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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 14.1903

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Voss, Georg: Der Tag für Denkmalpflege in Düsseldorf
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https://doi.org/10.11588/diglit.5810#0032

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstr. 13

Neue Folge. XIV. Jahrgang

1902/1903

Nr. 3. 23. Oktober

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Ver-
lagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstrasse 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von H aasen st ein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

DER TAG FÜR DENKMALPFLEGE IN
DÜSSELDORF

Vor wenigen Tagen ist das treffliche neue Gesetz
zum Schutz der Denkmäler im Grossherzogtum Hessen
in Kraft getreten. Welche Hoffnungen hatte man an
dieses mutvolle Vorangehen der hessischen Regierung
geknüpft! Man glaubte, die übrigen deutschen Staaten
würden nun schnell hintereinander diesem Beispiel
folgen und Gesetze erlassen, damit endlich den
herrlichsten Schöpfungen der deutschen Kunst früherer
Jahrhunderte ein besseres Schicksal zu teil werde
als bisher.

Doch auf dem jetzt in Düsseldorf zusammen-
getretenen »Tage für Denkmalpflege« war von diesen
Aussichten nur noch wenig die Rede. Im Gegenteil!
Statt der überschwenglichen Hoffnungen von ehedem
ging ein Zug der Enttäuschung durch die Versamm-
lung. Man beginnt einzusehen, dass alle die mit so
heisser Sehnsucht erstrebten neuen Gesetze zum Schutz
der Denkmäler nur dann einen Wert haben, wenn
die Staaten die reichlichen Geldsummen bewilligen,
welche zur Erhaltung der Bau- und Kunstdenkmäler
früherer Jahrhunderte erforderlich sind.

Indessen gerade der grösste unter den deutschen
Bundesstaaten, Preussen, hat die Summen, welche im
Vorjahr zur Erhaltung der Denkmäler bestimmt war,
ganz erheblich verkürzt. Ein Posten von hundert-
tausend Mark ist aus dem neuen Etat gestrichen.
Die Erhaltung der Denkmäler ist daher in Preussen
auch fernerhin fast ausschliesslich auf die Beihilfe der
Provinzialverwaltungen, der Stadtgemeinden und ein-
zelner anderer Körperschaften angewiesen — oder auf
die Lotterien, deren Schicksal heute durch die Ver-
mehrung der grossen Staatslotterien immer ungünstiger
zu werden scheint.

Aus der niedergeschlagenen Stimmung, mit der
die Versammlung diese Mitteilung empfing, ging der
Beschluss hervor, das preussische Ministerium und
beide Häuser des preussischen Landtages zu ersuchen,
die gestrichene Summe wieder in den Etat einzustellen.
Eine Anzahl namhafter Fachgelehrter aus allen Teilen
Deutschlands trat mit warm empfundenen Worten
für diesen Beschluss ein. Das wird dieser Resolution
sicher einen grossen Nachdruck geben.

Über die neuesten Gesetze, welche in einzelnen

europäischen Ländern für die Erhaltung der Denkmäler
im Laufe des letzten Jahres erlassen sind, gab Geh.
Rat von Bremen-Berlin einen trefflichen Überblick.
Italien hat im Laufe des Sommers ein neues, besonders
weitgehendes Gesetz zum Schutz der Denkmäler
erlassen. Der reiche Kunstbesitz der italienischen
Kirchen und Klöster wird dadurch zum erstenmale
in umfassender Weise geregelt. Doch die Durch-
führung aller dieser Bestimmungen wird voraussichtlich
auf grosse Schwierigkeiten stossen, denn da gilt es,
in das freie Eigentumsrecht zahlloser kirchlicher Körper-
schaften einzugreifen. Welches Ministerium wird da-
zu in Italien den Mut besitzen? Ideal und Wirklich-
keit werden sich hier wohl noch lange Zeit schroff
gegenüberstehen. In denselben Tagen, als das neue
Gesetz in Italien erlassen wurde, stürzte in Venedig
der Campanile von San Marco zusammen!

In der Schweiz haben die beiden Kantone Waadt
und Bern besondere Gesetze erlassen. Die Abneigung
der Bevölkerung gegen derartige Bestimmungen ist
besonders im Kanton Bern lebhaft hervorgetreten.
Bei der Volksabstimmung, die nach Schweizer Art
über das neue Gesetz veranstaltet wurde, waren
zwölftausend Stimmen gegen das Gesetz, für das
Gesetz nur zwanzigtausend Stimmen. Ein einheitliches
Gesetz für alle Kantone einzuführen, hat die schweize-
rische Bundesregierung absichtlich bisher noch unter-
lassen. Trotzdem thut dieselbe ausserordentlich viel
zur Erhaltung der Kunstdenkmäler in der Schweiz,
namentlich durch die mustergültige Einrichtung des
schweizerischen Centraimuseums in Zürich. Dasselbe
ist mit sehr reichen Mitteln ausgestattet, um schweize-
rische Kunstwerke, nicht nur im Inlande, sondern auf
allen grossen Kunstversteigerungen des Auslandes auf-
zukaufen, damit diese Werke dem Lande dauernd
erhalten bleiben.

In Österreich ist ganz vor kurzem ein Gesetz-
entwurf vorgelegt, um Bauwerke früherer Jahrhunderte
vor dem Verfall zu schützen. Professor Neuwirth-
Wien berichtete darüber in eingehender Weise. Das
neue Gesetz soll sich indessen vorläufig nur auf die
Gebäude erstrecken, welche sich im öffentlichen Besitz
befinden. Privatleute, welche im Besitz eines hervor-
ragenden Bauwerkes aus früheren Jahrhunderten sind,
können indessen den Antrag stellen, dass ein solches
Bauwerk unter den Schutz des Staates 'gestellt wird.
 
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