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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 12.1901

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Seeck, Otto: Zu dem Werke des Hubert van Eyck
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https://doi.org/10.11588/diglit.5772#0138

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259

Zu dem Werke des

Hubert van Eyck.

260

herbeigeführt, dass er zwischen den Bildnisköpfen
der beiden Brüder noch nicht zu scheiden wagt.
Dies erregte anfangs mein Erstaunen. Denn von den
sicher beglaubigten Werken des Jan van Eyck sind
die Mehrzahl Porträts, und auf den Gemälden, die
Weale unbedenklich dem Hubert zuweist, befinden sich
mehrere Stifterfiguren, so dass gerade für die Bildnis-
kunst der beiden durch das verhältnismässig reiche
Material der Vergleich sehr erleichtert wird. Dies hin-
dert freilich nicht, dass einzelne Köpfe noch zweifelhaft
sein können; aber wer in dem Kanzler Rolin des Louvre
und den Stiftern des Oenter Altars Werke Hubert's er-
blickte, der musste, wie mir schien, mindestens auch
in dem Manne mit den Nelken seine Hand erkennen.
Das Rätsel jener Zurückhaltung löste sich mir, als ich
das neueste Heft der Gazette des beaux arts aufschlug.
Denn hier veröffentlichte Weale ein neuentdecktes
Bildnis unter dem Namen des Jan van Eyck, das
nicht nur, wie er selbst hervorhebt, mit dem Berliner
Nelkenmanne, sondern auch mit dem Rolin und dem
Jodocus Vydt die unverkennbarste Übereinstimmung
zeigt. War jenes Porträt wirklich von Jan, so Hess
sich in der Kunst der beiden Brüder allerdings kein
Unterschied erkennen; nur hätte Weale dies nicht auf
die Bildniskunst beschränken, sondern auf alle ihre
Gemälde ausdehnen müssen. Dies wird auch ihm
selbst kaum entgangen sein; doch glaubte er aus
chronologischen Gründen das neue Bild nicht dem
Hubert zuweisen zu können. Denn der Dargestellte
trägt um den Hals die Kette des goldenen Vliesses,
das erst drei Jahre nach dem Tode des Meisters ge-
stiftet wurde. Doch ist dies nicht so entscheidend,
wie es auf den ersten Blick aussieht. Ich selbst habe
es erlebt, dass ein Mann, der sich noch undekoriert
hatte porträtieren lassen, nach dem Empfang eines
Ordens diesen in das Bild, das schon seit Jahren
fertig war, nachträglich hineinmalen liess, und solche
Eitelkeit auf äussere Ehrenzeichen war im 15. Jahr-
hundert noch stärker und weiter verbreitet als heut-
zutage. Wenn man an dem Gemälde, wie Friedländer
mir schreibt, nichts davon wahrnehmen kann, dass
die Kette des goldenen Vliesses späterer Zusatz ist,
so beweist dies nur, dass es keine ungeschickte Hand
war, die sie gemalt hat.8)

3) Unterdessen habe ich gemeinsam mit Professor
Hauser, der auf dem Gebiete der alten Maltechnik wohl
als erste Autorität gelten kann, das Original im Berliner
Museum untersucht, und uns beiden stellte es sich als
ganz gesicherte Thatsache dar, dass der Orden über das
fertige Gewand gemalt ist. Bei diesem ist nämlich das
Dunkelgrün des Grundes dicker aufgetragen als das Gelb
des Musters, so dass die goldenen Blumen desselben in
der Farbenfläche Vertiefungen bilden: dagegen sind Kette
und Vliess über das Grün gesetzt. Ob dies noch durch
den Meister des Bildes selbst geschehen ist oder erst vier
Jahre nach seinem Tode, lässt sich freilich nicht mit Sicher-
heit erkennen; doch für das letztere scheint folgendes zu
sprechen: 1) Allerdings passt der Orden, wie Friedländer
mir geschrieben hatte, recht gut zum Kolorit des Ganzen;
aber dies ist nur dadurch erreicht, dass der Maler auf die
Unterscheidung des geschmiedeten und des gewebten
Goldes ganz verzichtet und das Gelb des Brokates so getreu

