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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 14.1903

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Schmidt, Karl Eugen: Pariser Brief, [1]
DOI Artikel:
Bach, Max: Die Neuordnung der Stuttgarter Gemäldegalerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.5810#0068

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H3

Die Neuordnung der Stuttgarter Gemäldegalerie

114

Dutzend angemalte Skulpturen, alles schaudervoll, höchst
schaudervoll.

Der Maler Alphons Stengelin, der ebenfalls eine
Sonderausstellung bei Petit hat, ist auch kein Himmels-
stürmer, aber er beleidigt uns doch nicht durch aufdring-
liche Selbstüberschätzung. Er ist Landschafter und gefällt
sich in still poetischen Marinen, Schafherden, Dünen,
Waldesrändern und ähnlichen Motiven, die wir bei den
modernen holländischen Landschaftern finden. Von diesen
hat er offenbar gelernt, und wenn man boshaft sein wollte,
könnte man fast für jedes seiner Bilder ein holländisches
Vorbild nennen. karl euoen schmidt.

DIE NEUORDNUNG DER STUTTGARTER
GEMÄLDEGALERIE

Die Stuttgarter Staatsgalerie hat im Laufe des Sommers
eine durchgreifende Neuordnung erfahren, welche alle
Kunstfreunde mit Freuden begrüssen werden. Der neu-
ernannte Galerieinspektor, Herr Professor Dr. K. Lange,
zugleich Professor der Kunstgeschichte und Ästhetik an
der Universität Tübingen, hat mit grosser Umsicht und
Sachkenntnis die Umhängung in unglaublich kurzer Zeit
bewerkstelligt, besonders wenn man bedenkt, dass gleich-
zeitig umfassende Änderungen und Verbesserungen an
den Wänden und Decken der verschiedenen Räume aus-
geführt werden mussten. Man ist erstaunt, welche Schätze
da zum Vorschein gekommen sind, die jetzt erst gewürdigt
werden können. Der ganze Vorrat an Gemälden in Staats-
besitz wurde nochmals gemustert und ergab reiche Aus-
beute, teils aus der Königlichen Altertümersammlung, teils
aus den Apanageschlössern zu Ludwigsburg und Monrepos,
verschiedenen Depots und dergleichen. Das Prinzip der
Neuordnung beruht auf einer historischen Anordnung
innerhalb der Zeiten und Schulen, während seither die im
Laufe der Jahre neu erworbenen Gemälde eben nur ein-
gereiht wurden, wo gerade Platz war, um einer weiter-
gehenden Umhängung aus dem Wege zu gehen. Die
schon im Jahre 1854 erworbene Galerie Barbini-Breganze
ist seither fast unberührt geblieben, man musste sich die
zusammengehörenden Schulbilder aus zwei Sälen und
sechs Kabinetten mit vieler Mühe zusammensuchen.

Der letzte Pavillonsaal des nördlichen Flügels (links)
beginnt mit den Altdeutschen, dann folgen die Nieder-
länder, Spanier und Franzosen und in den neuen Sälen
die Italiener. Im anschliessenden Festsaal sind neben den
Porträts der Könige Karl und Wilhelm II. Kopien nach
italienischen Meistern, Raffael, Tizian und dergleichen, auf-
gehängt. Das Zimmer, welches die Vermächtnisse der
Königin Olga enthält, wurde beibehalten, aber besser ge-
ordnet.

Der Flügel rechts enthält die modernen Gemälde;
beginnend mit dem Saal der Klassizisten, dann folgt die
Periode zwischen 1830 und 1860, in den neuen Sälen die
Gemälde der neuen und neuesten Zeit. Es war keine
leichte Aufgabe, unter der Fülle der Bilder aus neuerer
Zeit eine gewisse Rangordnung, ein System zu schaffen.
Prof. Lange half sich damit, dass er einen sogenannten
patriotischen (vaterländisch historischen) Saal arrangierte,
in welchem die grossen Schlachtengemälde von Faber du
Faur und Bleibtreu, das Kannstadter Volksfest von Schau-
mann und dergleichen geordnet sind. Dieser ist als Ein-
trittssaal in die Galerie sehr gut gewählt und erfüllt seinen
'Zweck, das grosse Publikum zu belehren, vollständig.
Weniger allgemeine Zustimmung wird die anschliessende
Galerie erhalten, welche zumeist grosse Bilder, die Schlacht
von Salamis von Kaulbach, die grossen Bilder von Rüstige

