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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 12.1901

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Schmid, H. A.: Adolf Bayersdorfer
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5772#0147

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277

Nekrologe.

278

Seine Objektivität machte ihn wertvoll für Händler
wie für Käufer, für Gelehrte wie für Kunstfreunde.
Seine unbeirrte Rechtlichkeit war aber auch wohl die
Eigenschaft, die nebst seinem treffenden Humor den
Umgang mit ihm zu jenem seltenen Genüsse gestaltete.

Seine ausserordentliche Gerechtigkeit war allerdings
vielleicht auch mit die Klippe, an der seine wissen-
schaftliche Produktion gescheitert ist. Das Zusammen-
fassen erfordert immer ein Hervorheben und Zurück-
drängen. Gerade auf seinen Lieblingsgebieten musste
er zu viele der Fragen sehen, deren Lösung nach
und nach mit Sicherheit zu erwarten war, die aber
doch nicht von Monat zu Monat erzwungen werden
konnte. Er hat es schmerzlich empfunden, nicht
auf ein Meisterwerk zurückblicken zu können, aber er
fand einen Trost in der Mitteilung an seine Jünger.

Er stand in den Jahren, da Thausing, Woltmann
und Janitschek als wissenschaftliche Koryphäen galten,
mit wenigen fast eben so allein da, wie sein Freund
Böcklin in der bildenden Kunst.

Das Material, mit dem die ältere Generation
arbeitete, bestand bei denen, die nicht lediglich Ur-
kundenforscher blieben, auf dem Gebiete der Plastik
und Malerei zumeist in Stimmungseindrücken, es waren
öfters Stimmuhgseindrücke von feinsinnigen, künst-
lerisch veranlagten Menschen, meistens aber nicht.

Sein Phlegma wurde Bayersdorfer insofern zum Vor-
teil, als es ihm gestattete, ein Bild nun auch wirklich an-
zusehen und auf sich wirken zu lassen; dann besass
er eben nicht bloss das Gefühl des Ästheten für das
allgemein Künstlerische und für das menschlich Er-
greifende sondern, vielleicht als früherer Mediziner,
auch den scharfen Blick für das Einzelne und den
Organismus des Ganzen. Sein Leben lang hat er mit
Künstlern der verschiedensten Art, Malern namentlich
und Dichtern verkehrt, Ludwig Richter, Victor Müller,
Hans Thoma, Karl Haider, Trübner, Leibi, Oberländer,
Courbet, Böcklin lernte er in den sechziger Jahren
kennen. Er hatte ebensowohl eine lebendige Anschau-
ung von den Veranstaltungen, die zur Herstellung
eines Kunstwerkes getroffen werden als auch von
den seelischen Vorgängen, die zur Erschaffung eines
Kunstwerkes zwingen. Namentlich war ihm der
Zusammenhang zwischen dem Seelischen und dem
Technischen schon frühe klar geworden. Wie bei
Böcklin reichte eben seine Liebe zur Kunst weiter und
tiefer als bei seinen meisten Zeitgenossen und es ist
ja auch jener anderen Gruppe von Fachleuten ähnlich
gegangen, wie unter den Malern einem Kaulbach
und Piloty, während er selbst gerade bei vielen der
erfreulichsten Erscheinungen der Kunstwissenschaft im
stillen mit beteiligt war.

Er hat aber auch den Künstlern zu imponieren
verstanden. Die Kunstwissenschaft ist in München
wohl namentlich durch den in seinem Fache tüchtigen
Philosophen Carriere, der an der Akademie Kunst-
geschichte dozierte, und durch einige vielgelesene
Handbücher, wie die des alternden Lübke, hoffnungs-
los kompromittiert worden, wohl noch für viele Jahre
hinaus. Die Kunstgelehrten gelten dort als eine Sorte
von Leuten, welche nichts von Kunst verstehen. Der

