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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 12.1901

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Ruge, C.: Die Kunst auf der pan-amerikanischen Ausstellung zu Buffalo
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https://doi.org/10.11588/diglit.5772#0258

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Die Kunst auf der Pan-Amerikanischen Ausstellung zu Buffalo.

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wie es diesem fröhlichen, sommerlichen Verbrüde-
rungsfeste von Nord und Süd angemessen ist.

Ich will nicht behaupten, dass nicht einzelne Ab-
weichungen stattgefunden hätten. Z. B. kommt bei
den Parlamentsgebäuden eine mehr akademische Rou-
tine-Renaissance zum Durchbruch. Andere Ab-
weichungen, wie etwa das als Blockhaus entworfene
Förstereigebäude, bieten nur eine legitimierte und an-
genehme Abwechslung. Das Agrikulturgebäude bildet
auch eine originelle Ausnahme mit seinem matt-
grün und gelben Oazedach, den Farben von Baum-
wolle und Mais, Wein und Kürbis, der Prairien und
Kornfelder, der blättergedeckten Ranchos. Den Eingang
des Agrikulturgebäudes ziert eine Guirlande von Mais in
zartem Grün und Krautköpfe sind mit merkwürdigem
Glück ebenfalls für dekorative Zwecke angebracht.

Das Farbenschema der Gebäude ist im Total-
eindruck ungefähr folgendes: Auf einem Hinter-
grunde von Dunkelelfenbein heben sich warmgetönte
Friese und grosse bunte Guirlanden ab. Die Grund-
töne rangieren von elfenbein zu ockergelb gebrannter
Steine, Terrakotta zu dem Altrot der Dachziegel. In
dem elektrischen Turm, der den Glanz- und Kulmi-
nationspunkt der Ausstellung bildet, sind Elfenbeinton
mit Grünblau und Gold als Grundfarben zu erkennen.
Die Architektur des Turmes zeigt, obwohl in den
Hauptformen denen der Gebäude ähnlich, auch orien-
talische Anklänge. Der Präsident der Architektur-
kommission ist John M. Carere aus Rio Janeiro, der
mit Vorliebe die spanische Renaissance anwendet
und in Florida mehrere prächtige Staatsgebäude und
Kirchen in diesem Stile erbaut hat. Maler C. F. Tur-
ner ist Farbendirektor. Seinem Befehle musste so-
gar das Government Folge leisten. Man hatte für
eines der Governmentsgebäude ein bescheidenes Grau
als Aussenfarbe bestimmt — das aber einem Spanisch-
gelb weichen musste, um der von Turner gewünschten
Farbenstimmung gerecht zu werden.

Einen sehr wichtigen Faktor zur Schönheit der
Ausstellung, der noch kaum auf einer andern Aus-
stellung in so reichem Masse und mit so bestimmter
Zweckdienlichkeit Anwendung fand, bildet hier die
Skulptur. Ich will nicht behaupten, dass jede
Gruppe oder Figur vor der Kritik als vollkommen
bestehen könnte, aber die Totalwirkung und An-
ordnung ist jedenfalls eine die ganze Ausstellung
in künstlerischer Weise symbolisierende und eine
harmonische. Ich will hier nur kurz die Grund-
gedanken skizzieren. Der Ausstellungsteil, welcher
den natürlichen Reichtum der Staaten beherbergt, also
die dem Forstwesen, der Minenkultur und Hortikultur
gewidmeten Bauten — hat die Versinnbildlichung in
mehreren Gruppen gefunden, welche die Natur und
deren Reichtum versinnlichen. Die grosse Fontäne
in Mitte dieser Bauten ward der Brunnen der Natur
getauft und mit Gruppen, welche die Elemente dar-
stellen, verziert durch George T. Brewster. Zwei
andere Fontänen dieser Abteilungen sind Ceres und
Kronos gewidmet, dargestellt durch F. G. El well.
Der Reichtum an Mineralien, Tieren und Pflanzen
findet ebenfalls Verkörperung.

Die gegenüberliegenden Governmentsgebäude fin-
den ebenfalls ihre Symbolisierung durch mit Skulptur-
gruppen verzierte Fontänen. Mit dem Brunnen der
Natur korrespondierend ist die Fontäne, welche dem
Menschen gewidmet ist und durch Charles Grafly
ausgeführt wurde. Zwei verschlungene menschliche
Figuren, durch einen Schleier umhüllt: die zwei
Seiten des Menschen, die Seele durch den Schleier
angedeutet. Darunter die fünf Sinne, die Hand in
Hand diese Gruppe umtanzen. Das Bassin ist von
Figuren getragen, welche die Eigenschaften des Men-
schen personifizieren, die kleinen Fontänen sind Her-
kules und Prometheus gewidmet. Mit dem Natur-
reichtum korrespondieren auf dieser Seite das wilde,
despotische und aufgeklärte Zeitalter.

Nachdem man rechts »die Natur«, links die Re-
gierung« passiert hat, kommt man zur dritten Gruppe
von Gebäuden, welche diejenigen Dinge beherbergen,
die weder der Natur allein, noch der Gesetzgebung
zu danken sind, sondern dem Genius des Menschen.
Die Kunsthalle, Musikpalast, Elektrizitäts- und Ma-
schinenhalle, Manufaktur- und Transportgebäude be-
finden sich hier. Der menschliche Geist und das
menschliche Gefühl bilden hier die Hauptgruppen
der Bildhauerei. Die Geburt der Athene und die
Geburt der Venus werden dargestellt. In den Piede-
stalen werden Kunst und Wissenschaft noch weiter
ausgeführt. Char. Lopez und Herrn und Frau Tonetti
verdanken wir diese Gruppen. Die Mittelgruppe:
Der Genius des Menschen, wurde von Paul W. Bart-
lett geschaffen.

Der elektrische Turm nimmt den Mittelpunkt der
Ausstellung ein. Da Buffalos Wichtigkeit und Ge-
deihen, sein Handel und Reichtum durch die mäch-
tigen Seen und Wasserwege, welche die Stadt um-
geben, errungen wurden und auch die Elektrizität,
das Hauptmoment der Ausstellung, welche von diesem
Turme aus die feenhaften Beleuchtungseffekte em-
pfängt, durch die grosse Wasserkraft des nahen Nia-
gara erzeugt wird, so hat die Skulptur auch »die
grossen Wasser«, wie die Indianer sagen, verherrlicht,
durch Figuren und Gruppen, welche dieselben ein-
zeln versinnlichen. Adolf Wemmain, Henry Baerer
und andere Bildhauer waren hier thätig.

Karl Bitter, über dessen »Astormemorialturm« und
andere Skulpturwerke in New York ich in der Zeit-
schrift für Bildende Kunst schrieb, steht als Direktor
an der Spitze der Skulpturabteilung. Er selbst hat
die vier mächtigen Bannerträger gemeisselt, die wie
all seine Werke einen Zug ins Grosse, Michelange-
leske tragen. Sie stehen an der grossen monumen-
talen Brücke, welche die Besucher in diese neue
Welt, die in wenig Wochen entstanden ist, einführt.

Von den originellen Plakaten, mit denen die Aus-
stellung bekannt gemacht wird, ist besonders eins sehr
geschmackvoll. Durch den in matten Regenbogen-
farben schillernden Niagara sieht man in Wassernebel
gehüllt eine in schönen Linien gehaltene Frauen-
gestalt — die Ausstellung personifizierend — schim-
mern.

Buffalo, Anfang Mai 1901. C. RUOE.
 
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