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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 14.1903

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Warncke, Paul: Berliner Brief, [3]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5810#0115

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207

Personalien — Denkmalpflege

208

Begabung des Malers und für die Grösse seines Könnens.
Aber viel lieber betrachtet man doch ein Gemälde, das
mit der Treue der Beobachtung und Lebenswahrheit der
Schilderung zeichnerische und malerische Vorzüge und
starke echte Empfindung so ganz verbindet, wie der
»Zigeunertanz«, und viel mehr Freude als jene nicht von
Effekthascherei freien Darstellungen gewähren einzelne
kleine, farbig besonders schöne »Pferdestudien«.

Das Krankhafte in Anglada's Bildern macht sich
hier aber um so stärker fühlbar, als gleichzeitig in
demselben Saale das Bild eines Deutschen gezeigt wird,
das von blühender Gesundheit und quellender Frische förm-
lich strotzt, und gegen das übrigens auch, was sonst noch
vorhanden, wie die trefflichen Schneebilder des Skandi-
naviers Ans heim Schultzberg, die tüchtigen, wenn auch
nicht so wie wir es gewohnt sind, befriedigenden Gemälde
Eugen Bracht's, und wie die im einzelnen zum Teil sehr
feinen, in der Gesamtheit aber recht langweilig wirkenden
Werke der »Group of Glasgow landscape painters«, völlig
zurücktritt und verblasst, nämlich die in natürlicher Grösse
geschilderte Landschaft »Mittagsbrüten« von Carl Vinnen-
Osterndorf. Es ist ein Werk von grossartiger, herrlicher
Lebenswahrheit und Klarheit, erfüllt und durchglüht von
Reinheit und Tiefe der Empfindung und Stimmung, ein
Bild, so schlicht und monumental, und trotz der neun
Jahre, die Vinnen zur Vollendung gebraucht, wie gesagt,
so frisch, so farbenleuchtend, dass man es ein Meister-
werk nennen und wieder und wieder den innigen Wunsch
aussprechen darf, dies durch und durch deutsche Kunst-
werk möge der Nationalgalerie einverleibt werden, die ja
»der deutschen Kunst« geweiht ist! paui Warndk.

PERSONALIEN
Der Maler Professor Albert Kornek, Senior der
Berliner Künstlerschaft, hat am 11. Januar sein 90. Lebens-
jahr vollendet.

DENKMALPFLEGE
Vom Meissner Dombau. In der Meissner Dombau-
angelegenheit sind wichtige Entscheidungen gefallen. Am
30. Dezember 1902 fand in Dresden die Hauptversamm-
lung des Dombauvereins statt. Sie war ganz schwach be-
sucht, so dass der Vorstand die Mehrzahl der Stimmen
hatte. Drei Tage vorher war endlich die längst ver-
sprochene Denkschrift erschienen, die über die Geschichte,
die Thaten und die Pläne des Vereins Auskunft giebt.
Der erste Teil ist vom Oberschulrat Dr. Peter in Meissen,
dem zweiten Vorsitzenden des Dombauvereins, verfasst.
Man erfährt daraus nicht gerade viel Neues. Der Vorstand
bleibt trotz aller Einwände von zuständigen Seiten auf
seinen Plänen bestehen. Zustimmung zu der Absicht, nach
Schäfer's Entwurf zwei Türme zu bauen, kann der Bericht
keine anführen, als die des inzwischen verstorbenen Frank-
furter Architekten Linnemann, der bekanntlich zuerst einen
eigenen Entwurf eingereicht, dann aber sich eine Zeitlang
für den Schäfer'schen Entwurf erklärt hatte. Diese Zu-
stimmung aber hat Linnemann durch eine Zuschrift an die
Frankfurter Zeitung ausdrücklich zurückgenommen. Dieses
zeitweilige Schwanken Linnemann's ist neben Wallot's be-
kanntem, nirgends schriftlich begründetenLobwort die einzige
Zustimmung, die der Dombauverein für Schäfer anzuführen
weiss. Wir können uns das Schwanken nur daraus er-
klären, dass Linnemann sich dabei beruhigt hat, dass er
die Ausführung der Glasfenster im Meissner Dom erhalten
werde, dass sich später aber sein künstlerisches Gewissen
wieder geregt hat. Es wäre nun gewiss angezeigt ge-
wesen, dass der Vorstand des Meissner Dombauvereins