Nachteil dieser öffentlichen und subjektiv auch wohl
begründeten Anschauung beginnt sich bereits in der
Verwaltung der bayrischen Sammlungen empfindlich
genug für einheimische und fremde Kunstgelehrte zu
äussern, und er wird sich noch empfindlicher machen.
Bayersdorfer war weit davon entfernt von der Kunst
im Namen der Ästhetik Dinge zu fordern, die niemand
von ihr verlangen kann, aber er hatte die Fähigkeiten
und den Schneid, für seine Wissenschaft die Achtung
zu ertrotzen, die ihr gebührt, und hat mit persön-
licher Tapferkeit einen Posten gehalten, der nun viel-
leicht für immer verloren ist. Dabei hat aber gerade
er für echte Kunst und echte Künstler unermesslich
viel Gutes thun können und auch gethan.

" Er war in jeder Hinsicht ein ganzer Mann am
rechten Platze.

NEKROLOGE

Prag. Zwei deutsche Bildhauer sind hier gestorben,
am 22. Februar Emanuel Max, Ritter von Wachstein, im
91. Lebensjahre und am 27. Februar Otto Mentzel im
63. Lebensjahre. — Max studierte zuerst in Wien, ging
183g nach Rom und kehrte zehn Jahre später zu dauern-
dem Aufenthalt nach Prag zurück, wohin sein Vater be-
reits 1816 von Bürgstein übergesiedelt war. Von Max'
Werken seien erwähnt: Das Radetzky-Denkmal und die
Pieta auf der Karlsbrücke in Prag. Auch als Schriftsteller
hat er sich bethätigt, indem er vor acht Jahren seine Selbst-
biographie Zweiundachtzig Lebensjahre« herausgab.

Otto Mentzel stammte aus Dresden, wo er unter
Hähnel studiert hatte, und wurde 1874 zum Direktor der
neugegründeten Fachschule für Goldschmiedekunst u. ä.
in Prag ernannt. Durch den Chauvinismus des Tschechen-
tunis hatte Mentzel in der Folge viel zu leiden. 1885 ward
ihm plötzlich, unter Nichtachtung des Kontraktes, auf-
gegeben, sich binnen zwei Jahren mit der tschechischen
Sprache vertraut zu machen. Er kam dieser Aufforderung
nach, wurde aber trotzdem eines Tages, ohne dass eine
Prüfung stattgefunden hätte, mit drei anderen deutschen
Professoren entlassen und später durch eine kleine Pension
»entschädigt«.

München. Über Eduard Ille, dessen Hinscheiden an
dieser Stelle vor kurzem berichtet wurde, wird den M. N. N.
geschrieben: Er hat sein langes Leben hindurch historischen
Studien obgelegen, aus welchen Studien seine bekanntlich
grösstenteils für die Schlösser König Ludwigs ausgeführten
Historienbilder herausgewachsen sind und dabei mit der
gewissermassen eifersüchtigen Liebe des echten Sammlers
historische Schätze um sich aufgespeichert, deren ganzen
Umfang und Wert nur er selber kannte. Da fand sich
eine Porträtsammlung, die Tausende von historischen Por-
träts aus vielen Jahrhunderten umfasst, und die sowohl
von seinem feinen, künstlerischen Geschmack, als von
seiner wissenschaftlichen Bildung Zeugnis giebt. Alte
Städte und Landschaftsbilder, Wappensammlungen und
Turniertafeln, Holzschnitte und Kupferstiche aus der ältesten
Epoche und der Rokokozeit. Originale von Hogarth und
Chodowiecki, alte Bücher, worunter Incunabeln. Dieselbe,
jetzt so selten gewordene naive Freude auch am Kleinen
spricht sich in vielen Blättern einer grossen Handzeichnungs-
sammlung aus, deren Vorhandensein der bescheidene
Künstler selbst den nächsten Freunden verschwiegen hat.
Diese Handzeichnungen bilden einen Beitrag zur Landes-
und Volkskunde der allsommerlich von Ille durchforschten
Landstriche Tirols und Oberbayerns und werden von
Kennern als das Wertvollste bezeichnet, was die Schule
 
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