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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 14.1903

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Die Neuordnung der Dresdner Porzellansammlung
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https://doi.org/10.11588/diglit.5810#0021

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Die Neuordnung der Dresdner Porzellansammlung

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farbigen Auflagen (Schrank 62). Die Masse, aus der die
aufgelegten Reliefs gebildet sind, besteht angeblich aus
gekochtem Leim, Lack und Weizenmehl. Leider sind sie
so schadhaft, dass meist nur noch eine Schauseite dem
Publikum dargeboten werden kann. Mehr merkwürdig
als schön sind sodann die Vasen mit Elefantenköpfen
und Vogelbauern, die sämtlich für Europa fabriziert wurden
und in Meissen seiner Zeit nachgemacht worden sind.

Die japanische Abteilung hat durch die Neuaufstellung
nicht minder gewonnen wie die chinesische. Mit Glück
ist ihr in ihren Hauptstücken das Gepräge einer prächtigen
Porzellangalerie gegeben worden, wofür die in Ostasien
erworbenen Gefässe ja überhaupt bestimmt waren. Man
gewinnt hier den überraschenden Eindruck, dass das ja-
panische Porzellan noch dekorativer wirkt, als selbst das
chinesische, mag es auch sonst in vielen Punkten hinter
diesem weit zurückstehen.

Unbedingt am meisten gewonnen aber hat die Ab-
teilung des Meissner Porzellans. Es ist jetzt ein wirklich
imponierender Eindruck, den man von der Leistungsfähig-
keit der Meissner Manufaktur im 18. Jahrhundert empfängt.
Die Porzellane dieser Abteilung sind nach historischen
Gesichtspunkten, innerhalb der damit gegebenen Gruppen
aber nach technischen Gesichtspunkten aufgestellt, weil
hierin die geschichtliche Entwickelung in den Hauptwerken
klar vor Augen liegt. Dieser für Sachsen wichtigsten Ab-
teilung ist jetzt ein grösserer übersichtlicher Raum einge-
räumt, so dass sie jetzt als die zweite grösste Abteilung
der Sammlung erscheint und den zweiten Hauptraum der
Sammlung fast zu füllen scheint.

Dem Porzellan ging in Meissen bekanntlich das Stein-
zeug vorauf. Dieses interessante und reizvolle Erzeugnis
Böttger'scher Kunst ist durch das Porzellan so in den
Hintergrund gedrängt worden, dass man es in seiner
wahren Bedeutung fast ganz übersehen hat. Zum ersten-
mal sind jetzt durch Dr. Zimmermann diese Böttger'schen
Erzeugnisse so in Gruppen gegliedert, dass man die ganze
erstaunliche Mannigfaltigkeit ihrer Behandlung bequem
übersehen kann. In drei Tönen tritt das Böttger-Steinzeug
auf, hell- und dunkelrot oder -braun und als sogen. Eisen-
porzellan, dessen schwarze Tönung nicht beabsichtigt war,
sondern durch Überhitzung entstanden ist. Einzelne Stücke
weisen auch Marmorierung auf, die durch Vermischung
zweier verschieden gefärbter Thonarten entstanden ist.

Seine Veredelung hat dieses Steinzeug erhalten ein-
mal durch Schleifen, wodurch die ganze Oberfläche ihre
Politur erhielt, sodann durch Einschneiden vertiefter Or-
namente und endlich durch die Glasur. Wahrscheinlich
verwendete man nur eine tief lackartig schwarze Glasur,
die indes bisweilen mit einem unerreicht feurigen Farben-
spiel irisiert.

Die Dresdner Sammlung besitzt von diesem Steinzeug
ungewöhnlich grosse Stücke, als Vasen, Schalen, Mörser.
Zwei grosse braune Schüsseln zeichnen sich besonders
durch ihre fein empfundene Form aus. Den Abschluss
dieser Abtheilung bildet ein Kiosk mit roten Thonwaren
anderer Fabriken, besonders aus Bayreuth und aus Holland.
Damit ist für den Forscher Gelegenheit zu einem lehr-
reichen Vergleich gegeben.

An das Steinzeug schliesst sich das eigentliche
Böttger'sche Porzellan. Im Schrank 61 sind die — wenn
man so sagen darf — Inkunabeln vereinigt. Die ältesten
Stücke weisen noch eine gelbliche Masse auf. Herrn
Dr. Zimmermann ist es gelungen, mit ziemlicher Sicher-
heit nachzuweisen, dass einige der vorhandenen Stücke
dem Jahre der Erfindung, 170g, angehören. Sie kenn-
zeichnen sich durch etwas ungeschickte Technik, die auch
urkundlich bezeugt wird, und sind nicht völlig geglückt.

