Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 12.1901

DOI Artikel:
Jacobsen, Emil: Neue Bilderbestimmungen in der Brüsseler Gemäldegalerie: ein kritischer Versuch
DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5772#0172

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
327

Bücherschau.

328

Familienähnlichkeit mit den Porträts, die Justi in
seinem Aufsatze reproduziert hat1). Auch die Tracht
ist genau dieselbe. Wichtig durch das Datum 1557.
Denn wenn das Bildnis von ihm ist, kann der »sotto
Cleve« nicht 1554 im Wahnsinn gestorben sein.

Ohne Nr. La Madeleine. Nicht Meister der weib-
lichen Halbfiguren.

Ohne Nr. Koffermans genannt. Weibliches Por-
trät. Zeigt keinerlei Analogie mit dem bezeichneten
Bildchen in der Sammlung Carrand zu Florenz. Es
giebt aber vielleicht für diese Zuschreibung eine mir
unbekannte Begründung.

Ohne Nr. Brustbilder des Maximilian II. und
Anna von Österreich als Kinder. Ecole Allemande
genannt. Wiederholungen der Bildnisse von Jacob
Seisenegger im Mauritshuis. EMIL JACOBSEN.

BÜCHERSCHAU

J. Strzygowski: Der Bilderkreis des griechischen Physiologus,
des Kosmas Indikopleustes und Oktateuch nach Hand-
schriften der Bibliothek zu Smyrna. Mit 40 Lichtdruck-
tafeln u. 3 Abb. im Texte (Byzantinisches Archiv, H. 2).
Leipzig, B. O. Teubner, 1899. 130 S. 8". 12 M.
Wieder hat der um die byzantinische Kunstgeschichte
hochverdiente Grazer Gelehrte die schon stattliche Reihe
seiner archäologischen Arbeiten mit einer neuen bereichert,
welche sich würdig an die Seite ihrer Vorgänger stellt.
Seitdem in eingeweihten Kreisen bekannt wurde, dass
Strzygowski in Smyrna einen illustrierten griechischen Phy-
siologus gefunden, wurden nähere Mitteilungen darüber
mit leicht erklärlicher Spannung erwartet. Sind nämlich
griechische Physiologus-Handschriften überhaupt verhältnis-
mässig selten, so ist eine illustrierte Abschrift aus mittel-
byzantinischer Zeit ein Unikum, dessen Interesse die grosse
Bedeutung des wunderlichen Buches für die mittelalterliche
Kunst des Abendlandes noch wesentlich erhöht. Dem
Physiologus schliessen sich aber im Smyrna-Kodex andere
kleinere Traktate verwandter Art an, vor allem eine eben-
falls reich illustrierte, obgleich im Texte stark verkürzte
Abschrift der um die Jahre 547-549 von Kosmas dem
Indienfahrer verfassten »christlichen Ortskunde«. Die
Handschrift stammt aus der Spätzeit des 11. Jahrhunderts.
Erwägt man noch, dass der Verf. ausserdem einen" etwas
jüngeren, mit nicht weniger als 395 Miniaturen geschmückten
Oktateuch derselben Bibliothek, der EvayysXutri oxolij in
Smyrna, bespricht, so wird man mit Dankbarkeit die Fülle
des wertvollen Materiales anerkennen, welche Strzygowski
in seinem neuen Buche darbietet. Er begnügt sich jedoch
nicht damit. Von den einzelnen Denkmälern ausgehend,
bespricht er, seiner Gewohnheit gemäss, die Probleme der
byzantinischen Kunstgeschichte, so weit jene ihm dazu
Anlass geben.

»Der Physiologus«, sagt Lauchert in seiner Geschichte
des Physiologus, »ist eine populär theologische Schrift
(vielleicht zu Unterrichtszwecken bestimmt), welche in
allegorischer Anlehnung an Tiereigenschaften die wich-
tigsten Sätze der christlichen Glaubenslehre zum Ausdruck
bringt, und andere Tiereigenschaften als nachzuahmende
oder abschreckende Beispiele den Menschen für ihren
Lebenswandel mahnend und belehrend vorhält.« Durch
den Hang zum Wunderbaren, durch die religiös-moralische
Tendenz und die sinnbildliche Absicht, welche es der
Schöpfung unterlegt, entsprach das Buch genau der Auf-

1) Jahrbuch der kgl. preuss. Kunstsammlungen XVI.

