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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 14.1903

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Warncke, Paul: Berliner Brief, [4]
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Florentiner Brief
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https://doi.org/10.11588/diglit.5810#0147

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271

Florentiner Brief

272

gut gemalte Akte hinein, die dann wie fremd und frierend
in ihrer einsamen Schönheit darin stehen — nein, ihm ge-
lingt es in der That, die Stimmung seiner Schilderungen
durch ebenso schlicht wie lebensvoll, ebenso naturwahr
wie zart und duftig gemalte Akte zu vertiefen. Sie ge-
hören zu der Landschaft, in der sie stehen, sie scheinen
dem Boden entsprossen, wie die buntfarbigen, in hundert
Tönen schimmernden Blumen umher; Johnson ist ein Poet,
er will nicht bloss einer sein.

»Sonnenkuss« ist wohl das herrlichste der fünf Ge-
mälde: Eine Farbenharmonie von ebenso grosser Fülle
wie Zartheit und Abrundung klingt aus dem ganz durch-
leuchteten Bilde; eine jugendliche weibliche Gestalt kniet,
den schönen Kopf in seliger Verzückung zurückgeworfen,
unbekleidet auf blumenübersäetem Grund. Durch die Äste
der Bäume, durch deren Stämme man fern ein Wasser
blinken sieht, fliessen die Strahlen der Sonne; sie tauchen
den Kopf des Mädchens in eine Flut von Licht. — Ähn-
liche Vorwürfe behandeln die Gemälde »Sonnenrausch«
und die mit jenem ersten um den Preis ringende »Land-
schaft«. In »Träumendes Wasser», das den dunklen Spiegel
eines Waldsees zeigt, auf dem eine Riesenblüte schwimmt,
hat der Künstler den Gegenstand nicht ganz bezwungen.
So schön auch die Malerei als solche ist — die schlum-
mernde Nymphe, deren Gewand die Blätter jener Blüte
vortäuschen soll, wirkt zu aufdringlich, so dass man nicht
gleich die »Blüte« erkennt.

In »chant d'amour« endlich kommt wieder der frische
Humor Johnson's zu Tage; es stellt am Ufer eines von
einem Park umschlossenen Teiches einen schmachtend
die Mandoline spielenden, verhungert und trübe drein-
schauenden Ritter dar, dem seine schon reichlich ange-
jahrte »Schöne« mit etwas spöttischem Lächeln lohnt. Ein
dicker, stumpfsinnig blickender Page trägt die Schleppe
ihres Gewandes. Sprudelnde Laune spricht aus dieser
Schilderung, die übrigens an Farbenpracht mit den anderen
wetteifert. —

Alles, was sonst noch bei Keller & Reiner zu sehen
war, trat ganz zurück. Nur eine lebensvolle Tierstudie
von Heinrich ZugeZ-München und ein paar formenstrenge,
kräftig modellierte Bronzen von Karl Hinterseher-München
verdienen noch Erwähnung.

Sehr erfreuliche Arbeiten enthält die jetzige Aus-
stellung im »Künstlerhaus«. Dort, im Hause des viel-
köpfigen »Vereins Berliner Künstler« haben sich nicht
weniger als fünf kleinere hiesige Vereine ein Stelldichein
gegeben, der »Märkische Künstlerbund«, die »Modernen
Landschafter«, der Verein »Freie Kunst«, der »Künstler-
westklub« und die »Gesellschaft deutscher Aquarellisten«.

Otto Heinrich Engel bietet neben einigen trefflichen
Darstellungen aus Friesland ein sehr gutes Kinderbildnis
und eine scharf beobachtete, malerisch und koloristisch
gleich fein wiedergegebene Volksscene »Kinderbegräbnis
aus der Oberpfalz«. Das bedeutendste Bild der Aus-
stellung hat wohl Karl Langhammer mit seiner grosszügig
erfassten und fast monumental geschilderten »Römischen
Campagna« beigesteuert. Finster getürmte Wolkenmassen
bedecken den weiten Himmel; nur im Vordergrunde ist
das Land hier und da in Sonne getaucht — sonst weithin
Dämmerung und Schatten. — Im Hintergrund zur Linken
eine Ruine, gebrochene Säulen, dunkle Berge schliessen
die Fernsicht. Mit ebenso grosser Einfachheit wie über-
zeugender Kraft hat der Maler die Grösse der schweigen-
den Einsamkeit geschildert, und es ist ihm gelungen, trotz
des Riesenmasses der Leinewand ein abgerundetes, in sich
geschlossenes Werk zu schaffen. —

Müller-Schönefeld hat eine farbig schöne, nur etwas
zu ausgeglichene Arbeit in seinem unbetitelten Gemälde

ausgestellt, das wohl als »Lebensfreude« zu bezeichnen
ist. Die Gruppe der Tanzenden, die etwas frischere Töne
zeigt, die Bogenschützen und die Landschaft, alles ist bis
auf eine leichte Härte der Waldsilhouette trefflich gemalt,
nur ein wenig lebhaftere, frischere, kühnere Farbengebung
wäre dringend zu wünschen.

