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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 12.1901

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Gurlitt, Cornelius: Englische Baukunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.5772#0233

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

HERAUSGEBER:

Dr. Max Gg. Zimmermann

UNIVERSITÄTSPROFESSOR

Verlag von e. a. seemann in Leipzig, Gartenstr. 15 und Berlin sw., Dessauerstr. 13
Neue Folge. xii. Jahrgang. 1900/igoi. Nr. 29. 20. Juni.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »KunstgewerbeblatU monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handlung keine Gewähr. Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von H a a s c n -
stein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

ENGLISCHE BAUKUNST

Vor kurzer Zeit noch war der Umfang dessen,
was wir von moderner englischer Baukunst wussten,
ganz ausserordentlich gering. Man sehe in die Hand-
bücher der Kunstgeschichte, in die Encyklopädien,
um sich davon zu unterrichten, was in den deutschen
Bibliotheken über diesen Zweig des Wissens aus ge-
druckten Quellen zusammenzuraffen war. Die grossen
Fachzeitschriften brachten zwar eine ungeheure Menge
an Stoff, aber es fehlte ganz an einer klärenden Uber-
sicht. Diese mangelte für uns doppelt, da die Eng-
länder sie selbst nicht besitzen. Wir hatten zwar die
Erkenntnis, dass jenseits der Nordsee eine eigenartige
Kunst sich entwickelt habe, wir hörten hin und wieder
von einzelnen Männern, die drüben gewesen waren,
dass das Schaffen keineswegs so verworren sei, wie
es dem erschien, der nur nach Bruchstücken, nach
zufällig ihm vorkommenden Abbildungen urteilte.
Vom Kirchenbau hatte uns Otto March in seinem
Abschnitte in dem Werke der Vereinigung Berliner
Architekten »Die Baukunst des Protestantismus« einen
Überblick gegeben, vom Wohnhausbau Robert Dohme
eine lesenswerte und anregende Studie geboten, aber
mit der Erkenntnis vom Werte und Einfluss der prä-
raffaelitischen Bewegung war es geradezu zu einem
Bedürfnis geworden, Einblick in das englische Bau-
schaffen zu erlangen. Man erkannte deutlich, dass
dort zu lernen sei, wie man sich von idealistischer
Einseitigkeit zu einer ernsteren, tiefer greifenden Zweck-
erfüllung, zur künstlerischen Ausgestaltung der that-
sächlichen Lebensbedürfnisse durchringen müsse. Von
nicht zu unterschätzender Bedeutung waren dabei die
bei der Weltausstellung zu Chicago gemachten Er-
fahrungen, die auf dem Umwege über Amerika aber-
mals auf England zurückwiesen. Als ich vor zwölf
Jahren Studien über die präraffaelitischen Maler ver-
öffentlichte, und damals — wohl, als der Erste in
Deutschland — auf deren Einfluss, auf das Gesamt-
schaffen ihrer Nation hinwies, als ich Ruskin's An-
schauungen und Einwirkungen kurz darzustellen ver-
suchte, empfand ich aufs Schmerzlichste, wie sehr

diese Unkenntnis des inneren Entwicklungsganges der
englischen Baukunst in der zweiten Hälfte des ig. Jahr-
hunderts der umfassenden Darstellung des englischen
Geisteslebens noch im Wege stehe.

Um so freudiger begrüsste ich die ersten Arbeiten
des technischen Attaches an der deutschen Gesandt-
schaft in London, Hermann Muthesius1), durch die
die Lücke mehr und mehr geschlossen werden sollte.
Es fehlt heute noch, nachdem er über den Kirchen-
bau, über die Baukunst im allgemeinen, über den
Kunstunterricht in den Volksschulen, über den Ein-
fluss des häuslichen Kunstbetriebes u. a. mehr ge-
schrieben, noch zur Vervollständigung ein Bericht
über die innere Einrichtung des Wohnhauses, den
Teil der englischen Kunst, der bisher vielleicht den
tiefestgehenden Einfluss auf das deutsche Schaffen
ausübte. Auch das Erscheinen dieses Berichtes ist
bereits angekündigt worden. Die englische Fach-
litteratur kenne ich genug, um zu wissen, dass Mu-
thesius' Arbeit in allen diesen Büchern keine geringe
war. Es fehlt den Engländern auch heute noch voll-
kommen ein Überblick über das nationale Schaffen,
wie er uns jetzt geboten ist. Die Bücher unseres
Landsmannes verdienen durchaus eme Übersetzung
ins Englische und würden die britische Fachlitteratur
nicht minder glücklich ergänzen, als die deutsche.
Wenn es bei Einrichtung der Ämter des technischen
Attaches das Ziel der Reichsregierung war, dahin zu

x) Hermann Muthesius, Die Neuere kirchliche Baukunst
in England; Entwicklung, Bedingungen und Grundzüge
des Kirchenbaues der englischen Staatskirche und der
Sekten. Grossquart. 176 S. 32 Tafeln und 132 Textab-
bildungen. Berlin, Wilh. Ernst & Sohn, 1901.

Derselbe, Die englische Baukunst der Gegenwart. Bei-
spiele neuer englischer Profanbauten. Mit Grundrissen,
Textabbildungen und erläuterndem Text. Leipzig und
Berlin. Cosmos 1901 ff.

*~ Der Zeichenunterricht in den Londoner Volksschulen.
Gotha, E. F. Thienemann, 1900.

Derselbe, Der Kunstgewerbliche Dilettantismus in Eng-
land. Insbesondere das Wirken des Londoner Vereins für
häusliche Kunstindustrie. Berlin, Wilh. Ernst & Sohn, 1900.
 
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