fassung des Mittelalters und gewann dadurch eine überaus
weite Verbreitung — in Übersetzungen von Äthiopien bis
zu Island — und die grösste Beliebtheit, besonders im
Abendlande. Jedoch ist es nicht ein Produkt dieses Zeit-
alters. Die Anfänge des Physiologus gehen bis auf die
ersten christlichen Jahrhunderte zurück und als sein Ur-
sprungsort wird nunmehr ziemlich einstimmig Alexandria
bezeichnet. Hier war die theologisch-allegorische Speku-
lation zu Hause, hier bemächtigte sie sich der phantasti-
schen Tierwelt, welche seit uralten Zeiten im Oriente ihre
Heimat hatte.

Der Aufstellung des Physiologus entspricht in dem
Smyrna-Kodex die Verteilung der Bilder. Zu jedem Ka-
pitel gehören nämlich zwei Miniaturen: eine welche das
Tier und seine Eigenschaften vorführt, also die eigentliche
Tierfabel behandelt, und eine zweite, welche die sinnbild-
liche Ausdeutung, die Moral der Fabel in ein Bild fasst.
Auf diese Weise bekommen wir eine für die moderne
Auffassung sehr befremdende Zusammenstellung von Figur-
darstellungen mit Tierbildern, z. B. von der Verkündigung
Maria mit dem Löwen, welcher mit dem Schweife seine
Spuren verwischt, oder mit dem Einhorn, welches nur
durch eine reine Jungfrau gefangen werden kann, von der
Geburt Christi mit dem Geier, von seiner Verklärung mit
der Turteltaube, von den klugen und thörichten Jungfrauen
mit der Ameise u. s. w.

Der illustrierte Physiologus giebt uns also ein Beispiel
der mittelalterlichen Typologie, welche wir in der mittel-
byzantinischen Kunst vor allem aus den illustrierten Psalter-
handschriften kennen. Jedoch liegt darin ein bezeichnender
Unterschied, dass die typologische Zusammenstellung schon
im Texte des Physiologus fertig vorliegt, während die An-
bringung von neutestamentlichen Scenen als Illustrationen
zu prophetisch aufgefassten Psalmstellen auf keine Weise
im Texte des Psalters begründet ist. Die Ähnlichkeit der
Physiologus- und der Psalmbilder tritt aber auch in Wort-
illustrationen und in allerlei Ideen aus dem mönchischen
Vorstellungskreise zu Tage. Die Annahme des Ver-
fassers, dass dieser Teil der Physiologusminiaturen gleich-
zeitig — d. h. kurz nach der Beendigung des Bilderstreites
— und von denselben Händen geschaffen wurde wie die
Psalterillustrationen, erscheint somit als ziemlich gut be-
gründet. Denn nichts berechtigt uns, die Smyrna - Hand-
schrift in der künstlerischen Ausschmückung mehr als in
dem Texte für eine Originalschöpfung anzusehen. Im
Gegenteil bezeichnen verschiedene Umstände sie unzwei-
deutig als eine recht gedankenlos gemachte Kopie.

Ebenso anziehend ist die weitere Annahme des Ver-
fassers, dass die Tierbilder und die eigentlichen Fabel-
illustrationen der Erfindung nach noch älter, d. h. eine
Schöpfung der frühbyzantinischen Zeit seien. Hat man
doch aus dieser frühen Epoche eine analoge Erscheinung
in den Tierbildern des Kosmas, von dessen Ortskunde wir
noch heutzutage in der vatikanischen Bibliothek eine aus
dem 6. Jahrhundert stammende illustrierte Abschrift be-
sitzen.

Jedoch scheint mir diese Scheidung der beiden Illu-
strationsgruppen der Entstehungszeit nach zu schematisch,
um recht überzeugend zu sein. Wie oft hat nicht schon
eine erweiterte Kenntnis des geschichtlichen Verlaufes un-
sere theoretischen Konstruktionen gänzlich umgeworfen
oder wesentlich korrigiert! Der starke Drang Strzygowski's
den historischen Problemen auf den Grund zu kommen,
hat ihn oft auf diesen Weg geführt. So anerkennens-
wert sein Streben auch ist und so sehr er auch damit die
Forschung gefördert hat, so zeigt es jedoch in vielen
Fällen, wie wenig wir in der That noch verschiedene
Phasen der byzantinischen Kunstentwickelung kennen.
 
Annotationen