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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 14.1903

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Die Neuordnung der Dresdner Porzellansammlung
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Römischer Brief
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https://doi.org/10.11588/diglit.5810#0022

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Römischer Brief

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In der Milte sind hier die grossplastischen Werke zu
einem langen schimmernden Prospekt aufgestellt. Die
erste Gruppe umfasst die plumpen vorkändlerischen Tiere
und die grottesken rot angestrichenen Barockvasen; die
zweite aber die geistvollen und lebendigen, zum Teil sehr
wirksam bemalten grösseren Tiere Kändler's — Vögel,
Affen, Katzen, Hunde, Ziegen, Schafe u. s. w. — sowie
desselben zwölf prächtigste Vasenschöpfungen, darunter
die bekannten Schneeballvasen. Die merkwürdigen viel-
figurigen Gruppen aber, die früher zerstreut standen, sind
jetzt alle miteinander in einem ausgesparten Raum an der
Fensterwand zusammen gestellt. Den Mittelpunkt bildet
das Modell zu dem berühmten nicht ausgeführten Denk-
mal für August den Starken. Darum gruppieren sich die
Gruppen der Kreuzigung Christi und des Opfertodes des
Heiligen Franz Xaver. Sehr wirksam sind hier auch die
beiden lachenden Chinesenbüsten sowie die beiden Lustig-
macher Fröhlich und Schmiedel zwischen den technischen
Bravourstücken zweier Rad schlagender Pfauen aufgestellt.
Sehr günstig wirkt für die Gruppen das Seitenlicht, während
das lästigere scharfe Vorderlicht ihnen durch den Mangel
jedes Schattens etwas unangenehm Kreidiges gab.

Jenseits der Mittelgruppen beschliessen die Meissner
Abteilung die Gefässe und Figuren aus der Marcolinizeit
und aus dem 19. Jahrhundert. Der Empirestil, der sich
mit der Zeit des Grafen Marcolini im wesentlichen deckt,
bietet noch immer sehr Tüchtiges und Anerkennenswertes.
Bei den späteren Erzeugnissen der Meissner Manufaktur
im 19. Jahrhundert nützt alle Kunst des Aufstellens nichts.
Der Abstand von dem, was man auf der anderen Seite
gesehen hat, ist gross. Die ausgeleierten alten Formen
und die bunten Farben geben ein deutliches Bild des Ver-
falls. Erst in neuerer Zeit hat man in Meissen wieder
angefangen, nach der alten Vollkommenheit zu streben,
erreicht ist sie noch nicht wieder.

Nächst dem Meissner Porzellan erscheint jetzt auch
in einem Schranke für sich die Gruppe des Alt-Wiener
Porzellans im Empirestil, die ein fesselndes Gegenstück
zu den gleichzeitigen Meissner Arbeiten bietet. Mit Recht
sind auch noch die sechs prachtvollen Sevres-Vasen in
Königsblau, Gold- und Silberdekor als Gruppen für sich
aufgestellt, die als Geschenke Napoleon's I. nach Dresden
gekommen sind. Selbst in Frankreich wird man nicht
leicht so hervorragende Stücke finden. Auch aus Valen-
ciennes, wo die französische Manufaktur sich befand, ehe
sie nach Sevres kam, ist eine Seltenheit allerersten Ranges
vorhanden.

Die Neuaufstellung der Dresdner Porzellan-Sammlung
durch Dr. Zimmermann muss als eine grosse Verbesserung
gegenüber dem bisherigen Zustande bezeichnet werden,
da sie durch die Einteilung in klare Gruppen zum ersten-
male wirklich einen vollen Überblick über die Schätze der
weltberühmten Sammlung giebt und das Gesamtbild be-
deutend gesteigert hat. Auch sind vorzügliche Stücke, die
vorher nicht zur Geltung kamen, jetzt in besseres Licht
gerückt, der Gesamteindruck ist festlicher, reicher und ge-
schlossener geworden; das Ganze ergiebt ein Bild heiterer
festlicher Pracht, und das ist völlig im Sinne des Begrün-
ders der Sammlung, der bekanntlich das damals neuerworbene
und umgebaute japanische Palais mit den chinesischen und
japanischen Porzellanschätzen in prachtvoller Weise deko-
rieren und es zu einem wahren Tempel des Porzellans
umgestalten wollte. Die von August dem Starken damals
angestrebte Weiträumigkeit ist natürlich im Johanneum
gegenwärtig ausgeschlossen. Trotz aller Kunst des Auf-
stellens, die Dr. Zimmermann entfaltet hat, lässt sich der
Eindruck des Gedrängten nicht völlig vermeiden. Es bleibt
somit nur zu wünschen, dass dieser hervorragenden

