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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 13.1902

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Schmidt, Karl Eugen: Pariser Brief, [1]
DOI Artikel:
Wolf, August: Neues aus Venedig, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5809#0052

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87

Neues aus Venedig.

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und der Keramiker Edmund Lachenal. Groux ist wohl in
Deutschland ganz unbekannt, und ich glaube nicht, dass
die Bekanntschaft mit ihm für das Kunstverständnis des
Deutschen von Bedeutung ist. Er ist, glaube ich, mehr
Litterat als Maler, und seine Malerei hat einen durchaus
litterarischen Beigeschmack. Die Idee ist ihm alles, und
darüber geht die ganze Technik verloren. Wenn man ein
bisschen streng sein will, könnte man seine grossen, von
Blut und Mord überfliessenden Schilderungen mit den
»Images d'Epinal« vergleichen, deren bunte Pracht die
französischen Kinderherzen erfreut. Er sucht sich aus-
schliesslich solche Themen, welche den Beschauer mit
Grausen erfüllen: Dante's Hölle ist wohl fünfzehnmal ver-
treten, dann reitet Napoleon über ein mit blutigen Leichen
bedecktes Schlachtfeld, der ausgemergelte und blutende
Heiland wird einer Menge gezeigt, die aus unbekannten
Gründen ebenfalls zahlreiche blutige Männer und Frauen
in ihren Reihen hat, Soldaten erschiessen die zusammen-
gedrängten Frauen und Kinder der Streiker u. s. w. Leider
reicht das Können des Malers bei weitem nicht aus, um
diese schauerlichen Vorgänge wirklich schauerlich zumachen.
Sie wirken ganz im Gegenteil komisch, und das hat Herr
Groux doch wohl kaum beabsichtigt. Hugo d'Alesi ist
einer der bekanntesten französischen Künstler, und wer
immer in Frankreich oder Italien gewesen ist und sich
irgend einen Bahnhof der genannten Länder angesehen
hat, kennt ihn. Denn er hat alle diese schönen, bunten
Landschaften fabriziert, womit die Besitzer der Spiel-
höllen und Gasthäuser der Riviera und überhaupt von ganz
Südfrankreich Reklame machen und die in allen nach Süd-
frankreich führenden Bahnhöfen die Wände der Wartesäle
zieren. Die Ölgemälde, die er bei Petit zeigt, decken sich
vollständig mit diesen Plakaten: es sind gefällige, aber
höchst banale und durchaus uninteressante Arbeiten, die
in einem Wartesaal ganz gut am Platze sind, die man aber
nicht in seiner Wohnstube haben möchte. Lachenal ist
der unselbständigste von allen französischen Keramikern,
der unselbständigste und der bekannteste. Seine alljährlich
bei Petit stattfindenden Ausstellungen gleichen ganz den
beständigen Ausstellungen in den grossen Porzellan- und
Fayencemagazinen. Aber uninteressant sind sie keines-
wegs. Man findet in ihnen stets eine Übersicht über die
gesamte Jahresarbeit aller französischen oder in Paris aus-
stellenden Keramiker. Lachenal behilft sich nämlich ohne
eigne Ideen, indem er einfach die Ideen der andern an-
nimmt. Und darin ist er unerreicht. Sowie Bigot oder
Delaherche, Carabin, Dammouse oder sonst irgend
ein in Paris ausstellender Keramiker mit einer Neuheit
auftritt, kann man am Schlüsse des Jahres ungefähr die-
selbe Sache bei Lachenal sehen. Um die rechte Wahrheit
zu sagen, sind seine Imitationen sehr oft ebenso schön
wie die Vorbilder. In diesem Jahre bringt er ausser seinen
falschen Bigots, Dammouses u. s. w. auch ein paar falsche
Rockwoods und Gruebys, deren Vorbilder uns voriges
Jahr in der amerikanischen Abteilung des Kunstgewerbes
und dieses Jahr in der Ausstellung der Societe nationale
gezeigt wurden. Diese Jahresausstellungen Lachenais um-
fassen stets über tausend Nummern und neben allerklein-
sten Gegenständen finden sich grosse Arbeiten, die wochen-
oder gar monatelange Arbeit erfordern. Natürlich kann
Lachenal all das nicht allein fertig bringen. In der That
ist er denn auch weniger arbeitender Künstler als Unter-
nehmer und Fabrikbesitzer. Er beschäftigt eine ganze An-
zahl Bildhauer und Töpfer, kauft auch wohl Modelle von
bekannten Künstlern. So finden wir in seiner Ausstellung
Skulpturen von Rodin, Fix-Masseau, Frumerie und andern
mehr oder weniger bekannten Bildhauern.

