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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 14.1903

DOI Artikel:
Hevesi, Ludwig: Wiener Brief, [2]: der Impressionismus in der Secession
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https://doi.org/10.11588/diglit.5810#0128

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstr. 13

Neue Folge. XIV. Jahrgang 1902/1903 Nr. 15. 6. Februar

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Ver-
lagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an e. A. Seemann, Leipzig, Querstrasse 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein 81 Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

WIENER BRIEF

Der Impressionismus in der Secession
Von Ludwig Hevesi

Die jetzige Ausstellung der Secession ist ein voll-
ständiger praktischer Lehrkurs des Impressionismus
in Malerei und Plastik. Das Mitglied W. Bernatzik
ist nach Paris gereist und hat dort in wochenlanger
Arbeit eine ganze Musterkarte vorzüglicher Werke von
Manet, Monet, Degas, Pissarro, Renoir, Sisley u. s. w.
zusammengestellt. Eine ganze »Salle Caillebotte«,
wie man sagen könnte. Nicht einmal Cezanne fehlt,
dessen »unerhörte Barbarei« erst in der Vente Duret
(1894) zum erstenmal Käufer fand, und Berthe
Morizot (Madame Eugene Manet, Schülerin und
spätere Schwägerin des Malers), die erst vor zwei
Jahren als letzte Impressionistin auf Stephane Mallarme's
Betreiben mit ihrer »Jeune femme au bal« in den
Luxembourg einrückte. Der Wert dieser grossen Vor-
führung von über dreihundert Werken steigert sich
noch dadurch, dass sie meist aus privaten Samm-
lungen stammen. So hat Herr Durand-Ruel, der sich
seiner Zeit für die Manetgruppe förmlich ruinierte, aus
seiner peinlich gehüteten Privatsammlung in der Rue
de Rome eine Menge Perlen beigesteuert. (Für die
eine Nacht, die sie in Paris vor der Absendung
»ausser Hause« verbringen mussten, wurde an dem
betreffenden Zimmer eine eiserne Thüre angebracht.)
Desgleichen Professor Viau (Boulevard Haussmann),
einer der ersten Sammler in der Richtung Manet-Monet.
Wenn man sich nun in diesen Räumen umsieht, hat
man plötzlich alle die natürlichen Naturfarben im
Auge, um welche jahrzehntelang so hartnäckig ge-
kämpft wurde. Der koloristische Bürgerkrieg von
Paris, dieser Kommuneaufstand der neuzeitlichen
Augen, der 1859 mit dem »buveur d'absinthe«
Manet's begann und 1881 mit der von ihm ertrotzten
Medaille endete, spielt sich hier vor unseren Augen
Im kleinen ab. Die neun Bilder Edouard Manefs
zeigen ihn als Beginner und als Vollender seines
Stils. Die »spanischen Tänzer« (Durand-Ruel) sind
von 1862, als er in Paris die Truppe des schönen
Camprubi studierte und in gelbem Licht alles schwarz
pointierend an Goya dachte. Ein »Stiergefecht«
(Durand-Ruel) trägt schon die Spuren des spanischen
Aufenthalts von 1865, der aber wegen allzu unge-

niessbarer Nahrung nur zehn Tage währte. Es ist
ein saftiges Stück, in fünf wagrechten Farbenstreifen
hingestrichen, die aber doch noch in einen gelblichen
Oesamtton schlagen. Um wie viel ihm Goya in
dieser Note überlegen ist, zeigt ein Stiergefecht von
ihm (Berlin), wo die Farbe eines hochdramatischen
Augenblicks in einem Wirbelsturm aufzugehen scheint.
Ein frühes Bild ist auch die »Dame auf dem Kanapee«
(1861, Herr Cassirer, Berlin), die sogenannte »Ge-
liebte Baudelaires«, eine Kreolin, die der Dichter,
damals der einzige Verehrer Manet's, in dessen Atelier
gebracht hatte. Sie liegt auf einem dunkelgrünen
Sofa, mit einer ganz enormen Krinoline, welche
die breiten Lilastreifen ihres hellen Kleides seltsam
bricht. Hintergrund ein weisser Spitzenvorhang von
ausserordentlich luftiger Wirkung hinter dem raben-
schwarzen Kreolenkopf. Ein Prachtstück von 1874
ist das lebensgrosse Bildnis der Eva Gonzales, in
weissem Kleide, vor der Staffelei sitzend. Sie war
die Tochter des Romanciers Emanuel Gonzales und
starb als Gattin des Kupferstechers Guerard, ganz
jung, im Wochenbette. Sie war Manet's einzige
wirkliche Schülerin, die allerdings schon bei Chaplin
begonnen hatte. Die Zahl ihrer Bilder ist gering,
sie starb zu bald. Manet hat sie wiederholt gemalt,
dieses Stück aber ist besonders prächtig. Der gross-
zügige Kopf und die herrlichen blossen Arme mit
ihrem matten Fleischton, das Luftig-Mollige des weissen
Kleides mit seiner virtuos gegebenen breiten Falbel,
deren Duftigkeit durch eine hingeworfene weisse
Rose von fleischigerem Wesen noch gehoben wird,
geben einen dauernden Eindruck. Auch zwei seiner
Hausgärtchen aus den späteren Jahren sind da; eines
mit der Dame in Blau, die im Grase neben der
Giesskanne sitzt, aus Bellevue bei Paris, wo er schon
an seiner beginnenden Lähmung litt (1880). Die
Dame in Blau ist die Schwester der schönen Madame
Guillemet, die mit ihrem Gatten auf dem Berliner
Bilde »Dans la serre« dargestellt ist. Diese beiden
Bilder entzücken durch das mannigfaltige Farbenleben,
das in ihrem so simpel erscheinenden Grün vor sich
geht und ganz mit Tageslicht durchtränkt ist. Dann
sehen wir eine kühn hingekleckste Studie zur Buffet-
dame (»Un bas aux Folies Bergere« 1879). Aus
seinem vorletzten Lebensjahre (1882) ist das Pastell-
porträt des alten, weissbärtigen Konstantin Guy's,
 
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