Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 13.1902

DOI Artikel:
Holländischer Brief
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5809#0202

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
387

Holländischer Brief.

388

Kommt es dazu nicht, dann müssen wir uns be-
helfen mit den Abbildungen, welche in einem dem-
nächst erscheinenden Prachtwerk über Breitner ver-
öffentlicht werden.

*

• • *

Ungefähr gleichzeitig mit der Breitner-Ausstellung
fanden im Haag zwei Kunstausstellungen statt, in
»Pulchri Studio< und im »Kunstkring«. Von diesen
beiden war die erstgenannte die beste. Die meisten
Haager Altmeister waren vertreten. Bisschop z. B.
mit einem sehr schönen, etwas poetischen Gegenstand
aus dem friesischen Leben, eine junge Mutter, welche
in ihrem Bette liegt und glückstrahlend zu ihrem
Kind hinüberblickt, welches in einer reichkolorierten
altfriesischen hölzernen Wiege neben dem Bette steht.
Durch die halb geöffneten Fensterladen schlüpft ein
Sonnenstrahl ins Zimmer, welcher dem Ganzen eine
stimmungsvolle, fröhliche Färbung verleiht.

Josef Israels hatte gleichfalls ein hervorragendes
Bild eingesandt, eine der letzten Arbeiten dieses
Malers, welcher trotz seines hohen Alters noch fort-
während den Pinsel führt. Es stellt eine alte Fischers-
frau dar, welche eben ihren Kaffee trinken will,
der jedoch zu heiss ist, so dass sie durch Blasen
ihn abzukühlen sucht. Ein namentlich durch die
Farbenstimmung wunderbar wirkendes Bild! Das
andere Bild von Israels, ein Mädchen am Fenster,
war nicht so wirkungsvoll. Von Willem Maris eine
schöne, saftige Landschaft mit Kühen, von Mesdag
ein Strandbild von den gewöhnlichen Qualitäten dieses
Meisters. Und damit haben wir von den älteren
Meistern das beste genannt. Die jüngeren zeigten
sich meistenteils auf dieser Ausstellung von ihrer
schönsten Seite. So z. B. Haverman mit einem pracht-
vollen Mädchenporträt, Velazquez ähnlich behandelt
und in warmen Tönen gehalten. Dann Josselin de
Jongh mit einem Damenbildnis, der junge Richard
Bisschop mit zwei farbenreichen Kirchenansichten.
Auffallend waren auch die beiden Stillleben des
Willem E. Roelfs, namentlich das mit den Fischen,
ein frisches Stück Arbeit, technisch hervorragend und
sehr viel für die Zukunft versprechend.

Unter den Landschaftsmalern ist in erster Linie
Gorter zu nennen, welcher in der letzten Zeit immer
grössere Fortschritte macht. Seine gutkomponierten,
frisch und breit ausgeführten Baumlandschaften sind
mir sehr sympathisch, und namentlich das grosse
Bild, welches er hier ausgestellt hatte, zeigt ihn in
seiner vollsten Kraft. Lapidoth hatte ein sehr fein
gemaltes Gartenstück eingesandt Ein Gartenhaus
unter hohen Kastanienbäumen, davor Beete mit Salat,
Bohnen u. s. w., ein Bildchen von besonderem Reiz
und einer sehr sauberen technischen Ausführung.

Von Martens, Wysmuller, Sluyter, Akkeringa, Arnt-
zenitis, Basiert u. s. w. waren keine Bilder aus-
gestellt, welche diese Maler von einer besonderen
Seite zeigen: gute Bilder in ihrer gewohnten Art.
Es ist nicht möglich, hier alle guten Sachen zu nennen,

aber ich will doch noch auf fves Browne's Arbeiten
aufmerksam machen, namentlich auf einen sehr schön
gemalten Frauenrücken, wundergut gezeichnet, aus-
gezeichnet in der Wiedergabe des Lichts, einiger-
massen an den Franzosen Henner erinnernd.

Und dann noch die Bildhauerwerke von Dupuis
und van Wyk, beide in ihrer Alt ziemlich überein-
stimmende Talente, von denen jedoch ersterer etwas
mehr einen akademischen Zug in seinen Werken hat
als der zweite. Dupuis' Violinspielerin war mir von
den drei Arbeiten dieses Meisters am sympathischsten,
obwohl auch sein >Kuss«, namentlich als Aktstudie
vortrefflich heissen kann. Von van Wyk's Arbeiten
ist namentlich sein »Bettler« zu nennen.

Die Ausstellung des »Kunstkring« hatte nicht so
viele hervorragende Arbeiten aufzuweisen, und war
viel kleiner. Ausser den interessanten kunstgewerb-
lichen Arbeiten und den Bildhauerarbeiten von Dupuis
(unter denen namentlich der wundervolle Bogen-
schütze und das Porträt des bekannten holländischen
Violinspielers Hack zu nennen sind) sind in erster
Linie zu nennen die Gemälde von Floris Verster,
einem der begabtesten holländischen Blumen- und
Stilllebenmaler. Ferner Landschaften von de Bock,
Wichers (ein sehr stimmungsvoller, ausserordentlich
fein ausgeführter Mondaufgang) und Henricus, ein
gutes, wenngleich etwas unruhiges Bild von dem
jungen Maler Buisman, welches durch seine gut ge-
wählten Farben und tadellose Zeichnung auffällt; ein
Porträt von dem jungen Roelofs, eine Landschaft
von Bodifee u. s. w.

Ausser diesen Ausstellungen fanden noch eine
Sonderausstellung von Arbeiten des Jan Toorop (der
bekannte holländische »Secessionist« im deutschen
Sinne) in Leiden und Rotterdam statt, eine Ausstellung
von Gemälden u. s. w. von Allebe in Amsterdam u. s. w.
Augenblicklich ist im Haag bei Buffa eine Ausstellung
von Werken des V. Bauffe angefangen und in Amster-
dam eine grosse Ausstellung von Werken des bekannten
holländischen Radierers und Zeichners Bauer. Ein
reges Leben also auf dem Gebiet der bildenden
Kunst, welche in Holland fortwährend neue und gute
Kräfte bildet. Wenn wir auch im allgemeinen von
den Ausstellungen den Eindruck bekommen, dass die
älteren der lebenden Meister ihren Höhepunkt erreicht
haben und wenig Neues bringen, und dass es unter
den jüngeren eine ganze Schar giebt, welche, obwohl
sie sehr viel versprechen, noch nicht die Höhe ihres
Talentes erreicht haben, so kann die holländische
Malerschule doch augenblicklich mit einem gewissen
Stolz auf einige Grossmeister hinweisen, welche als
ebenso viele Sterne am holländischen Kunsthimmel in
grösstem Glänze strahlen. Unter diesen nimmt Breitner
eine erste Stelle ein als Maler, Bauer eine nicht ge-
ringere als Zeichner und Radierer. In meinem
nächsten Briefe hoffe ich eingehend etwas über Bauer's
Werke zu erzählen.

Rotterdam, im April 1902. C. B.
 
Annotationen