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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 12.1901

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Schmidt, Karl Eugen: Der Firnistag des Salons
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5772#0195

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373

Bücherschau.

374

der Skulptur kann sich die Nationale nicht mit den
Artistes messen, die bei weitem die meisten franzö-
sischen Bildhauer in ihrer Gesellschaft haben. In-
dessen giebt es doch auch hier einige Namen von
gutem Klang: Dalou hat zwei meisterhafte Büsten
und eine schöne Bronzestatuette des Chemikers
Lavoisier ausgestellt, Constantin Meunier ein herrliches
Relief, Bergleute an der Arbeit, Rodin seinen Victor
Hugo in Marmor, Carabin zwei reizende kleine
Tänzerinnen, Bartholome die Iebensgrosse sitzende
Figur eines soeben dem Bade entstiegenen Mädchens
und vier anmutige kleine Frauengestalten, die unter
einem Baume stehen, dem Beschauer den Rücken
kehren und einander ein Geheimnis anvertrauen.
Das Grabmal von Saint-Marceaux ist geschickt in
der Ausführung, aber banal in der Idee, und sonst
müssen noch erwähnt werden die geschmackvoll
patinierten Figürchen von Vallgren, der hübsche
kleine Faun von Lerche, die lebendigen und zier-
lichen Statuetten von Dejean und die ausgezeichneten
Tierfigürchen von dem Amerikaner Borglum.

K- E. Schmidt.

BÜCHERSCHAU

Karl Woernunn, Geschichte der Kunst aller Zeiten und Völ-
ker. I. Band, Die Kunst der vor- und ausserchristlichen
Völker. Mit 615 Abbildungen im Text, 15 Tafeln in
Farbendruck und 35 Tafeln in Holzschnitt und Tonätzung.
Leipzig und Wien. Bibliographisches Institut, 1900.
Aus der Zahl der in Veröffentlichung begriffenen All-
gemeinen Kunstgeschichten hebt sich die vorliegende in
ihrem ersten Bande als eine Sondererscheinung insofern
heraus, als sie die Kunstgeschichte mit der Ethnographie
verbindet, d. h. bis in die Zeit der Ur-, Natur- und Halb-
kulturvölker, ja bis auf die Kunst der Tiere zurückgreift,
und indem sie nicht nur die alte Kunst des Morgenlandes
und die Kunst des Islam, sondern auch die indische und
ostasiatische Kunst ausführlich und mit einer Fülle von
Einzelheiten behandelt. Aus dem Geständnis des Ver-
fassers, dass ein organischer Zusammenhang zwischen
allen diesen Künsten nicht nachzuweisen ist, erhellt aber,
dass durch diese umfassende Behandlung doch noch keine
Weltgeschichte der Kunst zu stände gekommen ist. Ja eine
solche ist überhaupt unmöglich, denn wenn auch vielfache
Berührungen in der Kunstübung selbst örtlich und zeitlich
von einander getrennter Völker stattgefunden haben, so
ist der Zusammenhang doch viel zu lose, um ein ein-
heitliches Netz zu bilden. Wie sehr der Verfasser diese
Vielgestaltigkeit in der Kunst der ganzen Welt zu schätzen
weiss, geht aus seinem Schlusssatz hervor »Gerade in der
Ermittlung der selbständigen Entfaltung der künstlerischen
Lebenserscheinungen neben einander und in ihrer Weiter-
entwicklung unter der Wechselwirkung, die sie auf ein-
ander ausüben, liegt der Reiz und die Bedeutung auch der
kunstgeschichtlichen Forschung«. Im allgemeinen gilt es
nicht nur von der Kunst der Ur-, Natur- und Halbkultur-
völker, dass das Interesse an ihr fast ausschlieslich ein
ethnographisches und nur sehr wenig ein künstlerisches
sein kann, sondern auch von der Kunst der Inder, Chinesen
und Japaner, ja selbst von der Kunst des Islam. Die An-
sichten jener Völker über Kunst sind so gründlich ver-
schieden von denen der Griechen und der auf ihnen
fussenden christlichen Völker, und erst die Griechen haben
so sehr das eigentliche Wesen der Kunst entdeckt, dass
man die Kunstübungen jener vielleicht kaum eine Vor-

