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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 14.1903

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Der VII. internationale kunsthistorische Kongress in Innsbruck
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https://doi.org/10.11588/diglit.5810#0036

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Der VII. internationale kunsthistorische Kongress in Innsbruck

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in Zeitschriften erschienenen kunstgeschichtlichen Aufsätze
und zwar in Form eines Zettelkataloges, der in Blockbuch-
form veröffentlicht werden soll. Jeder Aufsatz müsse auf
mehreren Zetteln verzeichnet werden, so dass der Besitzer
die Zettel, die an einem perforierten Strich abzutrennen
sind, in verschiedene Kategorien ordnen kann. Bei dem
Umfang der Arbeit müsse Arbeitsteilung stattfinden, indem
viele Gelehrte, von denen jeder eine oder mehrere Zeit-
schriften katalogisiert, dafür gewonnen werden. Sobald
die Katalogisierung einer Zeitschrift beendet sei, könne sie
veröffentlicht werden. Jeder Zettel hat genügend freien
Raum für handschriftliche Bemerkungen des Besitzers.
Nachdem A. Jellinek, welcher die ersten beiden Hefte
seiner Internationalen Bibliographie der Kunstwissenschaft
verteilen lässt, das Unternehmen aufs wärmste empfohlen
hat, und darauf hingewiesen worden ist, dass Prof. Brock-
haus in Florenz eine Zettelkatalogisierung für die Litteratur
der letzten zehn Jahre in Arbeit hat, wird -der Antrag zur
weiteren Beratung an den ständigen Ausschuss verwiesen.

Der Maler Alphons Siber-H&W legt von ihm angefertigte
Kopien der neuentdeckten Fresken im Schlosse von Avio
vor und giebt einen Uberblick über die Geschichte des
Schlosses. Der Bildercyklus ist in zwei Reihen angeordnet,
die Darstellungen sind profanen Charakters und über-
treffen an Mannigfaltigkeit und Schönheit noch die Fresken
von Runkelstein. Eine Ansicht der Burg von Avio, ritter-
liche Waffenspiele und Ringkämpfe sind die Hauptgegen-
stände. Der Vortragende setzt die Fresken ins 14. Jahr-
hundert.

Für den Nachmittag hatte Graf Enzenberg eine kleinere
Zahl der Kongressmitglieder nach seinem Schlosse Tratz-
berg bei Jenbach eingeladen. Der Graf empfing seine Gäste
am Bahnhof, und in bereit gestellten Wagen fuhr man nach
dem Schlosse hinauf, wo der Besitzer mehrere Stunden lang
führte und alles erläuterte. Der jetzige Bau des Schlosses
stammt in seinen Hauptteilen aus dem Ende des gotischen und
dem Beginn des Renaissancezeitalters. Die Innendekoration
trägt vorwiegend den Charakter des letzteren, die ge-
schnitzten Decken und die Wandtäfelung sind in mehreren
Sälen vollständig erhalten. Interessant ist es, nicht nur den
Kampf zwischen gotischen und Renaissance-, sondern auch
zwischen italienischen und deutschen Formen zu beobachten.
Ein Saal enthält in zahlreichen auf die Wand gemalten
Halbfiguren den Stammbaum des kaiserlichen Hauses von
Österreich bis auf Maximilian und Philipp den Schönen.
Wenn das Werk auch stark modern übermalt ist, so kann
man doch noch erkennen, dass die Hypothese, der Urheber
sei der im benachbarten Schwaz nachweisbare Bernhard
Strigl gewesen, nicht ganz unbegründet ist. In einem
anderen Raum werden drei Miniaturen von 1508 bewahrt,
deren Verfertiger augenscheinlich derselbe Künstler ist. Die
meisten beweglichen tirolischen Kunstwerke des Schlosses
befinden sich in der Ausstellung zu Innsbruck. Von anderen
Tafelgemälden sind die bemerkenswertesten eine Madonna
von Carlo Crive/li (Bezeichnung stark verwischt), ein vor-
züglicher kleiner Schmerzensmann mit zwei Engeln aus
dem Jahre 1530 von Lukas Cranach und das Brustbild
einer Madonna mit Kind, niederländisch, aus dem Anfang
des 16. Jahrhunderts zwischen Gossaert und dem Meister
vom Tode derMaria stehend. Nach eingenommenen Mahl, bei
welchem Prof. Dietrichson-Christiania den Schlossherrn in
ergreifender Rede mit Aladin mit der Wunderlampe ver-
glich, wurde bei heftigem Gewitter, welches dem während
der ersten beiden Kongresstage herrschenden schönen und
heissen Wetter auch für die folgenden Tage ein Ende
bereitete, die Rückfahrt nach Jenbach angetreten.