Durch die Initiative des Polizeipräfekten Lepine haben

sich einige Künstler einem Gebiete zugewendet, das trotz
der heute stärker als je auftretenden Devise »die Kunst ins
Kinderzimmer« bisher nicht von bekannten Künstlern be-
baut worden ist. Wenn sich einmal ein wirklicher Künst-
ler diesem Gebiete näherte, so handelte es sich fast immer
um ein neues Bilderbuch. Dieses Mal sollen die Künstler
Spielsachen liefern, und zwar sind keine geringeren als der
grosse Tierbildhauer Fremiet, der Maler und Bildhauer
Geröme, der Soldatenmaler Detaille und der Bildhauer
Coutan von dem Polizeipräfekten aufgefordert worden, sich
an der von ihm ausgeschriebenen Konkurrenz zu beteiligen.
Bekanntlich sind die auf den Boulevards von den Came-
lots verkauften Spielsachen eine Pariser Spezialität, auf
deren scharfsinnige Erfindung und geschmackvolle Aus-
führung die Franzosen sehr stolz sind. Nun stellt sich seit
einigen zehn oder fünfzehn Jahren mehr und mehr heraus,
dass die französischen Spielwarenfabrikanten nicht im stände
sind, mit den deutschen zu konkurrieren. Jetzt sind viele,
wenn nicht die meisten der in Paris verkauften Spielsachen
deutschen Ursprungs und stammen aus Nürnberg oder
Sonneberg. Die Weltausstellung hat gezeigt, wie sehr die
deutschen Fabrikanten ihren französischen Kollegen über-
legen sind. Um nun dieser französischen Spezialität auf-
zuhelfen, hat der Polizeipräfekt, dem die Camelots in ge-
wisser Hinsicht unterstehen, eine Konkurrenz ausgeschrie-
ben und dazu die genannten Künstler eingeladen. Fremiet,
der sich in seinen winzigen Bronzefigürchen häufig in ko-
mischen und spielerischen Ideen gefällt, hat seine Arbeit
schon fertig. Es ist ein mit einem eingeschlagenen Cy-
linderhut bedeckter Affe, der einen Kochtopf vom Feuer
zieht und daraus ein Huhn nimmt. Die Sache soll dann
von irgend einem Spezialisten mit dem Mechanismus ver-
sehen werden, der die Figur lebendig macht. Es ist nicht
nur von französischer Seite, sondern überhaupt allenthalben
mit Beifall und Freude zu begrüssen, wenn sich grosse
Meister diesem Gebiet zuwenden. Hoffentlich bleiben
unsere deutschen Fabrikanten nun nicht dahinten, sondern
wenden sich ihrerseits an Künstler, die sie zur erfolg-
reichen Konkurrenz befähigen. k.' e. schmidt.

NEUES AUS VENEDIG

Am 11. November wurde die hiesige Internatio-
nale Ausstellung geschlossen. — Das Endergebnis ist
finanziell ein erfreuliches zu nennen: die Zahl der ver-
käuflichen Kunstwerke, die kleinen Bronzen nicht mit ein-
gerechnet, belief sich auf 533; 161 wurden verkauft, Ge-
mälde 146, Bildwerke 15. Es ergiebt sich also, dass
30 Prozent des Verkäuflichen erworben wurden (i8gg nur
26 Prozent). Die Venezianer verkauften 67 Prozent ihrer
ausgestellten Werke; diejenigen Künstler des übrigen
Italiens 34 Prozent, die Fremden 18 Prozent. Von den
32 venezianischen Ausstellern erfreuen sich 26, verkauft zu
haben. Von den kleinen Bronzen wurden 76 Prozent ver-
kauft, von den Radierungen und Zeichnungen 89 Prozent.
Die Summe, welche sich aus allen Verkäufen ergiebt, be-
läuft sich auf 360000 Lire.

Der längstgefasste Beschluss der Brüderschaft des
heiligen Rochus, den Schatz dieser religiösen Genossen-
schaft, nur am Festtage des Titolaren in der Scuola di S.
Rocco selbst bisher feierlich ausgestellt, für immer und
jederzeit dem Publikum zugänglich zu machen, wurde un-
längst ins Werk gesetzt. In übersichtlicher Aufstellung
bilden die prächtigen Reliquiarien, Kelche, Kirchengerät-
schaften aller Art, Gemälde, wertvolle Gewänder, ein
kleines Museum, von hohem Interesse für alle Kenner
solcher Dinge. Ein kleines, sehr gut abgefasstes Verzeichnis,
welches in der Scuola verkauft wird, verdankt man der
Feder des bekannten venezianischen Forschers Urbani-
 
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