Vorwiegend weist dieses älteste Meissner Porzellan
plastische Verzierungen auf, daneben kommt die kolo-
ristische Dekoration in Betracht. Sechs Gruppen sind da-
bei zu unterscheiden: 1) Stücke mit Verzierungen in Email-
farben, die sich als echt Böttger'schen Ursprungs auch mit
voller Sicherheit nachweisen lassen, 2) Stücke mit Ver-
goldung, 3) mit Versilberung, 4) drei Versuchsstücke in
kobaltblauer Unterglasurmalerei (auch in der zweiten und
dritten Gruppe sind einige unverkennbare Versuchsstücke),
5) Stücke mit der lüstrierenden, sogenannten Perlmutter-
glasur, 6) Stücke mit kalter Bemalung (Überglasurmalerei)
mit Lackfarben, die meist jetzt sehr verdorben sind.

Die Gruppen des Böttger-Steinzeugs und des Böttger-
Porzellans sind in der neuen Aufstellung von grosser
Wichtigkeit für die älteste Geschichte der Porzellan-Erfin-
dung in Meissen geworden. Trotz aller Bücher liegt diese
Geschichte noch in vielen Punkten durchaus im Dunkel.
Dr. Zimmermann bleibt es vorbehalten, in dieses Dunkel
Licht zu bringen. Den Böttger-Gruppen folgen nunmehr
die Erzeugnisse der Herold'sehen Zeit, zunächst Gefässe
mit aufgemalten Chinesenscenen (Chinoiseries) und Land-
schaften, mit Vergoldung u. s. w., sodann die grosse
Gruppe von unmittelbaren Nachbildungen chinesischer und
japanischer Porzellane, namentlich des erwähnten Alt-
Imari, weiter die sogenannten Fondporzellane, die, bisher
fast alle ungenügend in Pulten aufgestellt, in der neuen
Aufstellung ganz vorzüglich zur Geltung kommen. In der
Leuchtkraft ihrer Farben — einheitlich gelb, blau, violett,
grün oder oliv u. s. w. im Fond — bilden sie eine her-
vorragende Zierde unserer Sammlung, ein farbiges Bild
von so ausserordentlicher Wirkung, wie man es in keiner
anderen Sammlung findet. Hieran schliesst sich weiter
der Schrank mit den historischen Servicen, darunter drei
für den sächsischen Hof: das Prunkservice mit dem säch-
sisch-polnischen Wappen, das rote Drachen- und das gelbe
Tiger- (oder Löwen-?) Service, dazu zwei für sächsische
Adelige, nämlich dasSulkowsky'sehe unddasfür August's III.
Finanzminister, den Grafen Hennicke. Auch alle diese
prächtigen Luxusgeschirre kommen in der neuen Auf-
stellung vorzüglich zur Geltung.

Mit den Apostelfiguren betreten wir nunmehr das Ge-
biet des Hauptplastikers der Meissner Manufaktur, Johann
Joachim Kandier, dessen Traum ja dahin ging, das Por-
zellan nicht bloss der Kleinplastik, sondern auch der monu-
mentalen Grossplastik dienstbar zu machen. Bei den
Aposteln steht in nächster Nähe ein zierlicher Kiosk mit
den vielen kleineren Vögeln, namentlich der geschlossen
aufgestellten überaus reizenden Taubengruppe. Dann
fallen uns sechs Vasen auf mit den Wappen von Frank-
reich und Navarra: offenbar wurden sie zur Heirat der
Prinzessin Maria Josepha hergestellt, die als Gemahlin des
Dauphins Ludwig von Frankreich die Mutter Ludwig's XVI.
und Ludwig's XVIII. wurde. Diese Vasen mit ihrer präch-
tigen Feinmalerei, unbedingt die schönsten aus Meissens
Barockzeit, sind jetzt so aufgestellt, dass man auch die
bemalten Rückseiten — Jagdstücke und Kriegsscenen —
bequem sehen kann.

Die nunmehr folgende Rokokoabteilung ist leider noch
immer sehr wenig umfangreich, obwohl in den letzten
Jahren mancherlei recht gute Stücke angekauft worden
sind, um diese sehr missliche Lücke zu beseitigen. Be-
denkt man, dass gerade die Rokokoperiode für die Be-
rühmtheit der sächsischen Manufaktur ausschlaggebend
geworden ist, so erscheint es ganz besonders wünschens-
wert, dass jede Gelegenheit benutzt werde, um gute Ro-
kokofiguren und Gefässe für die Dresdner Sammlung zu
erwerben. Eile thut dabei not, denn die Preise für diese
Werke steigen noch immerzu.
 
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