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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 12.1901

DOI Artikel:
Schölermann, Wilhelm: Ältere und neuere Kunst in Hamburg, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5772#0185

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

herausgeber:
Dr. Max Gg. Zimmermann

UNIVERSITÄTSPROFESSOR

Verlag von e. a. seemann in Leipzig, Gartenstrasse 15

Neue Folge. XII. Jahrgang.

1900/1901.

Nr. 23. 25. April.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handlung keine Gewähr. Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasen-
stein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

ÄLTERE UND NEUERE KUNST IN HAMBURG1)
Von Wilhelm Schölermann, Kiel

Wenn es sich einmal darum handeln sollte, einen
geistigen Mittelpunkt für eine norddeutsche Kultur
der nächsten Zukunft zu finden, so gäbe es wohl
kaum einen natürlicheren Ausgangspunkt für eine
solche Bewegung als die alte niedersächsische Hansa-
stadt an der Elbe, welche das ganze Absatzgebiet des
Hinterlandes, südlich sowohl wie nördlich, nach
Schleswig-Holstein hinauf, mit dem völkerverbinden-
den Meer in stete und wechselseitig befruchtende
Berührung bringt.

Die alten Sitten und Lebensgewohnheiten zeigen
nirgends einen dauerhafteren und doch stetig fort-
schreitenden Lokalcharakter, bei gleichzeitig vorhande-
ner Grossräumigkeit infolge überseeischer Beziehungen,
als in Hamburg. Mit beharrlichem Selbstbewusstsein,
das bisher zu einem gewissen Grade ultrakonservativ
und zum übrigen, Testländischen< Deutschland in
bewusstem Gegensatze gestanden, haben die see- und
handelskundigen Bürger an ihren historischen Über-
lieferungen und Vorrechten festgehalten.

In allem, was sie wollen, denken und handeln,
bedächtig und ernsthaft bis zur Schwerfälligkeit,
pflegen und hegen diese Menschen an der Wasser-
kante das einmal als zweckmässig Erkannte mit einer
Zähigkeit und Zärtlichkeit, welche in der niederdeutschen
Stammesart von altersher als Rassenerbteil fortgezeugt
und durch geographische und klimatische Bedingungen
erhalfen wurde.

Aber nicht nur auf praktischem und kommerziellem
Gebiet ist ihre Eigenart scharf ausgeprägt; auch auf
künstlerischem Boden hat Hamburg seit der Mitte
des vierzehnten Jahrhunderts fast ununterbrochen
obwohl fast unbeachtet eine einheimische Pro-
duktion niederdeutschen Charakters aufzuweisen, im
ersten Viertel des neunzehnten Jahrhunderts sogar

1) AlfredLichtwark: Meister Francke - Julius Oldach
— Mathias Scheits — Das Bildnis in Hamburg. Hamburg
1899. Verlag der Kunsthalle.

eine wichtige, wenn auch vergessene, Blüte lokalen
Kunstschaffens erlebt, die in der Folge etwas näher
betrachtet werden soll. Es giebt wenige deutsche
Städte, in denen eine bodenständige Lokalschule der
Malerei und auch der Holzplastik sich so ununter-
brochen fortgepflanzt hat, wie in Hamburg.

Um so auffälliger muss es daher dem Kunst-
historiker erscheinen, dass gerade die Hamburger
im Gegensatz zu den Niederländern ihre heimat-
lichen Instinkte in einem wesentlichen Punkte seit
langem geflissentlich verleugnet haben: in der Liebe
und Pflege einheimischer Kunst und einheimischer
Künstler. Hier hat das Lokalgefühl und das Ver-
ständnis fast gänzlich versagt.

Die Ursachen und Gründe dieser eigentümlichen,
mit der sonstigen selbstbewussten Eigenart schwer
vereinbaren »Selbstverleugnung« — wenn dieser Aus-
druck gestattet ist —, sind ziemlich verwickelter Art
und auf verschiedenartig einwirkende historische Be-
dingungen teilweise zurückzuführen. Im grossen
Ganzen dürften sie einerseits in der traditionellen
Voreingenommenheit der Grosskaufleute, Rhederei-
besitzer und Schiffskapitäne gegen die »brotlosen«
Künste, andererseits in der Trostlosigkeit der früheren
politischen Zustände Deutschlands - die fast nirgends
eine bewusste und freudige Hingabe an eine heimat-
liche Kunst aufkommen Hessen — ihre Erklärung
finden.

Diese Thatsachen und ihre nachteiligen Folgen,
nicht etwa der Mangel an grossen, originellen Be-
gabungen waren Schuld daran, dass sich in Hamburg
niemals eine bodenständige, im guten Sinne lokale
Kunst entwickeln und behaupten konnte. Erst von
ausserhalb musste sie sozusagen wieder eingeführt,
neuentdeckt und gesammelt werden.

Seit etwa zehn bis zwölf Jahren wurde das Kunst-
leben Hamburgs durch ein günstiges Zusammen-
wirken zufälliger äusserer Umstände vorläufig
mehr von oben nach unten, als von unten herauf
angeregt, befruchtet und zusammengefasst auf einer
lokalhistorischen Grundlage, welche vorbildlich in
ihrer organischen Entwicklung für das übrige Deutsch-
 
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