Auf die Meinungsverschiedenheiten, die mich sonst
noch von Weale trennen, will ich hier nicht näher
eingehen; denn die Revision, deren seine Arbeit, wie
die meine, gewiss noch bedarf, bleibt besser einem un-
beteiligten Dritten vorbehalten. Nur auf ein Werk,
das in seiner Liste fehlt, möchte ich hinweisen, weil
es nächst dem Genter Altar die umfangreichste und
bedeutendste Arbeit Hubert's ist und für jenen die
unmittelbare Vorstufe bildet; ich meine die beiden
Altarflügel mit der Kreuzigung und dem jüngsten
Gericht, die sich jetzt in der Petersburger Eremitage
befinden. Schon in meiner früheren Untersuchung
hatte ich sie dem Meister zugeschrieben (S. 12); doch
war mir damals noch ein Kennzeichen seiner Autor-
schaft entgangen, das vielleicht das entscheidendste
ist. Denn es beruht nicht auf Stilkritik, die ihrer
Natur nach immer mehr oder weniger subjektiv bleibt,
sondern auf ganz objektiven Beobachtungen.

In den ornamentalen Buchstaben, welche die Ge-
wandung des Gottvater in St. Bavo zu Gent schmücken,
ist die lateinische Schrift bunt mit griechischer ge-
mischt. So enthält das SABAQT auf dem Brust-
streifen ein griechisches Omega, und unter dem Knie

ist für rex regum PEX. PEFV geschrieben, also statt
R und G Rho und Gamma gesetzt. In dem sinn-
losen AN3NX erscheint sogar ein kleines a mitten
unter den grossen Buchstaben. Dies tolle Durch-
einanderwirren dreier Alphabete ist mir sonst bei
keinem Künstler begegnet; es scheint dem Hubert
van Eyck durchaus eigentümlich zu sein. Nun nimmt
im Petersburger jüngsten Gericht der Erzengel Mi-
chael gerade die Mitte ein, eine Gestalt, die trotz
ihrer etwas steifen Haltung doch von überwältigender
Grösse ist, und an ihrer Rüstung finden sich In-
schriften, die von ganz gleicher Art, wie auf der
Genter Tafel, und eben darum noch nicht entziffert sind.
Auf den drei Querstreifen des Panzers steht fol-

gendeS: VINAE
IVE0EX

_ xHPvy

wie möglich nachgeahmt hat; namentlich entspricht das
Vliess selbst dem Goldmuster, auf dem es teilweise liegt,
in der Farbe ganz genau. Indem so ein Farbenton, der
schon im Bilde vorhanden war, einfach wiederholt wurde,
konnte die Kette aus der Gesamthaltung nicht gar zu sehr
herausfallen ; gleichwohl sind einzelne Glieder etwas zu hell
geraten und stören ein wenig die tiefe Tonwirkung, die
sonst höchst geschlossen und einheitlich ist. 2) Die Kette
zeigt nichts von jenem feinen Flimmern, das allen blanken
Gegenständen auf den Gemälden der van Eycks eigen zu
sein pflegt, sondern ist in schlichten gelben Strichen ohne
jeden Wechsel von dunkler und heller Spiegelung hin-
gemalt. Dies wird um so auffälliger, wenn man sie mit
dem prachtvollen Fingerringe vergleicht. 3) Auch ihre
Zeichnung ist nicht tadellos; von der rechten Schulter zieht
sie sich in schnurgerader Linie herab, ohne auf die Wöl-
bung der Brust irgend welche Rücksicht zu nehmen. Einen
ganz unanfechtbaren Schluss gestattet freilich dies alles
noch nicht, lässt aber wenigstens die Vermutung nicht un-
begründet erscheinen, dass die Malerei des Ordens, ob-
gleich sie eine geschickte Hand verrät, doch nicht von
dem Meister des Bildes selbst herrührt.
 
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