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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 14.1903

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Schleinitz, Otto von: Londoner Brief, [1]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5810#0124

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225

Institute — Archäologisches

226

zuletzt 1827 in der Königlichen Akademie ausgestellt worden.
Von Reynolds ist das beste zur Stelle befindliche Werk
Angerstein's Kindern Bekanntlich bildete die von Anger-
stein gesammelte Gemäldegalerie den Grundstock der
heutigen »National-Gallery« in Trafalgar Square.

Die Unterhandlungen der Erben von Lord Leighton's
Haus, die letzteres der Stadt London mit all seinen Kunst-
schätzen unentgeltlich überlassen wollten, haben sich zer-
schlagen und infolge dessen werden die dortigen Räume
gelegentlich zu Ausstellungen benutzt. An der Spitze des
bezüglichen Komitees steht Mrs. Russell Barrington, eine
Freundin und die einzige Schülerin von G. F. Watts, die
gleichzeitig auch der Familie Leighton's nahe steht. So
fand dort eine Ausstellung von Werken Dante Gabriel
Rossetti's statt, die um so interessanter war, weil die hier
aus dem Besitz seines noch lebenden Bruders William
Michael vereinigten Bilder bisher so gut als unbekannt
galten. In einer anderen Ausstellung daselbst hatte sich
Mrs. Rüssel Barrington das Verdienst erworben, die im
präraffaelitischen Stil ausgeführten Arbeiten von Mrs. de
Morgan vorzuführen.

Ein auf die präraffaelitische Epoche Millais' bezüg-
liches, Ende vorigen Jahres erschienenes Buch enthält in
HolzschnittübertragungdieOriginalzeichnungen des ersteren
nebst Faksimilewiedergabe der auf den Gegenstand statt-
gehabten Korrespondenz. Aus den Schreiben Millais' wird
ersichtlich, dass er sich mit der Lieferung seiner Arbeiten
unausgesetzt in Rückstand befand und die Verzögerungen
zu entschuldigen sucht.

Weder in Paris noch in London vermochte der ver-
dienstvolle Kupferstecher Charles Meryon bisher so voll-
ständig gewürdigt zu werden, wie es jetzt dank der Be-
mühungen der Firma Obach hier möglich ist, denn kaum
ein nennenswertes Blatt dieses Künstlers fehlt in der be-
treffenden Ausstellung. Wie so viele andere seiner Leidens-
gefährten gelangte auch dieser Meister erst verhältnis-
mässig spät zur vollen Anerkennung. Ausser seinen eigenen
vorhandenen Radierungen ist die Sammlung sehr passend
durch die von Bracquemond und Flameng hergestellten
Porträts Meryon's vermehrt.

Von neuen Erscheinungen im Gebiet der graphischen
Kunst sind vornehmlich zu erwähnen: »Lady Ligonier«
von Pratt, in Mezzotint, nach Gainsborough; Die Herzogin
von Devonshire«, aus dem Besitz des Herzogs, der Tradition
nach von Downman gemalt, in Mezzotint übertragen von
Scott Bridgewater (P. & D. Colnaghi). Ferner sind zwei
ausgezeichnete Radierungen im Verlage der Firma Lefevre
erschienen: »Marie Antoinette*, zart und doch bedeutende
Tiefe im Ton besitzend, und »La Laitiere<, dessen Original
Baronin N. Rothschild dem Louvre vermachte. Die beiden
von Jules Jacquet nach Greuze übertragenen Blätter sind
als Radierungen ersten Ranges zu bezeichnen. In einer
Mitte Dezember bei Christie abgehaltenen Auktion von
Kupferstichen wurden ganz aussergewöhnlich hohe Preise
gezahlt, so z. B. für »Miss Moncton«, ganze Figur, von
J. Jacobe gestochen, nach Reynolds, 18900 Mark. Die
Gesellschaft der »Painter Etchers«, der Malerradierer, hat
den Beschluss gefasst, dass ihre Mitglieder künftig die
Ausstellungen auch mit Reproduktionen beschicken dürfen,
diese Vergünstigung aber sich in dem Verhältnis von 1:3
bewegen muss, d. h. auf drei Originalarbeiten ist eine
Übertragung zulässig. Hauptsächlich fand diese Statuten-
veränderung deshalb statt, um den Kupferstechern in
ihrem Kampf gegen den mechanischen Prozess und vor
allem gegen die Photographie eine geeignete Unterstützung
zu gewähren.

