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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 14.1903

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Dülberg, Franz: Zur Restauration des Dürer'schen Paumgartner-Altars in der Münchner Alten Pinakothek
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https://doi.org/10.11588/diglit.5810#0120

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstr. 13

Neue Folge. XIV. Jahrgang 1902/1903 Nr. 14. 30. Januar

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur Zeitschrift für bildende Kunst« und zum >Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Ver-
lagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an e. A. Seemann, Leipzig, Querstrasse 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasensteiii & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

ZUR RESTAURATION DES DÜRER'SCHEN
PAUMGARTNER-ALTARS IN DER MÜNCHNER
ALTEN PINAKOTHEK
Mit vier Abbildungen

Das unter dem Namen »der Paumgartner'sche
Altar« bekannte, etwa 1503 entstandene Dürerbild der
alten Pinakothek, das als Mittelstück eine Geburt
Christi, als Innenseiten der Flügel zwei fast lebens-
grosse Stifter in roter Rittertracht enthält, ist einer
vorläufig nur die Flügel treffenden eingreifenden
Restauration unterzogen worden. Veranlassung gab
die Herrn Konservator Dr. Karl Voll verdankte Fest-
stellung der Thatsache, dass vier früher in der Wiener
Sammlung Klinkosch, j'etzt in der hiesigen Kunst-
handlung Leitner befindliche, noch aus guter Zeit
(um 1550) stammende, tüchtig gemalte, nur im Ton
etwas schwer braune Bilder als getreue Kopien des
Zustandes der Innen- und Aussenseiten der genannten
Flügel zu betrachten sind, in welchem sich diese vor
einer im Anfang des 17. Jahrhunderts erfolgten Über-
malung und Erweiterung befanden. Während allen
Dürerfreunden die Ritter als mit Helm nnd Schild
und mit ihren Rossen in grüner Landschaft stehend
geläufig waren, zeigen uns die Leitner'schen Kopien
die beiden Männer, wie sie, das Haupt nur mit einer
Netzhaube bedeckt, auf kargem steinigen Boden vor
einfach schwarzem Grunde stehen (man vergl. zu diesen
Ausführungen die umstehenden Bilder). Schild, Rosse
und grüner Wald fehlen, dafür hält der eine Ritter
als heiliger Georg den erlegten Drachen, der andere als
Eustachius die Kreuzesfahne. Den Aussenseiten der
Dürer'sehen Flügel, wo eine frühere Überlieferung
die Heiligen Katharina und Barbara gesehen haben
wollte, und die, wie man glaubte, den Massnahmen
zur Verklammerung der beim Erweitern der Innen-
bilder angestückten Bretter zum Opfer gefallen waren,
entspricht auf der Kopie eine Verkündigung in Halb-
grisaille, in den Zügen des Engels von deutscher
Süssigkeit, gross im Gewandwurf der Maria. Die
Aussage der Bilder des Kunsthändlers wurde durch
andere im Germanischen Museum bewahrte, etwas
jüngere Nachbildungen derselben Flügel bekräftigt,
und eine Untersuchung der Originale ergab, dass
wenigstens an den Innenteilen unter der späteren

Zuthat das Alte, den Kopien genau entsprechend,
im wesentlichsten erhalten geblieben war. Mit Recht
wurde schon früher angenommen, dass die Über-
malung und Erweiterung von der Hand des bayrischen
Hofmalers J. G. Fischer herrühre und bald nach 1613,
dem Jahre, in dem Kurfürst Maximilian I. sich das
Werk vom Nürnberger Rat für seine Münchner
Kunstkammer schenken liess, entstanden sei. Diese
Veränderungen entsprachen dem Wunsche, den grossen
Figuren freiere Bewegung im Räume zu geben und
durch einen reicher belebten Hintergrund die Gesamt-
haltung der Flügel der des weit und tief aufgebauten
Mittelbildes anzunähern. Dürerische Handschrift wurde
uns so wohl kaum verdeckt: von jeher hat man in
dem Paumgartner'schen Altar nur das beste Werk-
stattbild Dürer's gesehen1): der Anteil des Meisters
dürfte sich auf die Vorzeichnung und auf die Aus-
führung der Köpfe und sonstigen Hauptsachen an
den Innenteilen beschränkt haben, — und die Über-
arbeitung im 17. Jahrhundert betraf nur Beiwerk.
Den Laien, die ihr Auge auf dem Bilde ruhen Hessen,
kam kaum das Gefühl eines inneren Widerspruches:
nicht ohne Geschick und mit kluger Benutzung
Dürerischer Motive hatte der spätergekommene Maler
sich in die Sorgfalt einer entschwundenen besseren
Zeit einzuleben gesucht, und so, wie sie waren, haben
die Flügel des Paumgartneraltares unsern Romantikern
den Gedanken deutscher Ritterschaft verbildlicht, so
haben sie in den siebziger Jahren des abgelaufenen
Jahrhunderts fördernd auf die Bestrebungen zur Wieder-
belebung des deutschen Renaissancestiles gewirkt.

So, wie sie waren! Denn so sehr es zu begrüssen
ist, dass man auf der Rückseite des Originals wenigstens
bedeutende Fragmente der edel gezeichneten Er-
scheinung Mariä aufdecken konnte, so möchte ich
wenigstens es bedauern, dass die Gestalt, in der die
Bilder der roten Ritter, im Walde so manches be-
deutende Auge in Liebe auf sich zogen, nun un-
wiederbringlich vernichtet wurde. Ich habe die Ori-
ginale, an denen die Arbeit fast vollendet ist (der
Name Professor Hauser sen. bürgt für die peinlichst
gewissenhafte und technisch unübertreffliche Aus-
führung der Restauration) sehen dürfen: ein wenig

1) Thausing, Dürer I, 181. Janitschek, Gesch. d. deut-
schen Malerei S. 336 f.
 
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