Die übrigen Kongressmitglieder hatten sich teils nach
Schwaz, wo sie von Bürgermeister und Ratsherren festlich

empfangen wurden, teils nach Kloster Slams begeben, wo
ihnen der Abt Mariacher und die Mönche freundlichen
Willkommen boten. Beiderwärts wurden die Kunstschätze
mit Interesse besichtigt und nach beiden Seiten wurde
von der Kongressleitung am nächsten Tage telegraphischer
Dank ausgesprochen. In den späten Abendstunden ver-
einigten sich viele Kongressmitglieder zu Innsbruck in dem
gastlichen Hause des Universitätsprofessors von Scala.

Der dritte Kongresstag, Donnerstag den 11. September,
wurde mit einem Vortrage des Prof. Arthur Schneider-
Leipzig über südtirolische Schlösser eröffnet und zugleich
gelangte durch die Dietrich'sche Verlagsbuchhandlung
Theodor Weicher-Leipzig eine bei ihr erschienene Schrift
des Vortragenden: »Zur Topographie südtirolischer Burgen.
Vorbereitende Studie zum Vergleiche solcher mit antiken
Siedelformen des Südens« zur Verteilung. Der Vortragende
behandelte als Beispiele die landesfürstliche Burg in Meran
und die Burg Ried im Talferthal bei Bozen. Von beson-
derem Interesse ist die bisher noch nicht beantwortete
Frage nach dem Alter und Ursprung der Türme vieler
Burgen, welche durch die Überlieferung meist als Römer-
türme bezeichnet werden. — Darauf begaben sich die Mit-
glieder in das Ferdinandeum, das Museum, wo Dr. Hof-
stede de Oroot-Haag in Gegenwart des k. Statthalters
von Tirol einen Vortrag über die in dem Museum befind-
lichen holländischen Bilder des 17. Jahrhunderts hielt, der
durch die Bilder selbst erläutert wurde. Er begann mit dem
kleinen Jugendbilde Rembrandt's von 1630, das den Vater
des Künstlers darstellt. Zum Vergleich legte er den Stich von
Vliet nach dem Bilde, sowie andere Darstellungen Rem-
brandt's nach seinem Vater, den er als kostenfreies Modell
benutzte, vor. Von dem Rembrandtschüler Carel Fabritius,
von dem es nur vier beglaubigte Bilder giebt, besitzt das
Museum ein früher dem Rembrandt selber zugeschriebenes
Bild, welches den Tobias darstellt, wie er mit seiner Frau
vor seinem Hause sitzt und ihr Vorwürfe macht, dass sie
die Ziege gestohlen habe, was sie ihm als unrichtig er-
weist. Auch dieses Bild bestätigt die Vorliebe des Fabritius,
die Figuren dunkel vor einen hellen Hintergrund zu setzen.
Von dem vielseitigen Albert Cuyp besitzt die Sammlung
ein Jugendbild, drei kleine Mädchen mit einem Lamm, das
ihn noch ganz in den Bahnen seines Vaters zeigt und
noch keine besondere Lichtwirkung hat, und eins der
beiden Interieurs, die von Cuyp erhalten sind (das andere
in der Sammlung Suermondt-Aachen). Das Innsbrucker
Interieur ist aus Cuyps bester Zeit und stellt die grosse
Kirche zu Dortrecht mit reizvoller Beleuchtung dar. Unter
den Bildern des Aert van der Neer wird besonders das
Tagbild hervorgehoben. Gut vertreten ist die Poelenburgh-
gruppe und zwar durch den Meister und mehrere seiner
Schüler. Ein kleines Herrenbildnis in ganzer Figur von
Terborch stellt wahrscheinlich nicht, wie der Katalog an-
giebt, einen Amsterdamer Bürgermeister dar, sondern, da
es nach den Anzeichen des Stils der späteren Zeit des
Künstlers angehört, als er in Deventer wohnte, eine
Persönlichkeit aus jener Stadt. Für eine interessante Bildnis-
gruppe von zwei Herren und zwei Damen, welche in der
Galerie Frans Hals genannt wird, weiss der Vortragende noch
keinen Namen. Wahrscheinlich ist der Schöpfer ein Künstler,
der hier nur ausnahmsweise in lebensgrossem, sonst aber
in kleinem Formate malte. Von dem Architekturmaler
Jan v. d. Heyden giebt es ein halbes Dutzend von Stillleben,
zu denen auch ein kleines Innsbrucker Bild gehört. Trotz
sauberster Einzelausführung haben diese Bilder nichts
Kleinliches. Das Bild mit einem Herrn und seinem Diener
auf der Kaninchenjagd, das im Katalog dem Kaspar
Netscher zugeschrieben wird, hält Hofstede eher für das
Werk eines Vlamen. Das dem Philip Wouwerman und
 
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