Zwei grosse Sammlungen, die Vermächtnisse des
Mr. Constantin Alexander Jonides und von Mr. Charles

Gassiot sind den betreffenden Instituten übergeben worden
und zwar hat von dem ersteren das »South Kensington
Museum«, von dem letzteren die Stadt London geerbt.

In der Kunstindustrie macht sich augenblicklich die
Mode geltend, Zierate aller Art in dem Stile Flaxman's
herzustellen, und da, wo es möglich ist, Wedgwood anzu-
bringen. Das berühmteste Werk dieser Art, einen silber-
vergoldeten Schild, ausgeführt. nach . dem von Flaxman
entworfenen Modell, besitzt bekanntlich 'der, Graf von
Lonsdale in Lowther Castle, das der Kaiser^unlängst mit
seinem Besuche beehrte. o. v. Schleinitz.

INSTITUTE

Rom. Archäologisches Institut. In der Sitzung vom
9. Dezember berichtete [Professor_Gelzer aus Jena in an-
schaulicher, humorvoller Weise über eine Reise in West-
macedonien (Ochrida, Sucti, Naum, Korytza) zum Zwecke
von Archivforschung und Inschriftensammlung. Photo-
graphische Aufnahmen veranschaulichten die besuchten
Orte und die eigenartigen Volkstypen dortiger Gegend;
byzantinische Inschriften mit Datierung von Kirchen und
Klöstern wurden ^.vorgelegt und j erklärt. ^ Professor Mau
besprach die Heizvorrichtungen ,in antiken Bädern, und
kritisierte in treffender Weise eine neue Theorie Krell's,
welche_der allgemein ^angenommenen Ansicht über diesen
Punkt entgegen steht. Er erkannte das Gewicht einer
solchen technischen Autorität vollkommen an, wies aber
auf Grund antiker^Zeugnisse (vor allem Vitruv), baulicher
Einrichtungen und endlich an Aschenresten (vor allem in
nördlichen Ländern in der sogenannten »Suspensura«_ge-
funden) nach, dass die Luftströmung nicht von innen gegen
den Heizraum, sondern umgekehrt ihren Weg genommen
habe. Er hielt also an der alten Annahme fest, dass die
Badegemächer unten und an den Wänden von Hohlräumen
eingefasst waren, die'durch ein Kohlenfeuer erwärmt, Fuss-
boden und Wände des Baderaumes erhitzten. Sache der
Techniker sei es nun — so schloss der Vortragende —
das zu erklären, was bei dieser sonst gesicherten Annahme
noch fraglich erscheinen müsse. e. St.

ARCHÄOLOGISCHES
Die Minerva von Poitiers und der Diadumenos.

Seitdem im Jahre 1862 ein Diadumenos zu Vaison in Süd-
frankreich gefunden worden ist, hat der französische Boden
kein ähnliches Kunstwerk für die Gegenwart bewahrt, als
die im Frühjahr 1902 aus einer künstlichen Aushöhlung
im Hofe der höheren Mädchenschule zu Poitiers ans Licht
gezogene Minervastatue, die jetzt im Musee de 1'HotcI
de Ville in Poitiers Aufstellung gefunden hat und allge-
meine Bewunderung erregt. Der erste Eindruck der Statue
ist der, dass sie eine eklektische Arbeit ist; der Kopf mag
ein archaisches Original imitieren, der Körper hat künstlich
archaisierte Elemente. Im archäologischen Jahrbuch (An-
zeige S. 65) und in der Revue archeologique (September-
Oktober p. 161—167) finden sich ausführliche Beschrei-
bungen des schönen Werkes nebst Abbildungen. Am
weitesten in französischem Lokalpatriotismus^ geht Louis
Gonse in der Bewunderung der Minerve de Poitiers (Revue
de l'art ancien et moderne vom 10. November), der gar
ein griechisches Original, allerdings nach älteren Motiven,
aus der nachpraxitelischen Zeit in ihr sieht und ein Vor-
bild von der künstlerischen Grösse der Parthenos für sie
annimmt. Dazu müssen gallische Raubzüge die Minerva
von Poitiers im 3. vorchristlichen Jahrhundert in das Land
der Picten gebracht haben, wo man das Kunstwerk sechs
Jahrhunderte später, seinen hohetAWert wohl begreifend,
gegen Barbareneinfälle vergraben habe. Aber die Herkunft
 
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