Sammlung so bald wie möglich die ihrem Werte ange-
messenen Räume geschafft werden. Dann wird sich wohl
auch ermöglichen lassen, sie allgemein umsonst zugänglich
zu machen und damit mehr als bisher die Teilnahme des
Publikums für die Keramik zu erregen und den Geschmack
auf diesem Gebiete zu heben. Wer aber von auswärts
nach Dresden kommt, der versäume nicht der Sammlung
in ihrem neuen Glänze einen Besuch zu machen. Er wird
es nicht bereuen. «»

RÖMISCHER BRIEF

Vom Nonnenkloster der Villa Mills herüber läutet
ein Glöcklein mit schüchterner Stimme das Ave Maria,
und wie ein Echo fluten die Glockentöne aller Kirchen
der ewigen Stadt über den verlassenen Kaiserhügel
dahin. Noch vor wenig Monaten konnte man in den
üppigen Klostergarten schauen, wo die Rosen dufteten
und grosse Buchsbaumhecken die grünen Gemüse-
beete umspannten. Seit die Mauern von S. Bona-
ventura gefallen, dringt kein profanes Auge mehr in dies
Klosterheiligtum, das nur die Phantasie erobern kann mit
ihren Wünschen und Träumen. Es giebt in keiner Stadt
der Welt ein so liebliches Geheimnis wie dies Kloster auf
dem Palatin und man kann es nur noch in deutschen
Märchen lesen, was hier Wirklichkeit geworden ist. Die
Pinien und Cypressen, welche sich schwarz und schwei-
gend vom glühenden Abendhimmel abheben, scheinen
organisch verwachsen zu sein mit den Zinnen und Türmen
des phantastischen Schlosses, das seit Jahrzehnten voll-
ständig dem Verfall preisgegeben ist. Hier hängt noch
ein Fensterladen mühsam in den Angeln, dort ist eine Thür
notdürftig mit Brettern verschlagen, ja selbst die Mauern
und das Dach beginnen hier und dort zu fallen und zu
rücken. Wann wird einmal der ganze Bau zusammen-
brechen? Wann werden die hohen Umfassungsmauern
einstürzen und dem Forscher den Weg öffnen in das lang
gehütete Heiligtum des Palatins? Man denkt mit Furcht
und Freude an diesen Augenblick. Ein Stück geheimnis-
voller Poesie wird mit der Villa Mills vom Kaiserhügel
verschwinden, und was der Forscher gewinnt, wird der
Dichter verlieren.

Gegenüber auf der niedrigen Mauer ihres arg ver-
kleinerten Gärtchens unter der hohen Palme zwischen
blühenden Oleandern hocken die Mönche von San Bona-
ventura und geniessen am ruhig rauschenden Brunnen
die beginnende Kühle des Abends. Langsam senkt sich
auf die glühende Stadt der Schleier der Nacht; die gol-
denen Abendwolken, welche St. Peters düstere Kuppel
umschweben, erblassen allmählich, und eine zarte Mond-
sichel schwebt über den immergrünen Höhen des Janiculus.
Wie still ist es hier oben! Nur unten im Stadium spielen
noch auf den gefällten Säulenriesen die Kinder eines
Gärtners, der eben in seinen Gärten die grossen müden
Sonnenblumen tränkt, die den ganzen Tag ihrem strahlen-
den Genius die Stirn geboten haben. Hoher Staub bedeckt
den Boden und die antiken Mauern, die jetzt unter nieder-
gerissenen Bauten von S. Bonaventura freigelegt sind.
Die Ausgrabungen werden weiter geführt werden müssen,
tief in die Kellergewölbe hinab will man die Disposition
des antiken Bauwerkes erkennen, und soll das geschehen,
dann muss auch das Pinienpaar geopfert werden, das jetzt
| noch seine dunklen Schatten über das grosse Trümmerfeld
breitet.

Quer über den Palatin um die Villa Mills herum führt
der Weg hinauf zu den Farnesinischen Gärten und zum
Palast des Caligula. Im Garten der Villa haben unzählige
Heimchen ihre feinen Stimmen erhoben und einige Krähen
 
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