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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 14.1903

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Römischer Brief
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5810#0023

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Bücherschau

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kommen krächzend vom Kapitol herübergeflogen und
suchen hier in den hohen Cypressen das gewohnte Nacht-
quartier. Unten auf dem Forum, in S. Maria Antiqua, und
im Vestatempel haben die Arbeiter aufgehört zu schaffen,
und die Nebel der Nacht senken sich leise auf das Trüm-
merfeld herab; man meint, dass sie kühlend die glühenden
Glieder des zerstörten Organismus dort unten umfangen.
Die Säulen des Phidias, des Saturn- und des Castor- und
Polluxtempels ragen wie Masten gesunkener Schiffe aus
dem Nebelmeer empor; darüber leuchten die weissen
Wände des Titusbogens, des Marksteins des Forums, und
auf den gigantischen Mauern des Kolosseums scheint noch
ein schwacher Abglanz der gesunkenen Sonne zu ruhen.
Ein kühler Nachtwind streicht durch die immergrünen
Eichen und in der Stadt entzünden sich langsam die
Lichter in Häusern und Strassen. »Einsam und gedanken-
voll« wanderte einst Bramante über dieses Trümmerfeld;
Michelangelo erläuterte hier seinen Freunden, was ihnen
in Dante's Fegefeuer unverständlich geblieben war; und
früher schon verglich der Sekretär Martin's V., Poggio
Brandolini, das Forum dem entseelten Körper eines
Riesen, der mit Wunden bedeckt und seiner Waffen be-
raubt ist. Die Menschen gehen vorüber, aber die Gedanken
pflanzen sich fort, und diese Steine reden und zeugen
Gegenwärtigen und Zukünftigen den Wandel der Dinge.

Die wahrhaft grossen und weitherzigen Gesichtspunkte,
nach welchen die Vatikanische Bibliothek unter ihrem derzeiti-
gen Präfekten, P. Ehrle, verwaltet wird, sind neuerdings oft
gerühmt und allgemein aufs dankbarste anerkannt worden. Es
giebt zur Zeit wohl kaum eine öffentliche Bibliothek in Europa,
welche ihre Schätze der Forschung mit gleicher Liberalität
zur Verfügung stellt wie die Vaticana. Weniger bekannt sind
die grossen wissenschaftlichen Aufgaben, welche sich die
Verwaltung der Bibliothek gesetzt hat, und von denen ein
Teil bereits gelöst ist. P. Ehrle begann seine fruchtbringende
Thätigkeit vor Jahren mit der Prachtausgabe des Apparta-
mento Borgia, damals noch von Stevenson unterstützt;
jetzt plant er eine Geschichte des Vatikanischen Palastes,
von Dokumenten und Plänen begleitet — ein Objekt der
Forschung, wie Kultur- und Kunstgeschichte kaum ein
glänzenderes bieten können. Ausserdem ist eine Publi-
kation von Handschriften und Miniaturen im Werk, aufs
würdigste eingeleitet durch die Publikation der drei mexi-
kanischen Codices der Vaticana. Der Duca Loubat, ein
amerikanischer Bibliophile, hat die ganze Auflage dieser
einzigartigen Bilderhandschriften auf eigene Kosten her-
stellen lassen; Padre Ehrle hat den Text verfasst. Keins
der Exemplare ist in den Handel gekommen; sie wurden
vielmehr von dem amerikanischen Krösus an Beteiligte
und Interessenten verschenkt. Schon im Jahre 1899 hat
P. Ehrle als ersten Band der »Codices e Vaticanis selecti«
den sogenannten »Codex Vaticanus« des Virgil in Photo-
typie vollständig herausgegeben. Heute liegt auch die
Ausgabe des sogenannten Codex Romanus fertig vor,
die bekannteste und glänzendste der vier Virgilhand-
schriften, welche die Vaticana besitzt. Sie stammt aus
dem 5. oder 6. Jahrhundert und ist, wie alle diese
Handschriften, in Kapitalien geschrieben. Die neunzehn
erhaltenen Miniaturen des Codex aus Eclogen, Georgicon
und Aeneis sind aufs beste reproduziert, der Text ist in
Phototypien in Auswahl gegeben. Zwei Blätter sind nicht
nur in Lichtdruck, sondern auch in Farbendruck reprodu-
ziert und geben einen hohen Begriff von der Leistungs-
fähigkeit moderner Reproduktionskunst selbst in Italien.
Die wissenschaftliche Einführung beider Codices ist von
P. Ehrle in lateinischer Sprache verfasst und enthält eine
Beschreibung der Codices, ihrer Schicksale und der wissen-
schaftlichen Bearbeitungen, welche sie bis dahin gefunden

