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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 13.1902

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Graevenitz, G. von: Vom Victor Emanuel-Denkmal in Rom
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Schleinitz, Otto von: Neues aus London
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https://doi.org/10.11588/diglit.5809#0061

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Neues aus London.

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haltenen Schmuckformen an, die später wirklich zur
Ausführung gekommen, jetzt auch bereits von den
angrenzenden Strassen aus klar erkennbar sind, und
die unter Auffassung und geistiger Verarbeitung der
Antike in modernem Sinn sich die Zeit der hoch-
entwickelten griechischen Kunst, die vornehmsten
Zeugnisse ihres Siegeslaufs auf italischem Boden zum
Vorbilde genommen haben. Die reiche Polychromie,
die, wie wir jetzt wissen, griechische Kunstbauten
aufwiesen, wird dem Unterbau des Victor-Emanuel-
Denkmals allerdings fehlen, aber einen gewissen Er-
satz dafür wird der Gegensatz der Schatten und des
Halbdunkels mit dem weissleuchtenden Bresciasand-
stein (Botticino) bieten, den Sacconi, soviel bekannt,
als Erster für moderne Denkmäler verwendet, und
von dem etwa 25000 Geviertmeter erforderlich sein
werden. Ältere Brescianer Bauten zeigen, dass er
weniger verwittert als Travertin und seine Farbe
wenig verändert.

Aber wie gesagt, der bis jetzt fertige Bau stellt,
von den Fundamentierungsbauten abgesehen und rein
räumlich beurteilt, nur etwa die Hälfte des ganzen
Werkes dar. Über diesem Unterbau soll sich als
Hauptteil und Abschluss des Denkmals eine Triumphal-
Säulenhalle von 50 Säulen, 15 in der Front, erheben.
Ihr Fussboden wird etwa in Höhe der Fenster der
Kirche Aracoeli zu liegen kommen, ihre Bekrönung
zu der von Denkmalsbauten wohl kaum erreichten
Höhe von ös1/^ Meter ansteigen. An dieser Säulen-
halle wird auch die Farbe bunten Marmors und von
Mosaikbildern, welche die Hauptereignisse der natio-
nalen Geschichte darstellen werden, zum Schmuck
herangezogen werden. Es versteht sich von selbst, dass
die Ausschmückung des Denkmals im übrigen an die
Mitwirkung des Bildhauers weitgehende Anforderungen
stellt. Vorläufig sind dafür nur römische Bildhauer
in Aussicht genommen, was begreiflicherweise Wider-
spruch erregt.

Der vor kurzem erfolgte Wiederbeginn der Ar-
beiten nach etwa dreijähriger Pause, die nur durch
Vorbereitungen für den Weiterbau und Konservierungs-
arbeiten unterbrochen worden war, der Beginn des Baues
der krönenden Säulenhalle hat dem Verfasser dieser
Zeilen die äussere Veranlassung gegeben, dem deut-
schen Leser einen Überblick über den jetzigen Stand
des Monumentbaues zu geben. Im Dezember 1899
hatte ein Gesetz die via crucis der italienischen Volks-
vertretung durchlaufen, welches für den Weiterbau
des Denkmals acht Millionen anwies, die in fünf
Jahresraten zur Auszahlung kommen sollten. 3'/2 Mil-
lionen sollten dem Rechnungsjahr 1899/1900 zu
gute kommen: es ist zweifellos in erster Linie ein
Triumph der bureaukratischen Engherzigkeit der ita-
lienischen Oberrechnungskanimer, dann der Schwer-
fälligkeit der italienischen Gesetzesbestimmungen für
Kontrakte, Ausschreibungen u. s. w., wenn Graf Sacconi
erst jetzt nach mehr als einem Jahr in der Lage ist,
die Arbeiten wieder aufzunehmen. Die Gesamtkosten
des Denkmals sind auf 24 '/9 Millionen veranschlagt.
Von ihnen sind für Preisausschreiben, Expropriationen,
Gehälter, Schuppenbauten u. s. w. und die Reiter-

statue etwa 5^ Millionen verbraucht, fünf Millionen
sind verbaut. Es stehen also noch 14 Millionen zur
Verfügung. Graf Sacconi macht sich anheischig, die
Arbeiten in acht Jahren zu vollenden. Ja, wenn es
allein auf ihn ankäme!