und Grünenwald, Wallenstein und Seni von Nahl u. s. w.,
enthält. Wie wir hören, sind aber hier noch Änderungen
zu erwarten. Wenn wir in diesem Raum von Überfüllung
sprechen können, so bieten dagegen die neuen Säle im
hinteren Flügel noch viel Platz zu neuen Anschaffungen,
auf die man rechnen muss. Überall ist darauf Bedacht
genommen, dass die hervorragenden Stücke der Sammlung
schon durch den ihnen zugewiesenen Platz als solche
kenntlich gemacht und der besonderen Beachtung der
Galeriebesucher empfohlen werden. Inschriften an den
Saaleingängen und in den Sälen und Kabinetten selbst
dienen zur Orientierung. Hand in Hand mit der Neu-
ordnung ist auch die Katalogisierung und Bestimmung der
Bilder neu ins Werk gesetzt worden, und man darf ge-
spannt sein auf den neuen Katalog, der eine ganze Reihe
von neuen Bestimmungen enthalten wird. Wir werden
später noch darauf zurückkommen.

Die altdeutsche Abteilung hat sehr wertvolle Be-
reicherungen erhalten durch Überweisung einer Anzahl
Bilder aus der Altertümersammlung; so ist jetzt der be-
rühmte Heerberger Altar in Tausch gegen den kunstge-
schichtlich weniger wertvollen Thalheimer in der Galerie
aufgestellt und damit das Werk Zeitblom's vervollständigt.
Ausserdem wurden die Gemälde von Schaffner und Strigel
mit verschiedenen anderen aus genannter Sammlung hier
vereinigt. Sehr wertvoll ist die Zuweisung einiger Bilder
der Sammlung an die Schule von Multscher und den
Meister C. W. von 1516, Friedrich Herlin u. s. w. Die
beiden Porträts von Amberger, welche aus der Hassler-
schen Sammlung stammen, sind zufolge einer kaum noch
zu entziffernden Inschrift auf der Rückseite jetzt richtig
erkannt als ein Herr David von Tettighofen aus Lindau
und seine Frau Afra; also nicht Rehm aus Augsburg, wie
man seither annahm. Das Porträt im Maximilianmuseum
zu Augsburg ist keine Wiederholung, sondern Kopie des
hiesigen Bildes.

Die Kabinette im nördlichen Flügel haben jetzt Ober-
licht erhalten, so dass die hier aufgehängten kleineren
Niederländer erst jetzt gewürdigt werden können; auch
die zur Anwendung gebrachte Tapezierung in verschiedenen
Farbtönen wirkt sehr vorteilhaft. Alles Lob verdient die
Zusammenstellung der Gemälde in den einzelnen Kabinetten;
| wie schön z. B. das Kabinett mit den Altniederländern,
die seither unter der Masse der anderen Bilder ganz ver-
schwunden sind, ebenso die Spanier und Franzosen, die
Italiener des 16. Jahrhunderts mit dem schönen Altarblatt
; von Carpaccio aus der ehemaligen Galerie Barbini-Breganze,
j der Pietä des Giovanni Bellini und dergleichen mehr. Der
I Eingangssaal enthält die grossen Niederländer, als Haupt-
i stück tritt uns sofort das schöne Familienstück von van
j Geest entgegen, einst der Pommersfelder Galerie angehörig.
Rechts tritt man in den Saal der Spanier und Franzosen
mit dem herrlichen Zurbaran, welcher im Jahre 1865 für
10000 fl. erworben wurde. Die lange Galerie, in welcher
früher die Gegenbauer'schen Kartons zu den Fresko-
gemälden im Königlichen Schloss aufgestellt wurden, ent-
hält jetzt die späteren Italiener des 17. und 18. Jahr-
hunderts; die Caracci, Varotari, da Ponte, Strozzi, Tiepolo,
G. Reni, viele venetianer Architekturen von Canale,
Marieschi u. s. w., fast sämtlich aus der Barbinigalerie
stammend.

Diese früher wenig beachtete und wegen ihrer vielen
Kopien in keinem guten Ruf stehende Galerie, die be-
kanntlich im Jahre 1854 von König Wilhelm I. in Venedig
erworben wurde, ist jetzt durch sorgfältige Auswahl und
chronologische Aufstellung wieder zu Ehren gelangt.

Es darf schliesslich nicht unerwähnt bleiben, dass jetzt
 
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