haben. Die Entstehungszeit der Handschriften wird zu
bestimmen versucht, die umfangreiche Litteratur ist zu-
sammengestellt, und die einzelnen Blätter sind aufs sorg-
fältigste beschrieben und erklärt worden. Die Ausgaben,
welche, was Glanz der Ausstattung und Gediegenheit der
wissenschaftlichen Methode anlangt, ihresgleichen suchen,
sind nur in 100 Exemplaren hergestellt. Die Einbände
sind sämtlich nach dem klassischen Typus der Bibliothek
Altemps hergestellt: Holzdeckel mit Lederrücken und
Metallbeschlägen. Für die nächsten Jahre hat der Präfekt
der Vaticana die Ausgabe der Palimpseste, Ciceros De
republica und der Briefe des Fronto, vor allem aber des
berühmten Josua-Rotulus in Aussicht genommen. Ausser-
dem sollen alle Miniaturen des Pontificale des Kardinals
Ottoboni, des Terenz, des Menologium des Kaisers Basi-
lius II. mit der Zeit publiziert werden. Endlich wird auch
das Museum der Vaticana seine Schätze der Forschung
erschliessen. Baron Kanzler bereitet eine Publikation von
allen Elfenbeinskulpturen vor, Professor Nogara eine Aus-
gabe der Aldobrandinischen Hochzeit und der griechischen
und etruskischen Vasen. Später sollen auch einmal sämt-
liche Goldgläser bearbeitet werden. Alles dies ist seit
wenig Jahren im Werk und darf als ausschliessliches Ver-
dienst des jetzigen Leiters der Vatikanischen Bibliothek
angesehen werden. Möchten alle Pläne sich so schön
verwirklichen und von der Wissenschaft in gleicher Weise
anerkannt werden wie die Ausgaben der Virgilhandschriften,
möchte der Präfekt der Vaticana, den wir mit Stolz einen
Deutschen nennen, in seiner rastlosen Thätigkeit von dem
Bewusstsein getragen werden, dass Mit- und Nachwelt
seine Verdienste dankbar würdigen und anerkennen werden!

E. St.

BÜCHERSCHAU
Oscar Doering, Des Augsburger Patriciers Philipp Hain-
hojer Reisen nach Innsbruck und Dresden. X. Band der
Neuen Folge der Quellenschriften für Kunstgeschichte
und Kunsttechnik des Mittelalters und der Neuzeit.
Wien, Carl Graeser & Co., 1001.

Wer einmal den kultur- und kunstgeschichtlichen Wert
der Hainhofer'schen Reiseberichte kennen gelernt hat und
weiss, wieviel brauchbares Material in ihnen steckt, der
wird es dem Herausgeber der »Quellenschriften« Dank
wissen, dass er dem vor sieben Jahren erschienenen
Hainhoferbande, der die Beziehungen des Augsburger
Patriziers zum Herzog Philipp II. in Pommern-Stettin aus
dessen Korrespondenzen mitteilte, nun einen zweiten folgen
lässt, der die Berichte über die in den Jahren 1628 und
1629 entnommenen Reisen nach Innsbruck und Dresden
enthält, und ausser wichtigen Beiträgen zur Geschichte der
Innsbrucker und Dresdner Bauten und der Erwähnung
vieler zeitgenössischer Künstler dem Kunstforscher eine
ausführliche Beschreibung des kostbar ausgestatteten und
mit vielerlei Raritäten und Kunstsachen gefüllten Kunst-
schrankes bietet, der von dem Augsburger Meister Ulrich
Baumgartner ausgeführt, von Hainhofer nach Innsbruck
gebracht wurde, um hier von den Tirolern dem zu Besuch
dort weilenden Grossherzog Ferdinand II. von Toscana
zum Geschenk gemacht zu werden. — Die mit vielen
wertvollen Anmerkungen versehene Ausgabe, in der ein
ausführliches Künstler- und Ortsregister eine schnelle
Orientierung ermöglicht, hat wie die des anderen Hain-
hoferbandes Oscar Doering besorgt. Eine längere kritische
Betrachtung über den Wert, die Zuverlässigkeit und die
Quellen der Hainhofer'schen Schriften bildet die Einleitung,
die zugleich auch ein Verzeichnis, zum Teil mit kurzer
Inhaltsangabe von allen Hainhofer'schen Reiseberichten,
deren Zahl 22 beträgt, enthält. — Wichtig ist auch der
 
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