Es giebt verschiedene Schmerzenskinder der
römischen öffentlichen Bauthätigkeit, so das Poliklini-
kum, dessen Aussenbau im allgemeinen vollendet ist,
dessen Innenausstattung aber noch fehlt, so das Justiz-
ministerium, dessen Bau in den letzten Jahren übrigens
recht gefördert ist. Aber beide Bauten haben ihre
einflussreichen Vorkämpfer, der erstere Baccelli, der
andere Zanardelli. Dem Victor Emanuel-Denkmal
und seinem Schöpfer wäre zu wünschen, dass es ab-
gesehen von dem jedesmaligen Arbeitsminister, bei
dem man doch schliesslich und durchschnittlich nur
auf eine einjährige Amtsdauer rechnen kann, seinen
Vorkämpfer in dem thatkräftigen Enkel des ersten
Königs finde, der vor wenigen Monaten den Thron
seiner Väter bestiegen hat.

* *

Nach Drucklegung des Aufsatzes ist die Trauer-
kunde von dem Ableben des hochbegabten, sympa-
tischen Enrico Chiaradia eingetroffen. Er hat weder
die Aufstellung des Reiterstandbildes auf dem vollen-
deten Denkmal noch selbst die endgültige Annahme
seines Werkes durch den Denkmalsausschuss erlebt.
Der Tod des im besten Mannesalter stehenden Künst-
lers bedeutet einen neuen Schlag des widrigen Ge-
schicks, das über dem Denkmalsbau waltet.

NEUES AUS LONDON
Die von der Firma Phos. Agnew St Sons in ihrer
Galerie in Old Bond Street ausgestellten Werke alter eng-
lischer Meister sind das Beste, was überhaupt in dieser
Beziehung bisher in London gesehen wurde. Die Zahl
der Bilder ist nicht so sehr bedeutend, aber ihre Qualität
durchweg erstklassig. Hierzu kommt, dass eine ganze
Reihe derselben niemals dem Londoner Publikum zuvor
bekannt gemacht worden war. Selbstverständlich ist das
grosse Dreigestirn der Porträtmalerei, repräsentiert durch
Reynolds, Oainsborough und Romney, in ausgezeichneten
Arbeiten vorhanden. Vornehmlich aber konzentrierte sich
hier das Interesse auf Gainsborough's »Herzogin von
Devonshire«, in Rücksicht der Schicksale dieses Gemäldes,
das bekanntlich die Firma Agnew 1875 in der Wynn-Ellis-
Auktion für 210000 Mark ankaufte. Kurze Zeit darauf
wurde das Bild der Firma gestohlen, die es jedoch auf
dem Wege gütlicher Unterhandlungen in diesem Jahre für
100000 Mark aus Chicago zurückerwarb und es dann für
einen kolossalen Preis an Mr. Pierpont Morgan veräusserte.
Der genannte amerikanische Sammler, der in den letzten
Jahren für ca. vier Millionen Dollar Kunstwerke ankaufte,
gab seine Genehmigung zur Ausstellung des betreffenden
Bildes. Das Bild ist unzweifelhaft echt und jedenfalls ein
wunderschönes Porträt, ob es indessen thatsächlich die
erste oder zweite Herzogin von Devonshire darstellt, er-
scheint mir nicht unbedingt gewiss. Ich halte die abge-
bildete Person mehr für eine interessante Demi-mondaine,
welcher der Händler, um sein Objekt leichter und besser
verkaufen zu können, einen damals sehr gangbaren Namen
gab. »Lady Ligonier« ist gleichfalls ein herrliches Porträt,
ebenso und nicht minder erstklassig »Isaac Henrique
 
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