alle die gewichtigen Stimmen angeführt hätte, die sich
gegen Schäfer erklärt haben und dass er sie widerlegte.
Davon ist keine Rede. Der sehr wichtige Einwurf des
Sächsischen Ingenieur- und Architektenvereins, dass ein
zweitürmiges Motiv übermächtig ausfallen werde, wird
nur erwähnt. Das Gutachten des Königl. sächs. Altertums-
vereins mit der Unterschrift des jetzigen Königs von Sachsen
wird abgethan mit der Redensart, der Verein habe »er-
innern zu müssen geglaubt«, dass nicht die Erneuerung,
sondern die Erhaltung des Domes die wichtigste Aufgabe
sei. Die Würdigung des Entwurfs durch den Dresdner
Architektenverein wird hervorgehoben; die Mahnung des
Vereins aber, den Schäfer'schen Entwurf durch Meister
der mittelalterlichen Baukunst prüfen zu lassen, hat der
Vorstand des Dombauvereins in den Wind geschlagen.
Es ist ja möglich, dass ein solches Gutachten eingeholt
worden und dass es ungünstig ausgefallen ist, aber er-
wähnt wird in der Denkschrift keinerlei Gutachten. Gar
nicht besprochen wird in der Denkschrift der gewichtige
Widerspruch der Professoren Dr. Otto Haupt in Hannover,
Dr. Dehio in Strassburg und v. Bezold, "ersten Direktors
des Germanischen Museums in Nürnberg, ebensowenig

I der in der Deutschen Bauzeitung und der der berühmten
englischen Society for protection of ancient buildings.
Betreffs des ausgezeichneten Gurlitt'schen Buches über die
Westtürme des Meissner Domes wird auf Schäfer's Denk-

! schritt hingewiesen; schliesslich heisst es, der Vorstand
verkenne nicht einen gewissen (!) Gegensatz zwischen dem
grössten Teile seiner Mitglieder, darunter seine drei Vor-
sitzenden, und der Mehrzahl der Architekten, er dürfe sich
aber nicht darin beirren lassen, die Beschlüsse der General-
versammlung auszuführen (also nichts Sachliches, sondern
nur ein rein formelles Bedenken, das sich bei gutem
Willen im Handumdrehen aus der Welt schaffen Hesse).
Weiter wird noch gesagt, in den weitesten Kreisen des
Sachsenlandes herrsche der Wunsch, den Meissner Dom
durch monumentale Türme zu krönen. Dass diese weite-
sten Kreise nur in der Einbildung des Dombauvereins be-
stehen, ersieht man aus der geringen Mitgliederzahl. Der
Vorstand wagt nicht einmal diese Zahl zu nennen, sondern
sagt nur, es seien von 1897—1902 insgesamt 23500 M.
durch Mitgliederbeiträge eingegangen. Wir hören, er habe

I nur noch gegen 1100 Mitglieder, darnach wäre die Zahl
stark zurückgegangen, wie ja auch aus dem Vorstand eine
Anzahl hervorragender Männer ausgetreten sind, weil sie
das Vorgehen der Mehrheit nicht billigen konnten.

Es ist endlich aus dem Bericht festzustellen, dass die
kritische Arbeit an den Beschlüssen des Dombauvereins
nicht gänzlich erfolglos gewesen ist: die Pläne mussten
ausgestellt werden, der Königl. sächs. Kommission zur Er-
haltung der Kunstdenkmäler ist ein gewisses Aufsichtsrecht
eingeräumt worden, und der Vorstand hat sich trotz der
Annahme der Schäfer'schen Pläne entschliessen müssen,
Schäfer aufzufordern, er möge überlegen, ob nicht der
Aufbau der Türme in etwas zu luftiger und zu wenig ge-
schlossener Weise gedacht sei. Schäfer hat sich zwar dazu
bereit erklärt, aber einen neuen Entwurf hat er nicht ge-
liefert. Schäfer hat dazu noch keine Zeit gefunden.

Die Denkschrift Schäfer's über den Meissner Dombau
kann man nicht anders als dürftig nennen. Man sollte
doch meinen, er müsste zur Rechtfertigung seiner Entwürfe
die Einwürfe seiner Gegner ausführlich widerlegen, er
müsste sich vor allen Dingen ausführlich mit Gurlitt's ge-
wichtiger, so vornehmer und sachlicher Schrift über, den
Meissner Dom beschäftigen. Die wissenschaftlichen Gründe,
die Gurlitt für die dreitürmige Anlage vorbringt und die

| in der wissenschaftlichen Welt durchaus überzeugt haben,

I fertigt Schäfer mit ein paar oberflächlich aburteilenden
 
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