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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 13.1902

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Schubring, Paul: Die primitiven Italiener in der Dresdner Galerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.5809#0033

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig und Berlin SW., Dessauerstr. 13

Neue Folge. XIII. Jahrgang.

1901/1902.

Nr. 4. 30. Oktober.

monaten luTiv ~r0"lk ersc,le>nl als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum .Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
Kunst« erhalte d K-ember m01.latlic'1 einmal- D«r Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
handlun? keinnr'e ;5"nstcnron'lt gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
die dreispalt Pr ■ ' ^ Briefschatten und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Berlin sw., Dessauerstr. 13. Inserate, 430 Pf. für
ige etitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

DER

eine
über

Rufern "d^ London nicht messen. Von dei
sHipm f Quattrocento giebt sie nur eine
sclieidene Vorstellt

DIE PRIMITIVEN ITALIENER IN
DRESDNER GALERIE

Die Dresdner Galerie hat so wenig wie irgend
cisalpine Sammlung eine umfassende Übersicht
die Malerei des Trecento aufzuweisen. Liegt
ihr Schwerpunkt einmal in den Prachtstücken der
holländischen und vlämischen Schule des 17- Jahr-
hunderts, andererseits in den grossen Meisterwerken
des Cinquecento, so steigt sie bereits in den Regionen
des Quattrocento auf eine bescheidenere Stufe herab;
diese Gruppe kann sich mit der entsprechenden i:

messen.

sehr be-

ng. Und doch hätte Dresden eine
Gelegenheit gehabt, Trecentobilder, wenn auch nicht
ersten Ranges, so doch charakteristischer Art, in um-
fangreicher Weise zu erwerben. Der um die Dresdner
Kunstpflege so hoch verdiente Bernhard von Lindenau,
welcher 1830 die Generaldirektion der Museen als
Staatsminister übernahm, hat auf seinen Reisen von
1843 an zunächst für sich eine ganze Reihe kleiner
Trecentobilder gesammelt und mit diesen zusammen
mit florentiner und sieneser Quattrocentisten den
Grundstock zu dem 1873 erbauten Altenburger Museum
gelegt. So hochherzig und selbstlos diese Stiftung
gewesen sein mag — in dieser Galerie war und ist bis
heutigen Tages die Anwesenheit Duccio's und Simone
Martini's in Altenburg eine wenig beachtete und auswärts
fast unbekannte Thatsache; es war daher ein Verdienst
Schmarsow's, als er den entlegenen Schatz in mehreren
Publikationen hob und den Bestand dieser Galerie
in die Diskussion einführte. Jedenfalls würden diese
Bilder eher in Dresden als in Altenburg gesucht.

Dass die Trecento-Abteilung nicht durchaus die
Schreckenskammer der Galerien zu sein braucht, be-
weist die National Gallery in London, deren grosse
Tafeln aus dem 14. Jahrhundert würdig neben den
Bildern des 15. Jahrhunderts bestehen. Allerdings
ist ja England auch die geborene Heimat der mehr
alten als schönen Schätze; und die Seltsamkeit alt-
fränkischer Linien mag die Teilnahme der englischen
Besucher mehr in Anspruch nehmen, als die verbor-
gene Kraft dieser Linien- und Farbenherrlichkeit. Der
Louvre besitzt wenige, aber

ragende Primitive

zum Teil ganz hervor-

aus der italienischen Schule

Cimabue, Giotto, Simone Martini sind durch je ein
Bild, aber jedesmal ein sehr gutes vertreten; andere
Meister und Schulen, selbst die so seltene venezianische
des Trecento, fehlen dort nicht. Die Berliner Galerie
verrät auch in ihrer Trecento-Abteilung das Bestreben
nach lückenloser Übersicht über die einzelnen Schulen;
es fehlen hier so bedeutende Stücke wie Paris und
London sie besitzen. Aber dafür sind alle wich-
tigeren Namen mit meist charakteristischen Werken
vertreten.

Der Charakter der so viel älteren Dresdner Galerie
wurde von den grossen fürstlichen Sammlern geprägt,
welche für das Trecento nicht einmal die Kuriosität
empfanden. Friedrich August II. hätte sicher in
Modena auch Trecentisten erwerben können; sein
Geschmack hätte sich gegen diese aber vielleicht
ebenso heftig gewehrt, wie der Louis' XIV. gegen
die holländischen Kleinmaler. Erst in unserem Jahr-
hundert ist eine Ergänzung nach dieser Seite für die
Primitiven, wenn auch in primitiver Weise, versucht
worden. Rumohrs' Nachlass (1846), Steinle's Ver-
mächtnis (1857) und vor allem die Versteigerung von
Woodburne's Nachlass (1860) boten Gelegenheit zur
Erwerbung. Während der früheste Quattrocentist
schon 1749 in Dresden einzog (es war Ercole Ro-
berti's herrliche Predelle Nr. 45 und 46), folgte ihm
der erste Trecentist erst hundert Jahre später.

Nicht aus archaisierenden Gründen scheint uns
das Trecento in jeder, die italienische Kunst re-
präsentierenden Galerie unentbehrlich. Wo fände sich
ein Archäologe, der die archaischen Gebilde des
6. vorchristlichen Jahrhunderts zum Verständnis der
Kunst der Ägineten und Olympias entbehren zu
können glaubte? Wenn Olympia gleich Quattrocento
gesetzt werden kann, dann rangiert die Aristion-Stele
mit Giotto. Der Gegenwart ist alles Primitive doppelt
reizvoll. Gern ahnt sie in der Knospe die Blüte,
und schätzt jene fast mehr als diese. Denn alles
Accessorische fehlt hier und der Verdacht der
Virtuosität kommt nicht auf. Können wir also einmal
den seligen Mönch von Fiesole oder Masaccio ohne
die Kenntnis der Giottoschule durchaus nicht verstehen,
so besitzt das Trecento noch die besondere Verwandt-
schaft mit dem Cinquecento, d. h. es enthält künst-
lerische Eroberungen, die im Quattrocento wieder
verloren gingen und erst in der Hochrenaissance
 
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