aufsatz von James Weale gebracht, durch
welchen er den künstlerischen Nachlass des Hubert
van Eyck festzustellen sucht. Meine kürzlich er-
schienene Arbeit, die sich die gleiche Aufgabe stellt,
war dem Verfasser noch unbekannt geblieben. Um
so mehr freut es mich, dass seine Ergebnisse zum
grössten Teil mit den meinen zusammenfallen. Die
beiden Madonnen mit dem Karthäuser hatte Tschudi
den allerletzten Jahren des Jan van Eyck (f 1440),
Kämmerer gar dem Petrus Christus zugeschrieben;
ich hatte sie in die Frühzeit Hubert's gesetzt.1) Jetzt
weist Weale den Stifter in Hermann Steenken nach,
der schon 1402 in so reifen Jahren stand, um zum
Vicar seines Klosters bestellt zu werden, und am
23. April 1428 starb, wodurch meine Bestimmung
der Zeit und damit doch wohl auch des Meisters

1) Die charakteristischen Unterschiede der Brüder van
Eyck. Abhandlungen d. kgl. Gesellschaft d. Wissenschaften
zu Göttingen. Philologisch-historische Klasse. Neue
Folge, Bd. 111 1. S. 15. Dass Weale die Berliner Madonna
eine Replik oder Kopie der Rothschild'schen nennt, kann
wohl nur auf einem Versehen beruhen. Denn die beiden
Bilder haben nichts miteinander gemein, ausser der Per-
son des Stifters, und auch dessen Porträt erscheint auf ihnen
in verschiedenem Alter, ist also nicht kopiert oder auch
nur wiederholt, sondern beide Male nach der Natur gemalt.
Auch jene vielbesprochene Inventarnotiz von dem Gemälde
des »Rupert van Eyck«, das eine Mutter Gottes mit dem
heiligen Bernhard und einem Engel darstellen soll, lässt
sich wohl auf die Berliner Madonna deuten, aber niemals,
wie Weale es thut, auf die Rothschild'sche. Zwar zeigen
beide einen weissgekleideten Mönch, den ein flüchtiger
Beschauer für den heiligen Bernhard halten mochte. Aber
nur in Berlin besitzt die heilige Barbara jenes knabenhafte
Aussehen, das die Erklärung dafür bietet, wie man in ihr
einen Engel erblicken konnte; auf dem Pariser Gemälde
sind die begleitenden Gestalten ganz unverkennbar weib-
liche Heilige, und auch wenn eine Täuschung über ihren
Charakter denkbar wäre, könnte doch höchstens von zwei
Engeln, nicht von einem die Rede sein.

ihre endgültige Bestätigung findet. Denn der Mönch
erscheint auf dem einen Bilde noch recht jung, auf
dem anderen im kräftigsten Mannesalter; keines von
beiden kann also sehr lange nach 1410 entstanden
sein. Ich hatte die Vermutung zu begründen ver-
sucht, dass Petrus Christus der Schüler des älteren,
nicht, wie man bis jetzt annahm, des jüngeren van
Eyck gewesen sei (S. 15). Weale bringt ein Zeug-
nis bei, wonach das Kopenhagener Stifterbildnis mit
dem heiligen Antonius, das man, wie ich noch immer
glaube, mit Recht dem Petrus Christus zuschreibta),
sich 1426 in Hubert's Werkstatt befand; dort muss
also der Maler des Bildes in Arbeit gestanden haben.
Auch dass Hubert in Italien gewesen sei, konnte ich
nur vermuten (S. 11); Weale belegt es mit schla-
genden Gründen und erkennt, wie ich, in dem Ber-
liner Crucifixus italienische Einflüsse. Von den acht
Nummern, die er dem Meister zuweist, kehren sieben
auch in meinem Verzeichnis wieder (S. 68). Wenn
zwei Forscher, die nichts von einander wissen, auf ganz
verschiedenen Wegen zu so ähnlichen Resultaten ge-
langen, so bietet dies wohl die beste Gewähr für die
Richtigkeit derselben.

Wenn mein Verzeichnis beträchtlich umfangreicher
ist als das Weale'sche, so ist dies zum Teil dadurch

2) Im landschaftlichen Hintergrunde, namentlich in
der Behandlung der Felsen und der Vegetation, schliesst
sich das Bild an den heiligen Franciscus in Turin an;
aber gerade der Vergleich der beiden Landschaften zeigt
am allerdeutlichsten, dass die eine das Werk eines grossen
Künstlers, die andere nur leidliche Nachahmung ist. Wenn
trotzdem das Kopenhagener Gemälde die anderen Leistungen
des Petrus Christus überragt, so wird dies daran liegen,
dass es noch unter den Augen Hubert's und vielleicht nicht
ganz ohne seine Mitwirkung gemalt ist. Übrigens beweist
dieses Bild, insofern es unter dem unverkennbaren Ein-
flüsse des Turiner Franciscus steht, dass auch dieser nicht
nach 1426, also jedenfalls noch bei Lebzeiten Hubert's
entstanden ist. Chronologisch ist also die Zuteilung an
diesen Meister durchaus wohlbegriindet und sachlich auch,
da man voraussetzen kann, dass ein Gemälde, das Petrus
Christus nachahmte, am ehesten auf dessen Lehrer zurück-
gehen wird.
 
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