Philipp Franck's »Dorfstrasse«, »Kartoffelschälerinnen«
und »Vor der Taufe« rufen ungeteilte Freude hervor.
Sie sind von derselbenjugendlichkeit und Unmittelbarkeit der
Erfassung und Schilderung des Lebens, die man an seiner
»Geburtstagsfeier« bewundern konnte.

Von Skarbina sieht man ein sehr stimmungsvolles
Nachtbild, von Vorgang eine so gross geschaute und
wuchtig gemalte Landschaft mit Ochsengespannen, wie er
sie seit Jahren nicht mehr geschaffen, von Karl Ziegler
feintönige, dunkel gehaltene Porträts, von Fritz Geyer,
Hans Pigulla und Karl Kayser-Eichberg gute, stimmungs-
tiefe Landschaften, von A. v. Brandis koloristisch schöne
Interieurs, von Schlichting ein sehr schönes sonniges, von
durchsichtiger Luft erfülltes Seestück »Von der belgischen
Küste«, von F. Kallmorgen eine seiner unübertrefflichen
Schilderungen aus dem Hamburger Hafen und von Ludwig
Dettmann eine grosse Landschaft »Nach dem Gewitter-
sturm« mit meisterlich gemaltem Regenbogen.

Endlich sei die vortreffliche, überaus lebendige Wachs-
büste des Malers Georg Ludwig Meyn von Martin Schauss,
und Meyn's nicht minder ähnliches Bildnis des deutsch-
österreichischen Schriftstellers Karl Pröll rühmend erwähnt,
ein Gemälde, das zu den weitaus besten gehört, die dem
Maler bisher gelungen. paul warncke.

FLORENTINER BRIEF

Die hiesige Chronik hat ein paar Diebstähle zu
melden. Uni die Mitte des Januars wurde aus dem
Oratorio dell' Annunziata zu Calenzano — zwischen Florenz
und Prato — eine Robbiaskulptur gestohlen. Das Werk
stellt, nach verschiedenen Mitteilungen in Zeitungen, Maria
dar, am Kreuzesstamm, auf dem Schoss den Leichnam
Christi haltend, den zwei heilige Frauen stützen. Ein
Fruchtkranz umgiebt das Relief, das dem Luca della Robbia
zugeschrieben wird (?). Bis jetzt fehlt jede Spur von dem
Verbleib des Werkes. Und soeben wird gemeldet, dass
in der Pieve von Limite bei Campi, im unteren Val d'Arno,
ein Bild von Kunstwert und ein Ciborium gestohlen worden
sind. Nähere Angaben fehlen. —

Vor bald einem Jahr ist eine Schrift erschienen, in der
sich ein beachtenswerter Urkundenfund findet; da aber
diese Gelegenheitsschrift1) nur in 150 Exemplaren, die zu-
dem nicht in den Handel kamen, publiziert wurde, mag
es erlaubt sein, mit ein paar Worten die für die Floren-
tiner Kunstforschung interessanten Ergebnisse mitzuteilen.
In dem Archiv der Innocenti hat Gaetano Bruscoli die
auf die Entstehung des grossen. Altarwerkes von Ghir-
landaio bezüglichen Dokumente aufgefunden. Der Kon-
trakt, in welchem sich Ghirlandaio verpflichtete, das Bild
eigenhändig — tutto di sua mano — zu malen, trägt das
Datum des 23. Oktober 1485. Die Ablieferungsfrist wurde
auf dreissig Monate festgesetzt; doch scheint es, dass
dieser ungewöhnlich lange Termin, in dem wir gewiss
ein Zeichen für die Vielbeschäftigtheit des berühmten
Künstlers erblicken dürfen, nicht genau innegehalten wurde.
Wenigstens ist die Zahlung erst unter dem 31. Dezember
1488 vermerkt.

Merkwürdiger aber, als diese Funde, die, an sich ge-
wiss wertvoll, doch nur Bekanntes ergänzen, wichtiger auch

1) Per le nozze Canevaro-Ridolfi. XXIII. April 1902.
 
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