Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 12.1901

DOI Artikel:
Schmidt, Karl Eugen: Der Firnistag des Salons
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5772#0193

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

herausgeber:

Dr. Max Gg. Zimmermann

UNIVERSITÄTSPROFESSOR

Verlag von e. a. seemann in Leipzig, Oartenstrasse 15

Neue Folge. XII. Jahrgang.

1900/1901.

Nr. 24. 2. Mai.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handlung keine Gewähr. Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasen-
stein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

DER FIRNISTAG DES SALONS.

Die soeben eröffnete diesjährige Ausstellung der
Societe nationale sieht ihren Vorgängerinnen so ähn-
lich wie ein Ei dem andern, obgleich seit dem letzten
Salon dieser Gesellschaft bereits zwei Jahre vergangen
sind. Im vorigen Jahre begnügte sie sich mit der
Weltausstellung. Seit vier Jahren zum erstenmale
sind die beiden grossen Gesellschaften bei ihren Aus-
stellungen wieder ganz getrennt. Nachdem die eine
das Marsfeld und die andere den Industriepalast hatte
verlassen müssen, um den Neubauten der Weltaus-
stellung Platz zu machen, hatten sie zwei Jahre lang
zugleich in der grossen Maschinenhalle ausgestellt,
nur durch das Büffet voneinander getrennt. Auch
jetzt bewohnen sie dasselbe Gebäude, aber der Kunst-
palast an den elysäischen Feldern hat zwei Fassaden
und zwei monumentale Eingänge. Den Artistes
francais ist der grössere Teil des Baues übergeben
worden, der an der Avenue Nicolas liegt und worin
die modernen Kunstwerke untergebracht waren, die
Nationale hat den kleinern Flügel an der Avenue
d'Antin bezogen, worin die Centennale Platz gefunden
hatte. Die ältere Gesellschaft hat also ungefähr vier-
mal soviel Platz wie die jüngere, indessen sind die
Räume der Nationale gefälliger und günstiger und
bieten reichlich Platz für die üblichen zweitausend
Nummern des Katalogs. Nur fehlt hier der Raum
für den Garten mit Wirtschaft, worin die vom Be-
schauen der Kunstwerke ermüdeten Besucher Erholung
finden. Am Tage der Vernissage, wo sich ein zahl-
reiches Publikum drängt und schiebt, ist der Raum-
mangel und das Fehlen von Ruheplätzen sehr be-
merkbar, an gewöhnlichen Tagen aber ist die Sache
nicht so schlimm, und was die Bilder, Skulpturen
und sonstigen Arbeiten anlangt, so sind sie alle gut
und übersichtlich gehängt und gestellt. Die Skulp-
turen, das Kunstgewerbe, die Pastelle und Griffelkünste
sind im Erdgeschoss untergebracht, die Ölgemälde
im obern Stockwerk.

Wenn der Salon sein altes Gesicht ziemlich un-
verändert zeigt, so kommt das daher, weil die Natio-

nale Salon des Marsfeldes kann man jetzt nicht gut
mehr sagen immer mehr zur geschlossenen Ge-
sellschaft wird, die so wenig wie möglich neue Mit-
glieder aufnimmt und sich mit dem jetzigen Bestände
ihrer Gesellschafter begnügt. Man sieht also alljähr-
lich die nämlichen Leute, und bekanntlich wird ein
Maler, der, wie man zu sagen pflegt, seinen Weg
gefunden hat, oft selbst gegen seinen Willen ge-
zwungen, auf diesem Wege zu beharren. So kommt
es, dass man hie und da selbst bei unsern interessan-
testen und bedeutendsten Meistern ein Gefühl des
Überdrusses verspürt, weil sie uns immer wieder das
nämliche Bild vorsetzen. So geht es dem ausgezeich-
neten Thaulow mit seinen Winterbildern, die keiner
so grossartig zu malen versteht wie er, die deshalb
der Kunsthändler und der Liebhaber von ihm ver-
langt, und die er deshalb wieder und wieder malt.
Auch heuer hat er wieder drei meisterhafte winterliche
Landschaften, darunter sein Lieblingsmotiv, die roten
Backsteinhäuser an dem halbzugefrorenen Flusse.
Ähnlich geht es Carriere, der mit einigen Mädchen-
köpfen und einer von Kindern umgebenen Mutter
erschienen ist, in seiner bekannten grau verschleierten,
farblosen, aber geistvollen Art. Auch Lucien Simon
sagt uns nichts neues mit seiner Wallfahrt und dem
von neugierigen Bauersleuten umstandenen Cirkus-
wagen, zwei vortreffliche Bilder, die sich den ähn-
lichen Arbeiten des Meisters würdig anschliessen.
Lhermitte bleibt bei seinen Landleuten auf freiem
Felde, die er unvergleichlich wahr und schön wieder-
zugeben weiss. Cottet hat ein grosses und vier
kleinere Bilder: eine Schar bretonische Frauen und
Mädchen an dem in der Johannisnacht angezündeten
Strandfeuer und vier Landschaften, worin die herbe
Grösse und Melancholie der bretonischen Landschaft
trefflich wiedergegeben ist. Raffaelli hat ausser mehre-
ren Pariser Strassenbildern ein Porträt, weiss in weiss,
eine interessante, aber nicht einwandfreie Arbeit.

Besnard hat zwei Ölbilder und einen Cyklus
grosser Zeichnungen gesandt. Eines seiner Bilder
ist ein vorzügliches Porträt, eine Dame in weisser
Abendtoilette und weissem Theatermantel, grüner
 
Annotationen