: stufe zur künstlerischen Entwicklung der Menschheit
nennen kann. Die Stellung zu jener Art von Kunst und
ihre fast ausschliesslich antiquarische Bedeutung hat
Goethe, wenn er auch zunächst nur die altorientalischen
Völker im Auge hatte, ein für allemal richtig charakterisiert,
indem er sagt: »Ihre Altertümer sind immer nur Curio-
sitäten; es ist sehr wohl gethan, sich und die Welt da-
mit bekannt zu machen; zu sittlicher und ästhetischer Bil-

; dung aber werden sie nur wenig fruchten.«

Unter diesem ethnographisch-antiquarischen Gesichts-
punkte jedoch ist es ein hohes Verdienst, welches sich
Woermann durch die umfassende Behandlung erworben
hat. Kaum ein anderer war dazu so geeignet wie er,
denn er hat eine Reise um die Welt gemacht, die indische,
die ostasiatische und die altamerikanische Kunst aus eigener
Anschauung kennen gelernt. Darum vermag er so frisch
und so eindringlich davon zu sprechen. Die ausserordent-
liche Erweiterung des Blickes, welche ihm diese Reise
gebracht hat, kommt seinen Lesern zu gute.

Das, was einen Gelehrten von der Bedeutung Woer-
mann's mit so hohem und eingehendem Interesse das
Auge auf die Kunst jener Völker richten lässt, ist der
starke Sinn für das Historische, welcher unserm Zeitalter
eigen ist. Im Historischen ist überhaupt die Stärke seines
Buches zu suchen und zwar namentlich in der Freude
an der Erkenntnis der realen Bestände. Sein Buch ist
ein grosses Compendium des Wissens über alle darin
behandelten Gebiete. Nicht nur die Resultate der ge-
schichtlichen Forschung legt er dar, sondern belehrt auch
darüber, durch wen und wann diese Resultate erlangt
worden sind, so dass der Leser auch einen Einblick in
die Geschichte der Wissenschaft erhält. Man merkt es
dem Verfasser auf jeder Seite an, welche Fülle thatsäch-
licher Kenntnisse er zu Gebote^ hat und wie er mitten im
Getriebe nicht nur einer, sondern mehrerer historischer
Wissenschaften steht. Ganz im Sinne des Realhistorikers
ist auch der öfters wiederkehrende Seufzer, dass die
Forschung an der betreffenden Stelle noch keine ab-
schliessenden Resultate gezeitigt hat, und dass jeder Tag
durch neue Entdeckungen die alten Hypothesen umwerfen
kann. Jedem, der sich in umfassender Weise und an der
Hand eines zuverlässigen Führers über den augenblicklichen
Stand des Wissens auf den behandelten Gebieten orientieren
will, sei der erste Band der Kunstgeschichte Woermann's
aufs wärmste empfohlen. m. a. z.

Über kirchliche Kunst in Tirol in der zweiten Hälfte des
XIX. Jahrhunderts. Von Professor P. Johann M. Reiter-
Innsbruck. 1895. — Programm des k. k. Obergym. der
Franziskaner zu Hall. — 42 Seiten.
Diese kleine Schrift verdient durch ihre gründliche
Sachlichkeit dem Verstauben in unseren Schulbibliotheken
und Programmsammlungen entrissen und einer grösseren
Anzahl von Kunstinteressenten bekannt zu werden. Es
sind durchaus ehrliche und gar nicht einseitige Eigen-
ansichten eines von grosser Liebe zur Kunst getragenen
Mannes. Köstlich ist sein Urteil über das bekannte Altar-
blatt Deffreger's in Dölsach und die treffende daran ge-
knüpfte Abweisung gewisser moderner kirchlicher Kunst-
kritiker, die lediglich Doktrinäre sind. Des Verfassers
Ratschläge und Ansichten zu einer wirklichen Wieder-
belebung einer volkstümlich religiösen Kunst zeugen von
einem vertieften Nachdenken über dieses Thema. Reiter
scheint selbst ein geübter Praktiker in artibus zu sein. Ob
das Schriftchen im Buchhandel noch zu haben ist, wissen
wir nicht. Doch dürfte es leicht für den sich dafür In-
teressierenden von dem oben genannten Gymnasium oder
dem Autor selbst, wenigstens leihweise, zu erlangen sein.

Troppau. Rudolf Bäck.
 
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